Eine Beratung ist heute nicht vorgesehen. Die Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen, sodass wir jetzt über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Antrag Drucksache 14/9072 an den Innenausschuss zu überweisen, abstimmen können. Wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Dann ist das mit Zustimmung aller Fraktionen so angenommen.
12 Potenzial an Fachkräften nicht einfach verschenken – Abwanderung ausländischer Studierender verhindern – mehr Betreuung schaffen!
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD der Frau Kollegin Abgeordneten Hendricks das Wort. Bitte schön, Frau Hendricks.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Zuschauertribüne! Im vorliegenden Antrag geht es vor allem um die Erkenntnis, dass wir mehr gut ausgebildete Menschen in Nordrhein-Westfalen, und zwar auch aus anderen Ländern, brauchen, denn wir haben ein demografisches Problem.
In Anbetracht dessen, dass die USA 98 % der hochqualifizierten Einwanderer vorher in ihrem eigenen Land ausgebildet haben, scheint es ausgesprochen wichtig zu sein, dass wir in NordrheinWestfalen diesen Punkt thematisieren. Die Konsequenzen, die sich für NRW daraus ergeben, heißen klar: Studierwillige und Studierende aus dem Ausland sind wertvolle Potenziale für unser Land. Gerade vor diesem Hintergrund ist die tatsächliche hochschulpolitische Ausrichtung der Landesregierung als völlig verfehlt zu bewerten. Dies möchte ich an drei Beispielen deutlich machen.
Zum einen haben wir den desaströsen Umgang der Landesregierung mit den Studienkollegs. Aus ideologischen und nicht etwa aus sachbezogenen Gründen hat insbesondere die FDP darauf gedrängt, dass die Studienkollegs in NordrheinWestfalen abgeschafft wurden.
Sie hätten das auch anders regeln können, Herr Lindner. Sie haben das in dieser Koalition durchgesetzt, übrigens gegen den Willen der CDU, die an dieser Stelle sehr stark gewackelt hat. Aber da hat es sozusagen ein Kräftemessen in der Koalition gegeben, was am Ende Ihrer ideologischen Ausrichtung entsprochen hat.
Dadurch, dass dieses Angebot für Studierwillige aus dem Ausland nicht mehr in diesem Land vorgehalten wird, sind viele Ausländerinnen und Ausländer zu Recht verunsichert und abgeschreckt worden. Das ist übrigens ein Phänomen, das es in keinem anderen Land außer in Nordrhein-Westfalen in dieser Weise gibt. Die privaten Angebote, die die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen versucht zu etablieren, sind für diese angesprochene Personengruppe in der Regel völlig unerschwinglich. Nur wenige Privilegierte, die über ein Stipendium einen Kostensatz erhalten, haben die Möglichkeit, an den notwendigen Vorbereitungskursen teilzunehmen. Auf meine Anfrage zum Freshman Program der Fachhochschule Aachen und welche ausländischen Studierenden sich dieses leisten können, möchte ich daran erinnern, dass die Landesregierung mitgeteilt hat, dass das 23.000 € kostet.
Das zweite Problem ist die intransparente Auswahl der Studierwilligen in ihren Heimatländern. Die Landesregierung stärkt mit ihrer Entscheidung, die Studienkollegs zu privatisieren, die Verfestigung von bestehenden Eliten in den Entsendeländern. Die Bildungschancen hängen unter diesen Umständen mehr denn je ausschließlich vom Geldbeutel oder vom Status der entsendenden Länder ab. Die Möglichkeit des Ausgleichs dieser Ungleichheiten hat die Landesregierung nunmehr aus der Hand gegeben. Sie fährt damit übrigens auch entwicklungspolitisch einen höchst fragwürdigen Kurs.
Seit Herbst 2007 müssen zudem Ausländer und Ausländerinnen, darunter auch ausländische Studierende, für eine Aufenthaltsgenehmigung einen Fragebogen an den Universitäten ausfüllen. Die Studierenden werden nach ihrer Gesinnung gefragt. Staatsangehörige aus 26 Ländern werden dazu aufgefordert. Dass sich die Studierwilligen von einer solchen Behandlung, die einem Generalverdacht gleichkommt, abgeschreckt fühlen, wundert nicht. Selbst ohne diese radikalen Maßnahmen ist es für
Ausländerinnen und Ausländer schwer, in Nordrhein-Westfalen Fuß zu fassen. Mehr als ein Drittel der ausländischen Studierenden gibt an, dass sie schwer Kontakt zu anderen Studierenden finden. Dazu kommen die erheblichen finanziellen Probleme, die für diese Gruppe der Studierenden existenzbedrohend sind. Die Universität Bonn hat den Sonderstudienbeitrag gestrichen, weil dort festgestellt wurde, dass 60 % ihrer Nicht-EU-Studierenden in der Zwischenzeit weggebrochen sind.
Lassen Sie mich abschließend ein Wort zum Studienprogramm sagen. Dieses Instrument sollte in einer realistischen Weise stärker auf Personengruppen wie eben die Studierenden aus dem Ausland, die Nicht-EU-Studierenden zugeschnitten sein. Doch mit einer Summe von 300 € im Monat können Sie nicht erreichen, dass diese Studierenden in diesem Land studieren wollen. Sie können damit nicht einmal ihren Lebensunterhalt finanzieren.
Aus unserer Sicht bleibt also abzuwarten, wie die Hochschulen die Studienprogramme tatsächlich hinterlegen und für welchen Personenkreis sie am Ende zugänglich sind. Ich vermute, dass es nicht der Personenkreis ist, den wir auch unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten in diesem Land eigentlich fördern müssten, sondern dass am Ende ganz andere Personenkreise nach NordrheinWestfalen kommen – aber nicht die, die wir verantwortlich fördern müssten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Löttgen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal thematisiert die SPD in ihrem Antrag den Themenkomplex der Studienkollegs. Diesmal argumentieren Sie, dass die Zahl ausländischer Studierender in Deutschland seit einigen Jahren sinkt. Sie stützen sich auf eine Studie der Hochschul-Informations-System GmbH – HIS –, nach der jeder zweite Studierende aus dem Ausland sein Studium in Deutschland abbricht und in sein Heimatland zurückkehrt.
Wie immer in der politischen Debatte benutzt man gerne eine Statistik, die augenscheinlich die eigene Argumentation unterstützt. Sie versuchen, damit ein längst abgeschlossenes Thema wiederzubeleben. Letztendlich fehlen Ihnen konkrete Zahlen, und Ihre politischen Schlussfolgerungen bleiben Behauptungen.
Andere Publikationen wie etwa der Datenreport von HIS und DAAD zeigen nämlich ein etwas anderes Bild. Während die Zahl der Bildungsausländer an den Universitäten erstmals zurückgeht, steigt sie an
den Fachhochschulen weiter an. Während die Studienanfängerzahlen ausländischer Studierender im Erststudium zurückgehen, steigen sie in den weiterführenden Studiengängen.
Meine Damen und Herren von der SPD, es ist unbestritten, dass eine Erhöhung des Anteils ausländischer Studierender an unseren Hochschulen in vielfacher Hinsicht sehr wünschenswert ist. Unsere Hochschulen sind jetzt endlich auch in der Situation, dass sie aufgrund von mehr Handlungsfreiheit und finanziellem Handlungsspielraum gezielte Maßnahmen für ausländische Studierende anbieten können. Mehrere Hochschulen in NordrheinWestfalen, zum Beispiel Bochum oder Bonn, haben hier mit ihren guten Konzepten Preise gewonnen oder Projektmittel eingeworben.
Besonders großen Stellenwert besitzt sicherlich auch das Stipendienprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen zur Förderung des Studiums von besonders begabten Bewerbern aus Entwicklungs- und Schwellenländern, das in diesem Jahr beginnt. Die Stipendien gelten für ein komplettes Studium, kürzere Studienaufenthalte von zwei Monaten bis zu einem Jahr oder auch eine Kombination von Hochschul- und Praktikumssemestern. Hierfür stehen rund 2,5 Millionen € pro Jahr zur Verfügung.
Abschließend gilt es, Folgendes festzustellen: Auch das Land muss seine Ressourcen effektiv einsetzen. Wir setzen hierbei auf die Hochschulfreiheit. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lindner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Lindner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei der Zahl ausländischer Studierender an den Hochschulen steht Nordrhein-Westfalen an der Spitze aller Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen studieren über 62.000 Studierende nichtdeutscher Herkunft. Deshalb kann man nicht davon sprechen, dass Nordrhein-Westfalen für Menschen, die zum Studieren nach Deutschland kommen, gänzlich unattraktiv geworden sei.
An den Statistiken – wenn wir uns über Statistiken austauschen wollen, Frau Hendricks – muss uns allerdings besorgen, dass wir bei den ausländischen Studierenden in Deutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfalen bislang eine viel zu geringe Absolventenquote zu beklagen hatten. Das ist aus zwei Gründen bedauerlich.
Zum einen ist dies nämlich Indiz dafür, dass die Vorbereitung auf das Studium und die Begleitung während des Studiums nicht optimal waren. Deshalb haben wir dort etwas verändert und sowohl die
Auswahlverfahren als auch die Begleitung während des Studiums modifiziert, und zwar durch ein Stipendienprogramm, das nicht nur studienpropädeutisch wirken soll, sondern auch in der Begleitung während des Studiums Wirkungen entfalten soll.
Zusätzlich möchten wir einen Auswahlprozess haben. Wir wollen, dass die Hochschulen entscheiden können, wer bei uns studieren soll, wenn er aus dem Ausland zu uns kommt. Schließlich war ein Grund für die geringe Absolventenquote, dass es keine Auswahl geeigneter Studierender gab, sondern das Ganze mehr oder weniger dem Zufall überlassen blieb. Auch das ändert sich mit diesem Stipendienprogramm. Hier wird auch stärker auf die Eignung der einzelnen Studienbewerber geachtet werden. Im Übrigen haben die Hochschulen ein Eigeninteresse daran, talentierte junge Menschen aus dem Ausland an die eigene Hochschule zu bekommen. Das gehört zu den Internationalisierungsstrategien insbesondere der exzellenten Hochschulen.
Auch aus einem zweiten Grund muss die geringe Absolventenquote für uns besorgniserregend und alarmierend sein. Die Handlungskonsequenzen aus dieser Analyse habe ich bereits beschrieben. Es gibt aber natürlich auch eine Auswirkung. Man muss sich nämlich die Frage stellen, welches Bild junge Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, um hier ein Studium aufzunehmen, von Deutschland bekommen, wenn sie ohne einen Abschluss, also ohne eine messbare Qualifikation, nach Hause zurückkehren. Ich bitte, das auch vor einem entwicklungspolitischen Hintergrund zu bewerten.
Meine Damen und Herren, Sie haben durch eine unzureichende Auswahl, Begleitung und Erfolgsermöglichung beim Auslandsstudium in NordrheinWestfalen dazu beigetragen, dass unendlich viel Energie verschenkt worden ist und unendlich viel Motivation von jungen Menschen aus dem Ausland zerstört worden ist. Das haben Sie zu verantworten. Wenn wir jetzt diese Probleme beheben, lassen wir uns von Ihnen nicht den Vorwurf machen, wir würden die Gelingensbedingungen für das Ausländerstudium in Nordrhein-Westfalen verschlechtern. Das Gegenteil ist der Fall. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines muss man dieser Landesregierung lassen: Wenn Sie etwas machen,
Deshalb greift Ihre Philosophie von „Privat vor Staat“, Ihre Hochschulpolitik nach dem Motto „Forschung vor Lehre“ eben auch bei den sogenannten ausländischen Studierenden, und zwar mit dem Ergebnis, dass ausländische Studierende an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zukünftig nur noch erwünscht sind, wenn sie, wie es die „Frankfurter Rundschau“ schreibt – ich zitiere –, über das nötige Kleingeld verfügen.
Das hat die „Frankfurter Rundschau” geschrieben. Und dabei stammt nach einer HIS-Studie fast die Hälfte der Bildungsausländer aus Staaten mit einem geringen Pro-Kopf-Einkommen. Auf der Liste der Probleme, die ausländische Studierende mit ihrem Studium in Deutschland haben, steht die Finanzierung an oberster Stelle.
(Christian Lindner [FDP]: Rot-Grün hat es so gemacht, dass die jungen Menschen, die hierher gekommen sind, gescheitert sind!)
Es mag ja sein, dass Sie damit keine Probleme haben, Herr Lindner. Das klingt jetzt so. Nur ist das für mich und meine Fraktion kein befriedigender Zustand,
und zwar nicht nur aus Gründen der Gerechtigkeit oder aus entwicklungspolitischer oder sozialer Verantwortung – Kriterien und Aspekte, die für Sie und Ihre Landesregierung ja offensichtlich für die Ausrichtung Ihrer Hochschulpolitik nicht von Bedeutung sind –,