Ich sage es einmal so: Es ist eine inhaltliche Bewertung, ob Fragen beantwortet wurden. Ich bitte um Verständnis, dass ich keine weitere Frage zulassen werde.
Herr Minister, Ihre letzte Antwort bringt mich auf eine Möglichkeit, die die Ursache dafür sein könnte, dass Sie sich nicht genau auf einen Zeitraum festlegen wollen. Nennen Sie keinen Zeitraum, weil Sie noch keine Personalauswahl getroffen haben, oder sind möglicherweise die finanziellen Voraussetzungen durch den Nachtragshaushalt oder was auch immer
Soweit ich informiert bin, hat die Haushaltssperre mit der Frage, ob wir besetzen oder nicht besetzen, überhaupt nichts zu tun. Es ist in der Tat die Frage der Personalauswahl.
Ich danke Ihnen ganz herzlich, Frau Vizepräsidentin. Herr Minister, Sie hatten gerade ausgeführt, dass Sie sich vorbehalten, mit der Person, die Sie auswählen werden, über die genaue Aufgabenbeschreibung in den einzelnen Ausführungen, über die finanzielle Ausstattung und wahrscheinlich über die Frage, mit welchem Personal dort gearbeitet werden soll, zu sprechen.
Da Sie diese Person noch nicht kennen, stellt sich die Frage: Halten Sie es nicht für verfrüht, den bisher dort Beschäftigten mit dem entsprechenden Tätigkeitsfeld zum heutigen Tage bereits mitzuteilen, dass Ihre Verträge nicht verlängert werden? Es könnte doch sein, dass Sie mit einer Person zu einer Einigung kommen, die sagt, es sind alles Leute, die ich dringend brauche. Es könnte doch sein, dass diese Person traurig darüber ist, wenn diese Beschäftigten schon eine andere Verwendung gefunden haben.
Auch das ist ein Automatismus. Denn die Einstellungen und das Personal der bisherigen Behindertenbeauftragten waren personengebunden. Deswegen ist es völlig konsequent, dass ich die befristeten Arbeitsverträge nicht verlängert habe.
Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Fragen und Nachfragen liegen mir nicht vor. Damit ist die Mündliche Anfrage 21 erledigt, und wir sind auch am Ende der heutigen Fragestunde.
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass entgegen dem Ausdruck in der Tagesordnung hierzu heute keine Beratung durchzuführen ist.
Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/ 578 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die Beratung soll nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ich lasse über diese Überweisungsempfehlung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollegin Beer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne den Faden von heute früh noch einmal aufnehmen mit dem Zitat von Helmut Fend, der die Entsorgungsmentalität im deutschen Schulsystem beklagt und darauf hingewiesen hat, dass damit auch ein ganz spezielles professionelles Verständnis von Lehrern und Lehrerinnen verbunden ist, das darin besteht, dass sich die Schüler und Schülerinnen den Bildungsgängen der Schule anzupassen haben und nicht umgekehrt die Schule alles tut, um den Bildungserfolg der Schüler und Schülerinnen zu garantieren.
Wir haben in der Folge eben das System, dass abgeschult wird und wir viele Klassenwiederholungen haben. Das ist genau der Einfluss dieses Systems in den Köpfen der Lehrerinnen und Lehrer. Das Ganze wird dann noch dadurch gekrönt, dass etliche Kolleginnen und Kollegen, die im hierarchischen Schulsystem in der oberen Etage, nämlich im Gymnasium, arbeiten, sehr unverblümt zum Ausdruck bringen, dass sie mit der Schülerschaft einer Hauptschule nichts zu tun haben wollen und dort auch nicht arbeiten würden.
Die viel gepriesene Durchlässigkeit im System existiert real nur in eine Richtung. Von 100 Schülern und Schülerinnen, die sich im System bewegen, werden 94 nach unten durchgereicht. Nur sechs erreichen den Aufstieg. Das bestätigen immer wieder die Daten des Schulforschungsinstituts in Dortmund.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, verbunden mit dem Skandal, dass die soziale Herkunft den Bildungserfolg in so hohem Maße bestimmt, gibt es auch einen Skandal innerhalb unserer Lehrerschaft, dem wir begegnen müssen, nämlich dass ausgerechnet die Lehrerinnen und Lehrer mit der längsten Ausbildung, der besten Besoldung und den größten Laufbahnchancen sagen und entscheiden können, dass sie mit bestimmten Kindern einfach nicht arbeiten wollen.
In den erfolgreichen skandinavischen Ländern oder erfolgreichen Pisa-Ländern wie Kanada ist dagegen für Lehrer und Lehrerinnen klar: Sie treffen die Schülerinnen und Schüler immer wieder. Sie können sie nicht einfach loswerden, weil sie unbequem sind oder nicht so funktionieren, wie sie sich das vorstellen. Deshalb ist ihnen die Notwendigkeit, sich auch mit diesen Schülerinnen und Schülern von Anfang an fördernd auseinander zu setzen und sich ihnen zuzuwenden, wesentlich deutlicher bewusst, und sie tun es konsequenter, weil sie sonst das Problem immer wieder einholen würde.
Ich nehme noch einmal das Stichwort von Helmut Fend auf: Entsorgungsmentalität. Nicht erst Pisa 2003 führt uns vor Augen, wie ineffektiv und sträflich wir im System mit der Lern- und Lebenszeit von Schülerinnen und Schülern umgehen. 36 % – so schon der Befund 2000 – durchleben bei uns Rückstellungen, Klassenwiederholungen und Abschulungen. Das ist organisierte Beschämung und Demotivierung und ein unglaublicher ökonomischer Unfug.
ergibt mehr als 280 Millionen €, die allein in NRW für Maßnahmen aufgewendet werden, die sich – wie schon mehrfach belegt – als in der Regel ineffektiv für den Kompetenzerwerb herausstellen.
Es wird höchste Zeit, dass diese Mittel umgewandelt werden in Mittel, die Schulen als Unterstützung für Fördermaßnahmen zur Verfügung stehen, wenn sie für sich das Ziel des Vermeidens von Sitzenbleiben in der Schulgemeinde vereinbaren und die Umsetzung konsequent angehen. Für den Erfolg solcher Vorhaben von der Hauptschule bis zum Gymnasium gibt es in NRW bereits Beispiele.
Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Ministerin, wir Grüne haben deshalb den Antrag zum Thema „Sitzenbleiben überflüssig machen – Individuelle Förderung stärken“ schon vor der Vorstellung der Pisa-Ergebnisse gestellt und damit thematisch sozusagen ins Schwarze getroffen. Ich habe mich sehr gefreut, dass auch die Ministerin diesen Punkt in ihre zehn Punkte als Konsequenz für NRW aufgenommen hat.
Schulen müssen mehr Verantwortung übernehmen für den Bildungserfolg der ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler. Schulen, die das aktiv aufnehmen, sollen durch ein Anreizsystem mit der Ressourcen-Umwidmung belohnt werden. Wir brauchen alle Ressourcen im System für die Entwicklung der individuellen Förderung. Sie dürfen nicht in Systemeffekten aufgerieben werden, die nachweislich keinen Kompetenzzuwachs bewirken. Wiederholung ist, bis auf spezielle Einzelfälle wie zum Beispiel langfristige Erkrankungen, verzichtbar.
Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, das Verhältnis zwischen Lehrern und Lehrerinnen und Schülern und Schülerinnen zu verbessern. Auch das ist eine Aufgabe, die uns Pisa ins Stammbuch schreibt.
Im Zentrum der Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss der produktive Umgang mit Heterogenität stehen. Er muss zum verpflichtenden Bestandteil werden.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir in einer gemeinsamen Initiative dazu kommen, dem System des systematischen Abschulens, dem System der systematischen Beschämung und Demotivierung von Kindern und Jugendlichen eine Absage zu erteilen und endlich den Schalter umzulegen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Kollege Solf das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Sie sitzen geblieben sind, um meiner Rede zuzuhören. Ich hoffe, dass dieses Sitzenbleiben einen positiven pädagogischen Effekt für den einen oder die andere unter Ihnen haben wird.
Vielleicht gelingt es mir, die Aufmerksamkeit der eher rot und grün Gestimmten unter Ihnen dadurch zu erlangen, dass ich mich zunächst auf den Spuren von Gerhard Schröder bewege. Keine Angst, ich habe nicht fertig, ich zitiere ihn nur. Durchaus zutreffend hat er einmal bemerkt, dass Albert Einstein nie sitzen geblieben sei. Aus dieser schönen Legende können Schüler und Eltern leider keinen Trost mehr ziehen.
Ich bin gleichfalls nie sitzen geblieben, aber wenn das nicht auch Legenden sind: Thomas Mann hat es erwischt und Ute Schäfer, Barbara Sommer und Edmund Stoiber, und sogar Peter Heesen, alles Leute, aus denen etwas geworden ist.
Nun wollen Sie, meine sehr verehrten Antragstellerinnen von den Grünen, bitte nicht schließen, ich forderte mehr Sitzenbleiber.
Aber diejenigen unter Ihnen, die schon in der letzten Legislaturperiode im Landtag waren, wissen vielleicht, was ich vor knapp einem Jahr hier im Plenum gesagt habe.