Protocol of the Session on March 19, 2009

Ich glaube, dass das Zustimmungsquorum, über das wir hier reden, die Anzahl von Bürgerbegehren, die vor Ort gestellt werden, sicherlich nicht verhindert, weil die Zulässigkeit mit den Unterschriften wohl nicht gemeint ist. Das hat der Kollege sicher auch so verstanden.

Auf der anderen Seite, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss ich zu unserem Verhältnis als Sozialdemokraten zur repräsentativen Demokratie hier ein paar Worte verlieren. Wir bekennen uns seit 1863 ununterbrochen und ohne inhaltliche Brüche zum System der repräsentativen Demokratie.

(Beifall von der SPD)

Das unterscheidet uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere auch von denen, die bisweilen am linken Rand versuchen, mit uns zu konkurrieren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Insoweit haben viele – der Kollege hat ja gerade gelacht – von denen, die sich heutzutage solche Anträge zu eigen machen, keine so ungebrochene Tradition bezogen auf repräsentative Demokratie.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ei!)

Die Struktur der Mitgliedschaft Ihrer Organisation, der Sie ja jetzt anhängen, ist da doch sicherlich relativ wenig homogen.

(Beifall von Ralf Jäger [SPD])

Von daher, meine Damen und Herren, haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, angefangen von der Einführung des Frauenwahlrechts über unsere Versuche, das allgemeine Kommunalwahlrecht für Migrantinnen und Migranten einzuführen, wirklich keinerlei Bedarf, uns bei repräsentativer Demokratie zurückzuhalten.

Aber wir haben uns auch immer ganz offen zur Ergänzung dieses Systems durch plebiszitäre Elemente in unserer Gemeindeordnung bekannt. Deshalb setzen wir uns auch für die Stärkung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid vor Ort ein. Allerdings – das kann ich ganz deutlich unterstreichen – vertreten wir die Meinung, dass das die repräsentative Demokratie ergänzt und nicht ersetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Wir halten die Strukturen von anderen Bundesländern auch nicht für vergleichbar, weil NRW hinsichtlich der Größe und Zusammensetzung seiner kommunalen Gebietskörperschaften sicherlich nicht ohne Weiteres mit Bayern verglichen werden kann. Im Zusammenhang mit den Beratungen über die Änderung der Gemeindeordnung haben wir uns deshalb auch prinzipiell für die Beibehaltung eines Zustimmungsquorums ausgesprochen.

Über die Höhe, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man sicherlich trefflich diskutieren, insbeson

dere, weil es in einer nordrhein-westfälischen Großstadt unter Umständen ja einfacher ist – besonders nach Abschaffung der Stichwahl –, Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister zu werden, als ein Bürgerbegehren durchzusetzen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, dagegen gehen wir aber – wie zwischenzeitlich allgemein bekannt sein dürfte – gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an anderer Stelle vor. Wir verschließen uns nicht einer nochmaligen Diskussion. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir das dann auch im zuständigen Fachausschuss, nämlich im Ausschuss für Kommunalpolitik, und nicht im Innenausschuss machen.

(Zuruf von der SPD: Richtig! Da gehört er auch hin!)

Ich kann allerdings wenig Hoffnung wecken, dass die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz auf ein Zustimmungsquorum verzichten.

Mit ist vor einigen Wochen – lassen Sie mich damit schließen – ein Strategiepapier dieser Organisation, die sich selber als Die Linke bezeichnet, bekannt geworden. Dieses Papier – es ist ganz einfach zu finden – hat einen Schlusssatz. Hier wird wörtlich Folgendes ausgeführt:

Eine bewusste Beschränkung der parlamentarischen Aktivitäten, vor allem in den Kommunalparlamenten, zugunsten der außerparlamentarischen Initiativen wird vorgezogen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht der Weg der Sozialdemokratie. Die bewusste Abkehr vom System der repräsentativen Demokratie kann kein Weg sein. Das ist eine Sackgasse. Wir setzen uns nach wie vor dafür ein, dass dieses repräsentative System im Mittelpunkt der kommunalpolitischen Prozesse steht und sich die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen dieses Systems aktiv an der Willensbildung beteiligen können.

Es wäre sicherlich wünschenswert gewesen, wenn uns die interessanten Vorschläge auch anlässlich der Beratung über die Änderung der Gemeindeordnung ereilt hätten. Wir haben nämlich im zuständigen Ausschuss intensiv auch über Quoren diskutiert.

An der Stelle, meine Damen und Herren, kann ich sicherlich interessante Beratungen versprechen, aber keine Zustimmung der Sozialdemokratie.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Körfges. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Engel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sagel, einen

Antrag mit der Überschrift „Demokratie jetzt – …“, wie Sie es auf Ihren Antrag geschrieben haben, müsste Sie als Allererstes wohl an Ihre eigene Partei Die Linke richten. Es ist ja wohl ein Witz, von Ihnen den Versuch zu erleben, uns Demokratieunterricht erteilen zu wollen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Beim Thema Demokratie hat unser Kollege Lindner Ihnen hier zuletzt das ins Stammbuch geschrieben, was da hineingehört.

Nordrhein-Westfalen hat im Ländervergleich schon längst – jetzt komme ich zur Sache – das zweitniedrigste Zustimmungsquorum. Der Vergleich zur Bürgermeister- und Landtagswahl ist übrigens albern. § 46c der Gemeindeordnung besagt klar, dass bei der Bürgermeisterwahl in dem Fall, dass es nur einen zugelassenen Wahlvorschlag gibt, der Bewerber – der einzige Bewerber also – nur dann gewählt ist, wenn sich die Mehrheit der Wähler für ihn entschieden hat und dabei mindestens 25% der Wahlberechtigten für ihn gestimmt haben. Diese Regelung ist seit 1999 unverändert.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Stimmt nicht!)

Ansonsten gibt es bei mehreren Bewerbern eine Wahlalternative, die generell dazu führt, dass niedrigere Quoren unter 25% verhindert werden.

Ihr Vorschlag des Verzichts auf ein solches Quorum für den Bürgerentscheid ist zudem schlicht verfassungswidrig, Herr Sagel, jedenfalls dann, wenn eine zeitliche Bindungswirkung des Rates besteht. Dies wurde bereits gerichtlich ausgeurteilt. Das wird Ihnen unser Innenminister sicherlich gleich darlegen. Das erspare ich mir hier.

Wenn ich die Beiträge der Kollegen werte, die vor mir gesprochen haben, sehe ich zwar für die Überweisung an den Fachausschuss eine Mehrheit, aber inhaltlich keine. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Grünen spricht nun Herr Kollege Becker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst eine Anmerkung, da ja die Frage aufgetaucht ist, ob der Innenausschuss der richtige Ausschuss ist: Das ist er für diesen Antrag natürlich nicht. Wenn es aber vom Antragsteller weiterhin gewünscht würde, diesen Antrag an den Innenausschuss zu überweisen, dann würden wir das genauso tun, als wenn sein Wunsch gewesen wäre, diesen an den Sportausschuss zu überweisen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ha, ha, ha!)

Abseits dieses Hinweises zum Verfahren möchte ich gerne zur Sache noch einiges sagen. Wir haben uns im Jahre 2007 im Rahmen der Auseinandersetzung um die Gemeindeordnung und das Kommunalwahlgesetz dazu verhalten und seinerzeit Verfahrensvorschläge gemacht – Verfahrensvorschläge übrigens, wie sie in anderen Bundesländern gang und gäbe sind.

Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es in der Tat ein Problem gibt, nämlich das Problem, dass nach allen Erfahrungen, nach allen Statistiken in den großen Städten das vorherrschende Quorum schlechter erfüllt werden kann als in kleinen Gemeinden. Deswegen haben die Bayern etwas gemacht, was sehr vernünftig ist: Sie haben nämlich ein gestuftes Quorum eingeführt, übrigens im Wege eines Bürgerbegehrens.

Ich darf zunächst darauf hinweisen, dass das das ist, was wir beantragt haben, und übrigens auch das ist, was der Verein „Mehr Demokratie“ in NRW fordert. Er fordert also nicht das hemmungslose Abschaffen von Quoren wie Die Linke, sondern er hat sich sehr wohl zu einem gestuften Forum durchgerungen. Das will ich, damit das auch protokollarisch vermerkt ist, noch einmal sagen.

In Bayern ist es so, dass in Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern mindestens 20 % zustimmen müssen, in Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern 15 %, bei mehr als 100.000 Einwohnern 10 %. Das wäre ein vernünftiges Verfahren. Das ist die erste Bemerkung.

Wir werden deshalb – egal, ob es im Sportausschuss, im Innenausschuss oder im Kommunalausschuss ist – dem Antrag des Kollegen Sagel nicht zustimmen können.

Zweitens. Selbstverständlich ist ein Punkt richtig, nämlich in der Kritik darauf hinzuweisen, dass wir keinen anderen Anspruch an Bürgerinnen und Bürger ansetzen können als bei der Frage, mit wie viel Stimmen eine hauptamtliche Bürgermeisterin, ein hauptamtlicher Landrat oder ähnliche gewählt werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ist es natürlich wichtig, auf die wenigen Erfahrungen zu schauen, die es seit der Veränderung gibt, die diese Koalition mit ihrem merkwürdigen Rechtsverständnis durchgesetzt hat. Wichtig ist, Herr Kollege Biesenbach und andere, dass nahezu alle Wahlen, die seitdem stattgefunden haben, solche Wahlbeteiligungen hatten, dass immer dann, wenn jemand mit weniger als 40 % gewählt wurde – dass passiert sehr schnell ohne Stichwahl –, diese Gewählten eine Zustimmungsrate hatten, die unterhalb dessen liegt, was wir von Bürgerinnen und Bürgern fordern.

Ich möchte bewusst auf etwas außerhalb unseres Bundeslandes hinweisen. Stellen Sie sich einmal

vor, bei der Wahl in Kiel wäre jemand im ersten Wahlgang mit 40 % oder 35 % ausgestattet gewesen. Das ist eher ein komfortables Ergebnis ohne Stichwahl. In der Regel erreicht ja niemand im ersten Wahlgang über 50 %. Dann hätten wir bei der dortigen Wahlbeteiligung ein Ergebnis für diesen Menschen gehabt, das unter 15 % gelegen hätte. Das heißt, unter 15 % der tatsächlichen Wahlberechtigten hätten einen hauptamtlichen Bürgermeister einer solchen Stadt gewählt.

Genau das hatten wir hier übrigens auch schon in Landkreisen. Ich erinnere an jemanden, der den Namen von Dintern trägt, der nicht gewählt worden ist, übrigens genau mit solchen Quoren. Insofern müssen Sie auch einmal überprüfen, ob Sie sich bei Ihrem Versuch, sich tatsächlich um jedem Preis einen Vorteil zu verschaffen, nicht möglicherweise, um es platt zu sagen, am Ende ins Knie schießen.

(Beifall von den GRÜNEN)