Protocol of the Session on April 1, 2009

Diesem Ansinnen kommt der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen nach. An der Stelle will ich in aller Deutlichkeit sagen, dass sich Regierung und Fraktion komplett einig sind. Jeder Spaltpilz Ihrerseits geht in die Irre. Es ist abgestimmt und genau das, was alle in der Regierung auch wollen.

Der Gesetzentwurf lässt der Kommunalpolitik vor Ort genügend Entscheidungsfreiheit, sei es bezüglich der Organisationsform, sei es beim Zahlenverhältnis von Migranten zu Ratsmitgliedern. Es ist überhaupt nicht erkennbar, warum es ein Problem geben soll, wenn wir das den Kommunen freistellen. Es ist das gute Recht jeden Rates, sich für die Organisationsform zu entscheiden, die ihm angemessen erscheint. Ich halte das auch für absolut richtig.

Ganz besonders verwunderlich ist, dass Rote und Grüne jetzt die Sache mit dem Wahltermin kritisieren. 1994, 1999 und 2004 wurde immer hinterher gewählt. Damals war es richtig. Wenn wir es jetzt aus sachgerechten Gründen so lassen, ist es plötzlich falsch. Sie haben nichts zuwege gebracht. Wir haben die Änderungen herbeigeführt. Das gilt auch für die Änderung, die wir ausnahmsweise und einmalig für das aktive Wahlrecht einbringen. Auch das hätten Sie längst machen können. Sie haben es aber nicht geschafft.

Wir wollen denjenigen, die als Aussiedler oder Ausländer in unser Land gekommen sind und die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, ausnahmsweise ein Wahlrecht geben. Das passive Wahlrecht haben die Deutschen mit Migrationshintergrund ohnehin. Also geht es um das aktive Wahlrecht. Im Unterschied zu einem unbefristeten aktiven Wahlrecht von Migranten ist ein im Vergleich zu dem übrigen deutschen Wahlvolk ungleiches aktives Wahlrecht für ein halbes Jahrzehnt akzeptabel.

Wenngleich die Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft regelmäßig einen Höhepunkt der Integration markieren soll, so lässt sich die Nachwirkung einer Migration insoweit auch rechtfertigen. Ein Mitwirkungsrecht an der Zusammensetzung des Integrationsgremiums entspricht derzeit dem Wunsch und dem Bedürfnis nach Partizipationsmöglichkeiten mit dem entsprechenden Erfahrungs

hintergrund. Der Gesetzentwurf ist deshalb eine gute Basis für eine bessere Beteiligung der Migranten an der Kommunalpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/8883 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform – federführend – sowie an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration. Wer stimmt der Überweisung zu? – Wer stimmt dagegen? – Stimmenenthaltungen? – Nein. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

18 Vergleichbare Kommunen in Ost und West gleich behandeln: Sonderzuweisungen und Altschuldenhilfe für strukturschwache NRWKommunen ermöglichen, kommunale Belastung für Einheitslasten zurückführen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7348

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform Drucksache 14/8891

Der Antrag wurde gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform überwiesen mit der Maßgabe, dass eine Beratung und Abstimmung nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Die Beschlussempfehlung und der Bericht liegen nunmehr in der obengenannten Drucksache vor.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Becker das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn das Thema zu später Stunde behandelt wird, ist es fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch ein wichtiges Thema. Wir dachten, es sei insgesamt die Meinung dieses Hauses, dass 20 Jahre nach der Wiedervereinigung Himmelsrichtungen bei der Förderung der Kommunen kein Kriterium mehr sein sollen und sein dürfen.

Bei der von uns beantragten Anhörung wurden wir eigentlich unisono bestätigt. Eine Ausnahme war die

Stellungnahme des Gutachters Lenk. Er legte aufgrund seines Gutachtens zu den kommunalen Einheitslasten, das er für die Landesregierung erstellt hat, aus meiner Sicht eine gewisse Befangenheit an den Tag. Das will ich nicht verhehlen. Aber insbesondere Herr Professor Junkernheinrich hat eine beeindruckende Stellungnahme vorgelegt, in der er deutlich machte, dass sich die strukturschwachen Kommunen in Ost und West kaum unterscheiden und die Verteilung nach der Himmelsrichtung damit eben kein problemadäquates Vorgehen mehr ist.

Meine Damen und Herren, um kein Missverständnis zu erzeugen, möchte ich betonen: Es geht um keine Neiddebatte. Es geht um keine Debatte, durch die dem Osten etwas weggenommen werden soll. Aber nach der Debatte darf es keine Finanztransfers mehr von Kommunen aus dem Ruhrgebiet geben, die sich dafür verschulden müssen, zu Kommunen im Osten, denen es durch die Steuereinnahmen richtig gut geht.

Das ungünstige Zusammentreffen von wirtschaftlicher Schwäche, hohen Sozialausgaben, Primärdefiziten, negativen Finanzergebnissen und hohen Kassenkreditschulden in den westdeutschen Großstädten ist ein schwerwiegender Standortnachteil in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Johannes Rem- mel [GRÜNE]: Genau so ist es!)

Dabei weist Nordrhein-Westfalen zugleich mit 48,3 % die höchste Quote bei der Kommunalisierung der Aufgaben auf. Das ist eine spannende Zahl. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Drittel der kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen zur Gruppe mit der höchsten Soziallastenquote bundesweit gehört. Das ist im Übrigen ein Zusammenhang, der aus unserer Sicht bislang in allen Debatten zu wenig Berücksichtigung gefunden hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich sage es gerne noch einmal. Die Anhörung hat verdeutlicht, dass die Entkoppelung von armen und reichen Kommunen in Deutschland anhält, sich im vergangenen Boom verstärkt und gerade in Nordrhein-Westfalen viele Verliererstädte erzeugt hat.

Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass die Regelungen des Solidarpaktes II auf den Prüfstand kommen und so verändert werden, dass die Kommunen in Ost und West nach dem Kriterium der Bedürftigkeit und nicht nach der Himmelsrichtung entlastet bzw. gefördert werden.

Bund und Länder hatten den Kommunen für 2010 zugesagt, den Umfang der Heranziehung zu den Kosten zu überprüfen. Nach Lage der Diskussion habe ich aber die Hoffnung aufgegeben, dass sich das Land für diese Überprüfung starkmachen wird.

Auch unser zweiter Vorschlag, die Altschuldenhilfe für die Kommunen in die Föderalismusreform II aufzunehmen, wurde nicht angenommen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ja!)

Wir Grüne standen im Bund und in den Ländern – übrigens mit der kommunalen grünen Familie in der Erarbeitung dieser Position einig – allein gegen alle anderen Fraktionen.

(Beifall von den GRÜNEN – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: So war es!)

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wie gerade gestern veröffentlicht, betragen die Kassenkreditschulden der nordrhein-westfälischen Kommunen im Moment 14,58 Milliarden €. Das ist bundesweit mit Abstand der höchste Satz. Es sind bald 50 % der Kassenkredite bundesweit.

Vor dem Hintergrund, dass es sich insbesondere um Kommunen handelt, die in der strukturschwachen Kategorie sind, von der ich gesprochen habe, und vor dem Hintergrund, dass Sie bis heute für diese Kommunen nichts getan haben, außer wohlfeile Ratschläge zu geben, sie sollten mehr sparen, sind wir der Auffassung: Eigentlich müssen Sie heute all den Reden der vielen Politiker, die immer gesagt haben, dass diese Änderungen zwischen Ost zu West nötig sind, endlich Taten folgen lassen. Ich stelle fest: Bis jetzt haben Sie das nicht getan. Ich bin gespannt, ob Sie jetzt etwas anderes sagen, als dass diese Kommunen selber schuld seien und mehr sparen sollten. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Löttgen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Becker, erneut sage ich: Ihrer Beschreibung der Situation stimme ich zu. Über die Kritik, was die Aufgaben der Kreise angeht, sprechen wir doch miteinander, beispielsweise in der ifo-Kommission.

Die Kritik, die Sie dem Innenminister und den Regierungsfraktionen vorwerfen, weise ich auf das Schärfste zurück.

(Beifall von der CDU)

Der vorliegende Antrag der Bündnisgrünen konzentriert sich im Wesentlichen auf den Wunsch, eine Gleichbehandlung strukturschwacher Kommunen in unserem Bundesland mit vergleichbaren Kommunen im Osten Deutschlands durch eine Änderung der Ausgestaltung des Solidarpakts II herbeizuführen. Dieses Anliegen wäre durchaus ernst zu nehmen, wenn der Antrag nicht wesentliche Punkte außer Acht lassen würde, die bei der Betrachtung der komplexen Problematik eine erhebliche Rolle

spielen. Das ist im Plenum bereits mehrfach behandelt worden.

Wann haben Sie eigentlich diesen Antrag geschrieben, Herr Becker? Ihre Forderung, die Landesregierung möge die aufgeführten Punkte a) und b) in die laufenden Beratungen der Föderalismusreform II einbringen, ist nicht nur unsinnig, sondern läuft auch fehl. Die abschließende Sitzung der Föderalismuskommission II hat bereits am 5. März 2009 stattgefunden.

(Horst Becker [GRÜNE]: Haben Sie gesehen, von wann der Antrag ist?)

Bleibt Ihre Wunschliste zur Verbesserung der Situation strukturschwacher Kommunen. Daran ist auch mir und uns gelegen – aber doch nicht mit den Mitteln dieses Antrags.

Erstens. Sie sprechen in Ihrem Antrag beim Thema Solidarpakt II selbst von einer verbindlichen Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Verbindlich heißt bei mir rechtsverbindlich und nicht änderbar. Sie wissen genau, wie die politischen Mehrheiten sind, und erwecken den Eindruck, dass dieser Antrag noch etwas bewegen könnte und dass Sie mit diesem Papier die Lasten der deutschen Einheit von den Kommunen nehmen könnten. Das nenne ich unredlich.

Zweitens. Für die Revision der erhöhten Gewerbesteuerumlage sind Überprüfungen auf Angemessenheit im Jahr 2010 und 2019 festgelegt. Der Festlegung dieser Termine haben Sie als damaliger Partner der Landesregierung doch zugestimmt. Das Sein in der Opposition ändert anscheinend auch hier das Bewusstsein. Bei einem Entschließungsantrag der Regierungskoalition am 20. Dezember 2006, die ein Vorziehen des Überprüfungszeitpunktes forderte, haben Sie dies noch einmal deutlich gemacht.

Was bleibt? Sie wollen sich erneut zum Anwalt der Kommunen aufschwingen – wohl wissend, dass dieser Antrag nichts anderes als heiße Luft ist. Sie suggerieren, Ihr Antrag böte Lösungen

(Widerspruch von Horst Becker [GRÜNE])

für die Verbesserungen der Situation strukturschwacher Kommunen, und verkennen dabei die Sachkenntnis unserer Kommunalpolitikerinnen und -politiker vor Ort. Sie verwechseln Ursache und Wirkung.

Zu Ihrem Statement am Schluss, zu Ihrem Hinweis auf die Verschuldung von 14,3 Milliarden €

(Horst Becker [GRÜNE]: 14,58 Milliarden €!)

muss ich Ihnen sagen: Herr Becker, ich habe Ihnen bereits in einer Zwischenfrage in einer Plenarsitzung vorgeworfen, dass Sie falsch rechnen. Sie haben eine Verdreifachung der Verschuldung der Kommunalfinanzen in Ihrer Regierungszeit zu verantworten, nämlich von 3,1 auf 10,31 Milliarden €.

Schauen Sie im Kommunalfinanzbericht nach. Auf dieser Ausgangsgrundlage ist es für viele Kommunen sehr schwierig, eine Verbesserung der Situation zu erreichen.