Und wer möchte bezweifeln, dass die Verhandlungen heute Abend wie auch die Debatten der letzten Tage eine Substanz haben, die schwierig ist und noch gelöst werden muss – nicht nur heute Abend, sondern auch in den kommenden Wochen und Monaten. Es wird heute Abend nicht die endgültige Lösung geben, sondern es wird der Versuch sein, die sehr verschiedenen Enden so miteinander zu verbinden, dass es nur eine Lösung geben kann.
Wenn ich dann einfach einmal das, was es zum Beispiel gestern in der Koalitionsverhandlung an Gesprächen gegeben hat, zu dem in Relation setze, was Frau Kollegin Gödecke heute hier vorgetragen hat, dann sehe ich eine große Gemeinsamkeit.
Wir wissen, dass 25.000 Menschen bei Opel in Deutschland arbeiten, davon 5.000 bei uns in Bochum. Wir wissen, dass es sich um eine große Anzahl von Zulieferern handelt, Menschen, die meistens in mittelständischen Firmen arbeiten, übrigens vor allen Dingen und gerade hier bei uns in Nordrhein-Westfalen. Wir sind das Zentrum der Zuliefererbetriebe in Deutschland.
Meine Damen und Herren, mir ist auch immer wichtig, nicht zu vergessen, dass es nicht nur um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Opel
geht, sondern auch um ihre Familien, um ihre Kinder, um ihre Hoffnung auf eine gute Zukunft, um die Hoffnung auf die Möglichkeit, hier bei uns eine gute Ausbildung zu bekommen, und das nicht nur in der Schule, sondern auch auf den Lehrellen, in den Werkstätten von Opel und anderen Firmen.
Es ist mir auch wichtig, dass wir gemeinsam dafür eintreten, dass diese Menschen aus der Unsicherheit dieser Tage herauskommen.
Bei diesen Verhandlungen und Debatten gibt es keine Vorlage, in der steht: Jetzt ist die Lage so, jetzt setzen wir uns hin und beginnen eine harte Verhandlung. – Vielmehr ist es eine Situation, in der sich teilweise stündlich die Lage ändert.
Sie haben alle heute Morgen die Zeitungen gelesen. Bei aller Wertschätzung gegenüber dem Qualitätsjournalismus in Deutschland empfehle ich, nicht jeden Satz, der heute gemeldet wird oder in den letzten Wochen gemeldet wurde, als absolute und unumstößliche Wahrheit zu nehmen. Da ist viel spekuliert worden, da wird auch heute viel spekuliert. Da wird übrigens auch über Öffentlichkeitsarbeit versucht, seine eigenen Positionen durchzusetzen. Da wird etwas in der Hoffnung unterstellt, dass man da einen Punkt hat, der wichtig ist.
Ich glaube, man sollte einfach mal das auf sich wirken lässt, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen ist – ich meine das jetzt auch ganz persönlich, weil es für mich ein wichtiger Erkenntnisvorgang war, als ich in Detroit mit der Leitung von General Motors gesprochen habe. Als ich zurückkam, gab es hier eine große öffentliche Kulisse, in der berichtet wurde, Opel hätte gar keine Chance.
Niemand wollte Opel haben. Das wäre alles Schrott, das wäre alles von gestern. Das könnte man alles nicht brauchen.
Immer wird dabei dann, teilweise unausgesprochen, teilweise sogar ausgesprochen, zum Ausdruck gebracht: am besten zumachen, Klappe drauf; dann ist die Sache erledigt, und dann haben wir eine Marktbereinigung, die wir ohnehin brauchen.
Wie ist die Lage heute? – Ich nehme einmal das, was in den Zeitungen steht; angeblich ist ja seit gestern noch etwas passiert. Jetzt haben wir plötzlich vier Investoren, die bei Opel einsteigen wollen und Opel für so wichtig halten, dass sie sagen: Wir wollen mit Opel zusammen ein neues europäisches Unternehmen aufbauen.
Ich stelle diesen Punkt einfach deshalb an den Beginn, weil er beweist, dass alle recht haben, die hier im Raum sind und immer wussten, dass die Behauptung, Opel habe keine Zukunft, so nicht stimmt. Wenn man gerade einmal die letzten Monate unserer Erfahrungen mit der Krise Revue passieren lässt – darüber haben wir hier im Landtag mehrfach diskutiert –, dann haben wir doch immer einen Satz in den
Vordergrund gestellt, der richtig war, ist und bleibt, auch wenn er gelegentlich anders dargestellt worden ist: Den Wert eines Unternehmens machen nicht die Gebäude, die Maschinen und noch nicht einmal die Aktien aus, sondern die Menschen mit ihrem Engagement, mit ihrem Know-how, mit ihrem Wissen und mit der Fähigkeit, Produkte herzustellen, die sich auf dem Weltmarkt verkaufen lassen. Diese Menschen gibt es bei Opel.
Ich wiederhole den Satz, den ich damals in Detroit sagte: Auch die in Amerika müssen wissen, dass GM nur gerettet werden kann – egal, in welchem Verfahren –, wenn sie die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Opel haben. Genau so ist es umgekehrt aber auch: Die Vorstellung, man könne Opel mit einem politischen Beschluss völlig aus dem GMKonzern herausnehmen, war immer schon falsch, weil es hier eben um eine rund um die Erde verflochtene Gesellschaft geht.
Deshalb sind diese Verhandlungen auch so schwierig, und deshalb ist heute Abend wahrscheinlich das Wichtigste, dass es gelingt, nicht nur aus unserer Sicht hier in Deutschland die Dinge zu sortieren und zu einer Lösung zu bringen, sondern eine gemeinsame Plattform für die Zukunft mit General Motors und eine gemeinsame Lösung mit der amerikanischen Regierung, der neuen Administration, zu schaffen. Dies soll heute Abend versucht werden.
Ich weiß nicht, ob dies gelingen wird. Ich weiß nur, dass ich mich riesig freute, wenn wir dies heute Abend hinbekämen, und ich weiß auch – dies muss man ebenfalls sagen –, dass aus dem sich dann anschließenden Prozess Opel natürlich nicht mehr in der heutigen Form herauskommen wird. Es wird ein großer Restrukturierungsprozess stattfinden, es wird Veränderungen geben, und es wird – hier bedanke ich mich herzlich für die wohl gewählten Formulierungen, Frau Gödecke, weil Sie deutlich machen, was auch die Betriebsräte schon lange wissen – natürlich auch Arbeitsplatzabbau geben. Man kann nicht sagen, hier werde in den nächsten Jahren alles so bleiben, wie es ist.
Dies war ja einer der großen Fehler, die in Amerika gemacht worden sind: Man hat nicht darauf geachtet, was die Menschen hier können und was man mit ihrem Wissen und den Opel-Produkten in Amerika hätte machen können; stattdessen hat man Vorgaben gemacht, die völlig am Markt vorbeigingen, und teilweise auch noch das Geld herausgeholt. Aus genau diesem Grund ist das Problem entstanden, und das ist auch der Grund, weshalb es verantwortbar ist, als Staat Bundesrepublik Deutschland und als Land Nordrhein-Westfalen – dies gilt ebenso für die anderen Sitzländer – den Versuch zu machen, in dieser Situation zu helfen. Es waren doch nicht die Mitarbeiter, und es ist auch nicht eine Sache, die irgendwo anders passiert ist.
Deshalb müssen jetzt die Konzepte geprüft werden. Es haben sich, wie gesagt, heute noch Veränderungen ergeben; es wird sicherlich auch bis heute Nachmittag noch Veränderungen geben. In den letzten Tagen hat es Nachbesserungen gegeben. Wir werden sehen, was dann möglich sein wird.
Ich halte es jedenfalls für richtig – das ist die klare und eindeutige Position der Landesregierung –, Opel vorübergehend zu helfen. Opel ist ein Schlüsselunternehmen unserer Industrie, das hervorragende Produkte erstellt. Dieses Unternehmen ist nicht durch eigene Versäumnisse, sondern unter anderem durch schwere Managementfehler in den USA in die Schieflage geraten. Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen auch bei Zulieferern und Händlern, und es geht nicht zuletzt darum, dass die technologische Kompetenz nicht verloren gehen darf.
Ein Weiteres: Jede Staatshilfe kann nur vorübergehend sein. Opel muss so schnell wie möglich wieder auf die eigenen Beine kommen. Es wäre ein grandioser Fehler, wenn wir heute Abend oder wer immer in den nächsten Wochen den Versuch machten, vonseiten der Regierungen, der Administration oder von wem auch immer im öffentlichen Bereich die unternehmerischen Entscheidungen für Opel treffen zu wollen. Das können wir gar nicht.
Was wir machen können, ist Folgendes: Wir können mit denen, die bei Opel einsteigen wollen, den Versuch machen, eine neue unternehmerisch tragfähige Lösung zu finden, die mittel- und langfristig den Menschen und dem Unternehmen Sicherheit und eine nachvollziehbare Perspektive gibt.
Ich bedanke mich auch herzlich für die Übereinstimmung, die darin besteht, wenn ich es jetzt richtig herauskristallisiere, dass von allen Fraktionen gesagt worden ist, öffentliche Hilfe kann keineswegs gleichsam als Blankoscheck erteilt werden, vielmehr müsse vorher so viel Klarheit wie nur möglich geschaffen werden. Auch Übergangslösungen müssen mit der Nachfolgelösung verkoppelt sein. Man kann doch nicht in großem Umfang Geld geben und über alles Weitere später reden. Es muss dann schon klar sein, wie die anschließende Restrukturierung laufen wird.
Dies bedeutet natürlich auch – dieser Punkt hat eben schon eine Rolle gespielt –, dass wir keine Steuergelder aus Nordrhein-Westfalen oder aus Deutschland zur Verfügung stellen können, die dann irgendwo in Amerika in einem Chapter-elevenVerfahren versickern. Ich sage dies nur, damit es einmal gesagt worden ist. Ich habe von niemandem
gehört, dass etwas anderes gewollt sei. Mir kommt es jetzt darauf an, die Gemeinsamkeiten herauszustellen. Damit ist aus meiner Sicht dieser Punkt auch geklärt.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt steht für uns im Moment im Mittelpunkt des Interesses: Es muss dann auch eine faire Lastenverteilung bei den Standorten hier in Deutschland geben.
Da liegt ein großes objektives Problem. Ich will nicht darüber hinwegreden, weil das der Punkt ist, bei dem ich mir am unsichersten bin, was zu erreichen ist. Das kann man ja sagen. Ich finde es auch richtig und notwendig, es zu sagen, und ich sage es auch in voller Übereinstimmung mit dem Betriebsrat in Bochum und der IG Metall, die sich darum kümmert.
Es gibt einen Hintergrund, den wir nicht vergessen dürfen: Das Ganze, was da herauskommen muss, darf kein politischer Kompromiss sein, sondern es muss, wenn es richtig ist, dass es danach eine Perspektive in unternehmerischer Hinsicht gibt, unternehmerisch tragfähig sein. Das wird das große Thema sein. Wir müssen heute versuchen – das haben bereits die Kollegen Eiskirch, Weisbrich, Hegemann und Brockes gesagt –, dass beides so miteinander in Relation steht, dass es tragfähig ist, nämlich so viele Arbeitsplätze wie möglich, möglichst viele Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen, und gleichzeitig muss das Ganze betriebswirtschaftlich mittel- und langfristig tragbar sein.
Ich fühle mich bei dem Versuch, den ich jetzt unternommen habe, ein wenig die Gemeinsamkeiten herauszukristallisieren, gut ausgestattet, wenn ich heute Nachmittag nach Berlin fahre. Dann wollen wir mal schauen, dass wir gemeinsam versuchen, etwas hinzubekommen. Ich bitte Sie – Sie haben in den kommenden Stunden die politischen Möglichkeiten dazu –, Ihre Möglichkeiten zu nutzen, sodass wir ein gemeinsames und gutes Ergebnis für Opel in Deutschland und speziell für Opel in Bochum erreichen.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich frage das Auditorium, ob noch jemand das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall. Dann schließen wir den Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde.
2 Kein Geschäftsmodell! Kein Vorstandsvorsitzender! Keine Zukunft? Welche Pläne hat der Ministerpräsident nun mit der WestLB?
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion Frau Kollegin Walsken das Wort.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie den Plenarsaal, sofern Sie ihn verlassen wollen oder müssen, schweigend verlassen und nicht in große Diskussionen ausbrechen würden. Diese Bitte ist auch an die Kolleginnen und Kollegen, die hinter der Regierungsbank stehen, gerichtet. – Frau Kollegin, Sie können beginnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Westdeutsche Landesbank ist seit der Regierungsübernahme durch CDU und FDP in eine dramatische Schieflage geraten. Jahr für Jahr hat die Bank weiter an Substanz verloren, ist die Bank durch eine Serie von Fehlentscheidungen des Kabinetts Rüttgers tiefer in die Krise abgerutscht. In dieser Zeit haben drei Vorstandsvorsitzende sich an der Bank versucht, hat Ministerpräsident Rüttgers die Führung der Bank als Chefsache übernommen und ist der entscheidende Schritt zu einer Neuaufstellung mit neuem Geschäftsmodell im Jahre 2007 vertan worden.
Zur Erinnerung: Vor über zwei Jahren gab es einen einvernehmlichen Vorschlag der Mehrheitseigentümer Sparkassen, eine Zusammenarbeit mit der Landesbank in Baden-Württemberg einzuleiten. Heute wissen wir, dass dies eine zukunftsweisende Richtungsentscheidung war, denn heute diskutieren alle über die Konsolidierung der Landesbank.
Mittlerweile hat die ausgewiesene Gegnerin der öffentlich-rechtlichen Banken in der Bundesrepublik, Frau EU-Kommissarin Kroes, Herrn Dr. Rüttgers die Chefsache WestLB aus der Hand genommen. Bundesweit wird mittlerweile das Institut zum Kristallisationspunkt für den Fortbestand der öffentlichrechtlichen Bankensäule. Die Kommissarin hat die Axt angelegt. Und dafür tragen Sie, Herr Dr. Rüttgers, mit Ihren unternehmerischen Fehlentscheidungen die volle Verantwortung.
Der Niedergang der Bank in nur drei Jahren, das personelle Desaster an der Spitze sind Ereignisse, die mit Ihrem Namen, mit dem Namen Dr. Rüttgers, und der CDU verbunden.