„Zeitnah“ – das muss man nach Monaten, wenn nicht nach Jahren sagen – bedeutet aber offenbar nichts anderes, als den innenpolitischen Stumpfsinn, den Sie pflegen, warm zu legen. Denn wir können bis heute in der Innenpolitik keine Initiative und keine Idee, die uns nach vorne führt, erkennen. Stattdessen legt sich ein restaurativer Mehltau der 80er-Jahre über Nordrhein-Westfalen.
Deswegen blieb der Opposition, die nicht nur kritisch, sondern auch konstruktiv sein will, nichts anderes übrig, als Ihnen mit einem Artikelgesetzentwurf zu zeigen, wie das denn geht. Wir zeigen Ihnen, dass es aufgrund der Bedrohungslage auch durch den internationalen Terrorismus und des gegebenen staatlichen Sicherheitsauftrages unumgänglich ist, unseren Sicherheitsbehörden präzise und notwendige Aufgaben zuzuweisen und sie dabei mit angemessenen Eingriffsbefugnissen auszustatten. Wir wollen sie klar und präzise fassen, damit sie vor den Verfassungsgerichten in Münster und in Karlsruhe bestehen können.
Aber ebenso sind die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu sichern. Dazu gehören in erster Linie klare und rechtlich eindeutige Regeln zum Schutz der Privatsphäre.
Und wir schlagen Ihnen vor, die erweiterten Eingriffsbefugnisse, die der Verfassungsschutz seit dem 11. September 2001 auch in NordrheinWestfalen hat, mit der Schaffung und dem Ausbau neuer parlamentarischer Kontrollrechte auszugleichen und auszutarieren, die die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen sichern können.
Unser Versuch ist – Sie haben das im Gesetzentwurf gesehen –, die Spannungen, die zweifelsohne zwischen staatlicher Freiheitssicherung auf der einen Seite und staatlichem Sicherheitsauftrag auf der anderen Seite vorhanden sind, durch eine verantwortungsbewusste, moderne und innovative Innen- und Sicherheitspolitik in einen vernünftigen Ausgleich zu bringen. Deswegen glauben wir, dass es dringend erforderlich ist, diesen Ausgleich im Polizei- und Verfassungsschutzgesetz auch praktisch und nachweisbar zu vollziehen.
Wir haben versucht, den besonderen Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen, aber auch die Unterrichtung von Personen, die von heimlichen Überwachungsmaßnahmen betroffen sind, sowie die Unterrichtung des Landtages durch die Landesregierung stärker herauszustellen, als es bislang der Fall ist.
Wir schlagen Ihnen in unserem Gesetzentwurf sehr klare und eindeutige Regelungen zur OnlineDurchsuchung durch das Landeskriminalamt vor,
die allerdings restriktiver als die einschlägigen Bestimmungen im längst verabschiedeten Bundeskriminalamtgesetz ausgestaltet sind.
Wir schlagen Ihnen mit unserem Gesetz ferner vor, einen durchgängigen Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung in allen Sicherheitsgesetzen zu verankern, und zwar einen Schutz, der sich strikt an der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Sie sicherlich alle kennen, orientiert.
Außerdem wollen wir – ich hatte es bereits angerissen – eine deutliche Präzisierung, Weiterentwicklung und Stärkung der parlamentarischen Kontrolle als Ausgleich für die Aufgaben und lagegerechten Handlungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes.
Zusammengefasst bedeutet dies: Im SPD-Entwurf für ein neues nordrhein-westfälisches Polizei- und ein neues Verfassungsschutzgesetz werden Ermächtigungen geschaffen, die den Sicherheitsbehörden moderne, handhabbare und praktische Instrumente zur Bekämpfung neuartiger Kriminalitätsformen an die Hand geben. Gleichzeitig werden die Bürger- und Freiheitsrechte gesichert und ausgebaut. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. -Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Kruse das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist ein Kernanliegen der CDULandtagsfraktion und hat für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen einen außerordentlich hohen Stellenwert. Beleg dafür ist unter anderem, dass wir die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln. Bis 2011 werden insgesamt 2.400 Neueinstellungen mehr erfolgen, als von der rotgrünen Vorgängerregierung vorgesehen. Damit verjüngen wir die Polizei nicht nur, sondern künftig stehen auch mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für den Dienst in den Fachkommissariaten und auf der Straße zur Verfügung.
Wir haben in der vergangenen Woche im Innenausschuss unter anderem über die Zunahme von Gewalt gegenüber der Polizei diskutiert. Wir wissen, dass der Schutz vor Gewalt, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie die Aufklärung von Verbrechen unabdingbare Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger sind. Eine sichtbare und gut ausgestattete Polizei ist damit ein wesentlicher Faktor für die Lebensqualität in unserem Land. Bei der Ausstattung wird nachgebessert; das ist in der letzten Innenausschusssitzung verdeutlicht worden.
Wir stehen zu unserer Polizei und erklären uns uneingeschränkt solidarisch mit den Frauen und Männern, die tagtäglich ihre körperliche und auch ihre seelische Gesundheit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aufs Spiel setzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, neben einer angemessenen personellen und technischen Ausstattung der Polizei sind selbstverständlich auch moderne Sicherheitsgesetze notwendig, um eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit zu garantieren. Es ist richtig: Das Polizeigesetz ist die Kernnorm für die öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr und für die Gewährleistung der inneren Sicherheit in NordrheinWestfalen unverzichtbar.
Die neue Landesregierung hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung aus dem Jahre 2005 darauf verständigt, im Polizeigesetz Veränderungen vorzunehmen. Wir wollen zum Beispiel, dass die Polizei wieder für die öffentliche Ordnung zuständig ist. Denn dadurch wird deutlich, dass bereits kleinste Verstöße auch von der Polizei verfolgt werden können und die Polizei nicht weniger darf als die kommunalen Ordnungsbehörden. Die vorrangige Zuständigkeit der Ordnungsbehörden soll allerdings erhalten bleiben. Wir treten außerdem dafür ein, das Polizeigesetz dahin zu ändern, dass ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, zulässig ist, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist. – Zu diesen beiden Gesichtspunkten ist in dem Entwurf der SPD aber nichts zu finden.
Herr Kollege Rudolph, ich habe im Herbst des vergangenen und auch zu Beginn des laufenden Jahres Zuversicht geäußert – ich sage das in aller Offenheit –, dass die neue Landesregierung in Kürze einen Entwurf zur Änderung des Polizeigesetzes vorlegen wird. Unser Innenminister hat sich in entsprechenden Debatten auch in dem Sinne geäußert, dass Gründlichkeit bei der Beratung und bei der Erarbeitung eines Entwurfs vor Schnelligkeit gehe. Dies ist nachvollziehbar. Aber ich gestehe zu, dass es zwischen den Koalitionspartnern in einigen Punkten noch Gesprächs- bzw. Abstimmungsbedarf gibt. Dies zieht sich hin und dauert vielleicht zu lange. Aber wir werden in absehbarer Zeit – da bin ich zuversichtlich – zu einem Abschluss kommen.
Ich habe Sie, Herr Kollege Rudolph, bzw. Ihre Fraktion und – wenn man so will – die Opposition insgesamt dazu aufgefordert, eine eigene Gesetzesinitiative zu ergreifen. Dem kommen Sie nunmehr mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisierung des nordrhein-westfälischen Sicherheitsrechts nach. Ich möchte allerdings anmerken, dass dies seit 2005 Ihre erste Initiative in diesem Fachbereich ist.
Jedoch lässt Ihr Gesetzentwurf nicht nur die erforderliche Gründlichkeit vermissen, sondern er enthält auch erhebliche Mängel. Denn die in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vorgesehenen Änderungen des Polizei- und Verfassungsschutzgesetzes werden weder dem von der Rechtsprechung dargelegten noch dem sich aus der technischen Entwicklung ergebenden Neuregelungsbedarf gerecht. Sie stärken weder die grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten des Bürgers noch die
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, losgelöst von allen Entscheidungs- bzw. Änderungsnotwendigkeiten wie zum Beispiel der Einführung von sogenannten Kernbereichsschutzregelungen, der Neuregelung zur Verpflichtung zur Unterrichtung der Betroffenen über die Datenerhebung im Rahmen von polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen, der Wiedereinführung des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung, der Regelung des finalen Rettungsschutzes sehe ich und sieht meine Landtagsfraktion im Interesse einer effizienteren Verbrechensbekämpfung und eines besseren Schutzes vor den Gefahren von Extremismus und Terrorismus Klärungsbedarf hinsichtlich der Änderung des Verfassungsschutzgesetzes. Hier kommt es darauf an, die notwendigen Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zu ziehen.
Anmerken möchte ich noch Folgendes: Wir, die CDU-Fraktion, halten eine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes sozusagen als Annex zur Novellierung des Polizeigesetzes für erforderlich. Seit der Streichung der ordnungsbehördlichen Befugnis zur Anordnung von Aufenthaltsverboten im Jahre 2003 fehlt den Ordnungsbehörden ein wirksames Instrument gegen Störungen im öffentlichen Straßenraum. Ich halte es für wichtig, diese Lücke im anstehenden Gesetzgebungsverfahren zu schließen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierungsfraktionen von CDU und FDP – da bin ich ganz sicher – werden sich in den nächsten Tagen und in den nächsten Wochen im weiteren Beratungsverfahren in hoher Verantwortung einbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktuelle innenpolitische Herausforderungen erfordern klare, sinnvolle politische und professionelle Konzepte.
Die FDP in Nordrhein-Westfalen setzt dabei zuvorderst auf eine gute Personal- und Sachausstattung der Sicherheitsbehörden. Mehr Sicherheit bedeutet für uns insbesondere mehr Präsenz im öffentlichen Raum auf den Straßen und Plätzen. Unser Bundesland verfügt dafür über einen breiten, völlig ausreichenden Instrumentenkasten. Insoweit bedarf es lediglich einer moderaten Überarbeitung, insbesondere aufgrund veränderter höchstrichterlicher Rechtsprechung.
Das kann man eben nicht zwischen Tür und Angel machen, und der Kollege Kruse hat den Sachverhalt im Gesamtzusammenhang richtig dargestellt.
Aus dem, was die SPD heute hier ins Plenum einbringt, wird etwas völlig anderes sichtbar: Die SPD will das nordrhein-westfälische Sicherheitsrecht nicht moderat und sinnvoll modernisieren, sondern die Eingriffsbefugnisse und Mittel drastisch ausbauen und Bürger- und Freiheitsrechte drastisch abbauen. Wie kann man nur!
Nach dem Willen der SPD sollen Polizei und Verfassungsschutz ohne nennenswerte Voraussetzung jeden Bürger filmen, abhören, fotografieren, in der Wohnung und auf dem Computer ausspähen sowie persönlichste und sensibelste Daten in Datenbanken erfassen können.
Nach dem Kahlschlag der Freiheitsrechte auf Bundesebene holt die SPD nun auch in NRW die Axt heraus frei nach dem Motto: Der Zweck scheinheiligt die Mittel.
Für die SPD scheint das Credo zu gelten, dass mit den klassischen Mitteln unserer spezialisierten Polizei die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht zu meistern ist und dass natürlich neue Technik her muss, um den neuen Bedrohungen zu begegnen.
Wir haben eine veränderte Sicherheitslage mit anderen Formen der Bedrohung. Das ist aber nicht neu. Sie haben allerdings im Bund mit einer Angstkampagne das Phantom eines Staatsfeindes, der jederzeit überall zuschlagen kann, als Steigbügelhalter für zahlreiche massive Gesetzesverschärfungen konstruiert. Als Antwort bleibt nach Ihrer Überzeugung Sicherheitsfanatismus und Technikwahn mit Totalüberwachung, Videokameras an allen Ecken und Abhörwanzen allerorten.
Der Inhalt Ihres Gesetzentwurfes soll wohl Ihr Sahnehäubchen auf ein im Bund erstelltes Instrumentenwirrwarr für Sicherheitsbehörden darstellen. Ich nenne nur einige Punkte: Einsatz der Bundeswehr
im Innern, Totalüberwachung des Internets, Ausbau des Bundeskriminalamtes zu einem deutschen FBI, Abschuss von Passagierflugzeugen, Bodyscanner. Das noch bestehende Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten wird ganz offen als überflüssig und vor allem als äußerst hinderlich bei der Durchsetzung der eigenen Pläne bezeichnet.
Haben Sie eigentlich aus der deutschen Geschichte nichts gelernt, und haben Sie nicht wahrgenommen, wie erfolgreich das GTAZ in Berlin arbeitet? Der Liste des Grauens im Bund folgt nun mit dem SPDGesetzentwurf die Liste des Grauens für NRW. Was soll man von Sozialdemokraten, deren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries die Vorratsdatenspeicherung in ihrer Jahresbilanz als Erfolg preist, erwarten? Frau Zypries war noch nicht einmal in der Lage, Anwälten und Journalisten bei der Neuregelung der Telefonüberwachung den gleichen Abwehrschutz zu verschaffen wie Abgeordneten und Geistlichen.
Dieses Zweiklassenrecht bei Geheimnisträgern, das die SPD in NRW in ihren Entwurf übernommen hat, lehnen wir natürlich ab. Genauso lehnen wir die umfassende Vernetzung und den Dateienaufbau von Nachrichtendiensten und Polizei in Bund und Ländern sowie die präventivpolizeiliche Überwachung der Telekommunikation ab. Wir lehnen weiter die Erhebung von Telekommunikationsverkehrs- und -nutzungsdaten ab, den Einsatz technischer Mittel zur Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und Mobilfunkgeräten sowie den Eingriff in informationstechnische Systeme.
Haben Sie von der SPD-Fraktion im Internet eigentlich noch nicht Folgendes wahrgenommen – ich zitiere –: „Mit der SPD in den Polizeistaat“? Schauen Sie sich bitte dort einmal die verschiedenen Blogs an.
Nach ihrem unsäglichen Wirken im Bund will nun die SPD auch in Nordrhein-Westfalen den Weg hin zum Überwachungsstaat planieren. Anders kann man das nicht bezeichnen.
Die Menschen in unserem stolzen Bundesland können froh sein, dass wir einen liberalen Innenminister haben, der zusammen mit dieser Landesregierung diesen Angriff auf die freie und offene Bürgergesellschaft abzuwehren weiß.