Auch das Modell, in denen Krankenhäuser – gerade privater Krankenhausträger – Medizinische Versorgungszentren unterhalten, finde ich problematisch: Der niedergelassene Arzt überweist seine Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus, sieht sie aber nie wieder, weil sie vom Krankenhaus in das MVZ überwiesen werden.
Hierfür gibt es ganz viele Beispiele. Damit haben wir Probleme. Ich glaube, dass dadurch die Freiberuflichkeit gefährdet ist. Deswegen müssen wir eine Diskussion darüber führen, wie man Praxisgemeinschaften stärken kann.
Denn natürlich macht es Sinn, viele Bereiche im Haus und kurze Wege statt im Lande verstreute Fachärzte zu haben. Auch die Kommunikation zwischen den Ärzten könnte an vielen Stellen optimiert werden, nicht aber in dem Sinne, dass darüber ein Partialinteressen vertretenden Träger wacht. Eine Diskussion über diesen Komplex fände ich spannend. Wir können sie gerne im Ausschuss gemeinsam führen. Vielleicht kann man auch von dort aus übergreifend im Bund noch einmal etwas bewegen. – Danke.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich warne sehr davor, die jetzige Debatte über die Ärztehonorierung in Nordrhein-Westfalen zu einer ideologischen Auseinandersetzung über das Gesundheitssystem in Deutschland zu machen. Das wird uns nicht helfen.
Wir haben es mit einer ganz einfachen Lage zu tun: Das Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen ist das am schlechtesten finanzierte in ganz Deutschland! Es hat sich über viele Jahre dorthin entwickelt. Ich habe gesagt, auf welche Zeit diese Entwicklung zurückgeht: Krise! Enge Entlohnung! Starke Solidarität im Land! Budgetierung! – Wir sind nicht wieder hochgekommen!
Und vielleicht hängt das auch ein bisschen mit der damaligen Denkweise der Politik zusammen. Eine Zeit lang hat es in Nordrhein-Westfalen auch einmal eine relativ krankenkassenorientierte Politik gegeben.
Deswegen ist es jetzt wirklich wichtig, dass die in Berlin – sowohl im Bundesministerium als auch in der Selbstverwaltung – merken, dass das in Nordrhein-Westfalen einfach nicht so weitergeht.
Schauen Sie sich die Zahlen an, die wir Ihnen zur Verfügung stellen. Ihnen können Sie entnehmen, wo unsere jungen Mediziner bleiben. Es ist nicht die Abwanderung nach England oder in die Schweiz, sondern die Abwanderung nach Süddeutschland.
Sie werden sich in Ihren Wahlkreisen bald alle damit beschäftigen, ob Ihre Krankenhäuser noch genug Ärzte haben. Immer dann, wenn es durch das medizinische System zu Schwierigkeiten in der Versorgung kommt, wird das s zu einem großen Politikum. So lange ist es noch eine relativ einfache Frage der berufsständischen Politik.
Einen weiteren Punkt müssen Sie auch ganz klar sehen. In den letzten Jahren wurde das Entlohnungssystem, das Honorarsystem der Ärzte, so kompliziert gemacht, dass Sie es niemandem mehr erklären können. Solange das so kompliziert bleibt, wird dieses System nie wieder Vertrauen wecken.
Ich sage Ihnen, wie die Gesundheitspolitik in Nordrhein-Westfalen weitergehen wird, wenn in diesem Jahr nichts passiert: Im Hausärzteverband in Westfalen-Lippe sind 50 % der Ärzte organisiert. Nach der jetzigen gesetzlichen Regelung steht dem Verband ein eigener Hausärztevertrag zu. Dieser wird – wie ich es zurzeit einschätze – auf dem Verhandlungswege nicht zustande kommen. Das heißt, wir werden im Ministerium spätestens im Juni über das Stichwort „Schlichter“ reden. Ihnen sind die Rechte der Schlichter in diesem Bereich bekannt. Am Ende des Tages wird – was ich den Ärzten auch gönne – eine höhere Vergütung für die Hausärzte in Westfalen-Lippe vereinbart sein. Da die Mittel für den niederlassenden Bereich aber aus einem Haushalt stammen, bedeutet das für die Fachärzte noch weniger Geld als heute. Was meinen Sie, was dann in der öffentlichen Debatte los ist?
Schauen Sie sich dieses Szenario an. Wenn in Berlin nicht hinsichtlich der 3 Milliarden € umgedacht wird und eine Neuverteilung stattfindet, wer
den wir in Nordrhein-Westfalen der Brennpunkt der Auseinandersetzung über das Gesundheitssystem in der Bundesrepublik Deutschland werden; denn bei uns wird es am ehesten kneifen. Von den Entgelten in unserem Land ist eine freiberufliche Praxis nicht mehr zu tragen. Deswegen müssen sowohl Ulla Schmidt und das Bundesministerium als auch die Selbstverwaltungsgremien einsehen, dass die Sache aufgerollt werden muss.
Und wenn ein Professor Wasem, der das alles wesentlich mitzuverantworten hat, sagt, wenn er das alles geahnt hätte, was dabei herumgekommen ist, hätte er es nicht so gemacht, nützt mir das im Nachhinein gar nichts. Man muss dann schon die Kraft besitzen einzugestehen, dass die Beschlüsse falsch waren.
Neben dem einheitlichen Punktwert müssen wir uns auch einen einheitlichen Behandlungswert anschauen. Dabei wird Nordrhein-Westfalen relativ gut wegkommen. Ich habe eben erklärt, warum dies so sein wird. Wenn man einen einheitlichen Punktwert ohne einen einheitlichen Behandlungswert schafft, hat man zwei Zwillingsschwestern auseinandergezogen, die einfach zusammengehören.
Wir werden in dieser Richtung wahrscheinlich eine Bundesratsinitiative in die Wege leiten. Ich bin im Ministerium zurzeit dabei, sie vorzubereiten. Sie können aber auch einfach ausrechnen, wie diese ausgeht. Es gibt vier oder fünf Länder, die in der gleichen Situation sind wie wir. Für alle anderen Länder bedeutet dies, dass sie von ihren Pfründen abgeben müssen. Damit ist die Mehrheit in diesen Fragen im politischen Raum gar nicht mehr zu holen.
Wer will, dass es weiterhin eine ärztliche Selbstverwaltung gibt und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Dinge unter sich abmachen, muss dafür sorgen, dass diese grotesken Unterschiede, die gegen das Land Nordrhein-Westfalen wirken, ein Ende haben.
Ich lade die Fraktionen des Landtags noch einmal dazu ein, in dieser Frage aus nordrhein-westfälischen Interessen heraus an einem Strang zu ziehen. Das wird uns allerdings nicht gelingen, wenn wir daraus eine ideologische Frage über das Gesundheitssystem machen, denn da gibt es logischerweise unterschiedliche Sichtweisen und Gesichtspunkte, die aber mit der Verteilungsfrage nicht unbedingt etwas zu tun haben.
Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aktuelle Stunde.
Wahlvorschlag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8730
Eine Debatte zu diesem Wahlvorschlag ist nicht vorgesehen. Wünscht trotzdem jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.
Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 14/8730. Wer für diesen Wahlvorschlag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand der Stimme? – Damit ist dieser Wahlvorschlag einstimmig angenommen.
Ich wünsche all denjenigen, die für das Land Nordrhein-Westfalen nach Berlin fahren, eine gute Wahl.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die SPDFraktion Frau Abgeordneter Kieninger das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Morgen finden an vielen Orten in Deutschland Veranstaltungen zum Equal Pay Day statt. Frauen machen mit roten Handtaschen auf die Lohnungleichheit aufmerksam. Bis zum 20. März dieses Jahres müssen Frauen in unserem Land arbeiten, um das Einkommen zu erreichen, das ihre Kollegen bereits am Jahresende 2008 erreicht hatten.
Damit befinden wir uns europaweit so ziemlich am Ende der Skala der Lohnungleichheiten der Geschlechter. Aber auch weltweit schneiden wir nicht viel besser ab. 23 % Lohnunterschied sind die traurige Bilanz in unserem Land. EU-weit sind es 17,4 %. Auch im gleichen Beruf ist unterschiedliche Bezahlung festzustellen. Verdient eine Ingenieurin 17 % weniger als ihr Kollege, so sind es bei der Verkäuferin 37 %.
In diesen Tagen war in der Presse zu lesen: Herr Minister Laschet macht sich für eine gerechte Entlohnung stark. Ein Viertel weniger Lohn für Frauen,
das ist ein Zustand, der nicht akzeptabel ist. – So wird der Minister in einer Meldung von ddp zitiert. – Da muss ich Herrn Minister Laschet recht geben. Wo er recht hat, hat er recht.
Der Minister stellt auch fest: Es gibt nicht nur eine Ursache für Lohnungleichheit. Deshalb müssen wir auch an verschiedenen Stellen ansetzen. – Auch da gebe ich dem Minister recht.
Die Landesregierung startet ein Projekt in vier Unternehmen, in denen veränderte Beurteilungskriterien für die Entlohnung erarbeitet und erprobt werden. Das ist ein richtiger Schritt, den auch wir unterstützen. Aber viele Schritte sind nötig, um zum Ziel zu kommen.
Ein Grund für die Ungleichheit ist die hohe Teilzeitquote von Frauen. Auch hier befinden wir uns in Deutschland leider in den Spitzenpositionen. Das gilt ganz besonders in Nordrhein-Westfalen
Auf Platz 3 befinden wir uns in Nordrhein-Westfalen bei der geringfügigen Beschäftigung. Eine Großzahl der Minijobbeschäftigten ist weiblich, und das nicht, weil Frauen nicht so viel arbeiten wollen – sie arbeiten vielfach mehr und länger für 400 € –, sondern ihnen werden leider keine anderen Jobs angeboten.
Das erklärt sich zum einen mit den Bereichen, in denen Minijobs vorwiegend ausgeübt werden. Da sind zum Beispiel Einzelhandel, Gastgewerbe, Callcenter, haushaltsnahe Dienstleistungen, Pflege und andere sorgende Tätigkeiten zu nennen; alles Bereiche, in denen nach wie vor überwiegend Frauen tätig sind.
Nach der Novelle zum Ladenöffnungszeitengesetz sind die 400-Euro-Jobs sprunghaft angestiegen. Ganze Discounterfilialen werden mit 400-EuroBeschäftigten betrieben. Arbeitsgerichte haben schon sittenwidrige Löhne festgestellt. Gestern gab es ganz aktuell ein Urteil zu KiK: 5,20 € sind zu wenig.
Es hat sich in den letzten Jahren leider gezeigt, dass die Obergrenze von 400 € und die reduzierten Steuern und Abgaben für Minijobs zu oft den Blick auf das Verhältnis von Arbeitsleistung, Arbeitszeit und Arbeitsentgelt verstellen. Dem wollen wir mit einer korrespondierenden Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit begegnen. Wer für maximal 400 € in einem Minijob arbeitet, darf dafür nicht länger als maximal 15 Stunden pro Woche beschäftigt werden. Wenn man dann zu diesen 400 € die pauschalierte Steuer und die Sozialabgaben hinzurechnet, kommt man bei maximal 15 Stunden gerade mal auf einen Mindestlohn von etwas über 8 €.
Um dieses Ziel zu erreichen, fordern wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen. Das würde den Beschäftigten in den Minijobs – das sind, wie ich ausgeführt habe, vorwiegend Frauen – helfen und wäre ein Schritt zur Anhebung des Lohnniveaus. Meine Damen und
Herren, ich lade Sie ein, auch diesen Schritt zu unterstützen, einen weiteren Schritt zum Ziel der gerechten Entlohnung.
Wir von der SPD wissen aber auch, dass viele weitere Schritte nötig sind. Lassen Sie mich noch einige nennen: Wir brauchen noch mehr Frauen in Aufsichtsräten; denn die dortige Männerdominanz ist ein Grund für die bestehende Benachteiligung bei der Bezahlung und der Besetzung von Führungspositionen. In einer dpa-Meldung von heute ist zu lesen, dass der Verband deutscher Unternehmerinnen auch dieses unterstützt und ganz eindeutig sagt: Wären die Frauen ebenbürtig vertreten, hätte das Zockerunwesen in der Finanzbranche kaum dieses Ausmaß annehmen können. – Aber für verbindliche Maßnahmen in diesem Bereich gibt es in diesem Hohen Hause keine Mehrheit. Das wissen wir, das haben wir schon feststellen können.
Wir brauchen auch Regelungen für die Privatwirtschaft. Dann kommen Frauen auch endlich an die Spitze.