Vielen Dank, Herr Kollege Schick. – Jetzt hat für die FDP-Fraktion Herr Witzel das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der SPD hat in der Tat nicht die Substanz und weist nicht den Qualitätsjournalismus auf, den wir uns gerade bei Printprodukten wünschen. Das Sachanliegen allerdings, dass wir eine vielfältige Zeitungslandschaft in unserem Land erhalten wollen, verbindet alle Fraktionen in diesem Haus. Ich bin mir sicher, dass wir uns hinsichtlich des Kreises von einzuladenden Gästen für eine Anhörung und über die Fragen inhaltlich verständigen können.
Erstens. Wir brauchen moderne Rahmenbedingungen für die Verlage, damit diese eine wirtschaftliche Basis haben, um auch zukünftig ihre Titel erscheinen lassen zu können und eine Vielfalt der eigenen Strukturen aufrechterhalten zu können.
Zweitens. Wir müssen schauen, dass wir keine unfairen Wettbewerbsbeeinträchtigungen insbesondere durch staatlich-finanzierte oder durch gebührenfinanzierte Konkurrenz haben.
Drittens. Wir müssen Potenziale von Kooperationen und Fusionen in der Presselandschaft nutzen. Ich mache das am Beispiel unserer Debatte über das Kölner Modell fest, das sicherlich auch für die Existenzsicherung der „Kölner Rundschau“ wichtig war.
Viertens. Die Rechte der freien Presse, insbesondere die verfassungsmäßigen Rechte als vierte Staatsgewalt, die immer wieder vonseiten des Bundes Gegenstand der Auseinandersetzung waren, müssen verteidigt werden.
Fünftens. Wir müssen uns um junge Medienschaffende, um Nachwuchskunden sowie um journalistischen Nachwuchs kümmern, der mit Modernität und Qualität auch zukünftig für Vielfalt in der Zeitungslandschaft sorgt. Ich glaube, deshalb war es richtig, dass die Koalition der Erneuerung mit den letzten Haushaltsbeschlüssen dafür gesorgt hat, dass insbesondere für Medienkompetenz und für die Arbeit von Schülerzeitungsredakteuren mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.
Die Verleger in unserem Land reagieren auf neue ökonomische Herausforderungen individuell unterschiedlich. Die unabhängige Presse wählt eben
andere Wege der eigenen Strukturierung im Umgang mit der Marktentwicklung. Entscheidend ist aber für alle Verlage das gemeinsame Ziel einer ausreichenden wirtschaftlichen Basis, damit sie ihre Produkte dauerhaft am Markt halten können.
Die derzeitige Umbruchsituation der Zeitungsverlage in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen sieht man an zahlreichen Entwicklungen der jüngsten Zeit. Verschiedene Aspekte werden in der Großen Anfrage und in der Antwort der Landesregierung reflektiert, die sich mit der Situation des hiesigen Zeitungsmarktes beschäftigen.
Was fällt auf? Wir haben sinkende Absatzzahlen. Leider ist das kein singuläres Phänomen, sondern das Ergebnis wirtschaftlicher Schwierigkeiten und der bundesweiten Entwicklung. In NordrheinWestfalen kam es zu einbrechenden Absatzzahlen für verlegerische Produkte in Höhe von 3 %. Wir haben im Vergleich der Jahre 2008 und 2006 immerhin 250.000 Exemplare regionaler und lokaler Tageszeitungen weniger verkauft, sodass der Absatz nur noch 3,35 Millionen statt 3,6 Millionen Exemplare beträgt.
Nach Auskunft vieler Verlage ist es eine ganz große Herausforderung, die unter 40-Jährigen zu motivieren, im Zusammenhang mit eigener Haushaltsführung mindestens eine Zeitung im Abonnement zu beziehen. Gerade für die Gruppe der unter 40Jährigen sind moderne Telemedien wie das Internet und andere Formen der Kommunikation und des Informationsaustauschs von wachsender Attraktivität und damit eine Gefahr für die Stabilität der Vertragsbeziehung zur Tageszeitung vor Ort.
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist damit die Reichweite in der Multiplikatorenschaft der Lokalzeitungen auf 60 % zurückgegangen. Noch größer war der Rückgang bei den jüngeren Nutzern.
Die neue Kundengeneration kauft die Zeitung nicht mehr als alleinige Informations- und Unterhaltungsquelle für daheim und unterwegs. Die jungen Nutzer mobiler Multimediageräte beziehen Informationen nicht selten direkt aus dem Internet. Mit günstigen Flatrates werden die multimedialen Angebote genutzt. Weil keine flächendeckende lokale Abdeckung gegeben ist, bleiben aber viele Informationen auf der Strecke.
Das wirkt sich natürlich auch auf das Anzeigengeschäft aus, das sehr stark zurückgeht. Wenn Sie daran denken, wie dick früher die Beilagen mit Anzeigen waren – heute ist das nicht mehr so. Autos und Immobilien werden eher in Internetportalen als in klassischen Printanzeigen in Zeitungsbeilagen beworben und umgesetzt. Darauf müssen wir uns einrichten.
Die Politik muss ein großes Interesse daran haben, dass diese Entwicklung nicht einfach läuft, und deutlich machen, dass ihr aus zwei Gründen sehr viel an starken und handlungsfähigen Medien liegt:
für die Information der Bevölkerung und als sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch das darf nicht übersehen werden. In Nordrhein-Westfalen arbeiten gegenwärtig allein 64.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte im Verlags-, Druck- und Vervielfältigungsgewerbe. Dazu kommen 32.000 Beschäftigte im Papiergewerbe sowie 68.000 Beschäftigte in verbundenen Branchen. Das heißt, wir müssen ein hohes Interesse daran haben, diese Branche für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen neben den ohnehin vorhandenen publizistischen Gesichtspunkten – funktionsfähige Demokratie, Meinungskontrolle und freie Berichterstattung – auch als Wirtschaftsfaktor zu erhalten. Die Medienwirtschaft ist eine der wichtigen Schlüsselbranchen in diesem Land.
Deshalb muss sich die Politik den folgenden Fragestellungen annehmen. Wir können in einer Marktwirtschaft nicht direkt auf das Käuferverhalten einwirken. Wir können uns aber mit der Frage beschäftigen: Wie sieht Mindestlohnpolitik aus? Welche Chancen gibt es für welche Konzepte im Vertrieb, Stichwort: Zustelldienstleister PIN? Wie stabil ist ein Vertriebsnetz über Presse-Grosso? Diese Fragen zu den Rahmenbedingungen in Sachen Informationsdistribution müssen die Politik interessieren.
Dass die SPD, wie Herr Eumann hier vorgetragen hat, ein Interesse an der Stabilität von Vielfalt im Medienbereich hat, das will ich nicht in Abrede stellen. Schließlich ist keine andere Partei wie die SPD durch ihre Medienholding ökonomisch so intensiv in diesem Feld tätig.
Immerhin, Herr Eumann! Bei dem, was die SPDMedienholding publiziert hat, wurde in den letzten Jahren ja ein millionenschweres Volumen an Gewinnen abgeworfen.
Uns geht es weniger um die Medienholding, sondern mehr um die gesamte Vielfalt. Aber das Ziel eint uns. Deshalb sollten wir in den nächsten Wochen und Monaten bei den aktuellen Entwicklungen zusammenarbeiten, gemeinsam eine gute Anhörung durchführen und gemeinsam nach Lösungswegen suchen.
Wir sagen Ihnen nur: Es wird mit uns keine Verstaatlichungstendenzen geben. Wir müssen alles dafür tun, dass sich die Presse im Medienmarkt stabilisiert, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Das ist die beste Grundlage dafür, dass wir auch zukünftig eine vielfältige Zeitungslandschaft in Nordrhein-Westfalen haben. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Herr Keymis ist schon auf dem Weg und spricht nun für die Grünen. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich will mich für die Beantwortung der Anfrage zunächst einmal bei der Staatskanzlei und natürlich auch bei den externen Beratern bedanken, die, wie wir alle wissen, ihren Beitrag dazu geleistet haben. Es ist verständlich, dass so etwas in einem solchen Umfang nicht allein aus einer kleinen und immer kleiner werdenden Bürokratie heraus zu leisten ist. Manchmal ist es auch hilfreich, den Blick von außen in seine Antwort einzubeziehen. Dafür also vielen Dank!
Aber auch Dank an die SPD für die Große Anfrage 21! Es ist viel Arbeit, solche Fragen – vor allen Dingen angepasst an die aktuelle Situation – auszuarbeiten und zu einer Großen Anfrage zu formulieren. Damit wird uns eine Menge eröffnet. Dank also auch an die Autoren der Fragen! Beide Seiten haben viel gearbeitet.
Auch wir haben ein bisschen gearbeitet, zwar nicht so viel, aber immerhin konnten wir die Ergebnisse nachlesen. Das habe ich auch gemacht. Mit vielen Punkten habe ich mich sehr interessiert und auch länger auseinandersetzen können.
Der entscheidende Punkt für mich ist der, dass über die Jahre hinweg eine Tendenz zu erkennen ist – der Kollege Eumann hat das eben angesprochen –, dass wir einen – man kann sagen – schrumpfenden Zeitungsmarkt zu beklagen haben.
Das Spannende ist jetzt, zu beobachten, wie darauf im Einzelnen reagiert wird. Ich finde es auch interessant, zu sehen, dass sehr unterschiedlich reagiert wird.
Eben wurde schon angesprochen, wie der „WAZ“Konzern damit umgeht: Der „WAZ“-Konzern macht aus meiner Sicht den Fehler – aber ich bin sicher nicht derjenige, der das abschließend bewerten kann –, sich aus dem Kommunalen, aus dem Regionalen, aus dem Lokalen zurückzuziehen. Dadurch macht er seine Produkte für viele Leserinnen und Leser vor Ort natürlich weniger interessant. Die Zusammenfassung in sogenannte Newsdesktops ist aus meiner Sicht keine Lösung.
Andere haben das genau andersherum gemacht und können auch Erfolge verzeichnen. Beispielsweise hat die Rheinisch-Bergische Verlagsgesellschaft mit ihrem Spitzenprodukt „Rheinische Post“ – Spitze im Sinne der Auflagenhöhe – durchaus stabile Zahlen, weil sie genau die andere Strategie verfolgt, nämlich stark in die lokale Situation verbreitet auftritt, Redakteurinnen und Redakteure nicht in die
Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt. Da liegt für meine Begriffe die Chance, wenn es darum geht, den Zeitungsmarkt zu erhalten.
Ich bin, Herr Witzel, anderer Auffassung als Sie, was die Frage betrifft, wie wir mit dem Kulturgut Zeitung künftig umgehen. Auf der einen Seite ist klar, dass die Vielfalt durch das Internet und die entsprechenden multimedialen Angebote enorm ist. Auf der anderen Seite entwickeln sich die Verlage Gott sei Dank immer mehr zu Medienhäusern. Damit sind eine Menge publizistischer und auch ökonomischer Aufgaben verbunden. Die müssen gemeistert werden.
Wenn wir uns aber verständigen, dass da eine demokratiestabilisierende Kraft am Werke ist, wenn wir sagen, dass Freiheit und Demokratie ein vielfältiges und abwechslungsreiches Zeitungswesen brauchen, dann, so meine ich, müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir es stützen und fördern für den Fall, dass es rein ökonomisch nicht mehr funktioniert.
Wir haben diese Probleme bei anderen Kulturgütern ja auch. Man müsste darüber diskutieren, ob man das dann staatlich macht oder, wie es eben angesprochen wurde, in Form einer Stiftung oder, wie ich es im Hauptausschuss in einer Debatte nur einmal angerissen habe – das müsste man im Detail prüfen –, ob man im Rahmen einer Neuauflage der heutigen Rundfunkgebühr eine Mediengebühr erhebt, einen Teil aus diesem Topf in eine Stiftung abführt und daraus einen Förderfonds macht. Ich glaube, dass wir auf Sicht über solche Fragen genauer werden diskutieren müssen.
In dem Zusammenhang finde ich es auch richtig, wenn wir der Entschließung gemeinsam zustimmen und eine Anhörung in die Wege leiten, in der wir solche Fragen intensiv mit den Expertinnen und Experten erörtern können.
Die Entwicklung läuft in Richtung E-Book, möglicherweise auch in Richtung E-Journal oder EPaper, wie es schon genannt wird. Es gibt diese Tendenzen. Aber bis jetzt ist für meine Begriffe nicht abzusehen, ob die Menschen, die Zeitung lesen, auf das Haptische künftig wirklich verzichten wollen: die Zeitung mitnehmen zu können, sie an einem beliebigen Ort lesen zu können, sie auch einfach zusammenschlagen und weglegen zu können. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Umgang mit Informationen wirklich verloren geht.
Das ist ähnlich wie bei Büchern. Ich fürchte das EBook auch nicht als vollständigen Ersatz – jedenfalls nicht auf die Sicht, die man im Moment überblicken kann. Man kann ja schlecht über Dinge diskutieren, die in 30 oder 50 Jahren sein werden, denn das macht keinen Sinn.
Der dpa-Ausstieg, den der Kollege Eumann angesprochen hat, hat viel mit einem Problem zu tun, das auch wir Grüne kritisch sehen, nämlich dass Solidarprinzipien – wie es bei der dpa der Fall ist – Gefahr laufen zerstört zu werden, wenn ein großer Player wie der „WAZ“-Konzern aus der dpa aussteigt. Denn das bedeutet für viele kleine, die sich ihre Informationen natürlich über ein solches zentrales Informationszentrum einholen müssen, Nachteile. Sie wissen, dass anteilig zur Auflage dpaGebühren bezahlt werden. Kleine Auflagen haben also entsprechend geringere Kosten. Wenn solche Prinzipien auseinandergeraten, wie jetzt durch die Kündigung der „WAZ“ – es gab diese Kündigung vor einiger Zeit übrigens auch bei der „Rheinischen Post“, vom gleichen Mann veranlasst, Herrn Reitz, als er da noch Chefredakteur war –, dann führt dies meiner Ansicht nach zu Verwerfungen, die dem Solidarprinzip unter den Verlagen entgegenstehen.
Ich würde gerne noch zwei Punkte aus den Unterlagen ansprechen, die mir von Bedeutung zu sein scheinen. Das ist zum einen die, wie ich fand, sehr interessante Beschreibung der internationalen Situation, also: Wie wird in anderen Ländern mit dem Produkt Zeitung umgegangen? Hier zeigt sich deutlich, dass in anderen Ländern die Angst vor Geldern, die man aus dem staatlichen Säckel nimmt, in ganz anderer Weise verarbeitet wird, ob das nun Frankreich oder Italien ist. Ich war überrascht, denn ich wusste nicht, dass in Italien 160 Millionen € in die Förderung der Zeitungslandschaft fließen. Das sind schon sehr mutige Zahlen und Zusammenhänge, die von uns sicher noch genauer studiert werden müssen und auch für die weitere Diskussion einen Hinweis geben. Direkte oder indirekte Presseförderung ist da das Thema. Die indirekte Presseförderung, zum Beispiel im Hinblick auf einen solchen Stiftungsgedanken, finde ich in jedem Fall diskussionswürdig.
Interessant ist auch die Auskunft auf Seite 57. Auf die Frage „Wie bewertet die Landesregierung die verabredete Lieferung von Bewegtbildern vom WDR an die WAZ vor dem Hintergrund des Einstiegs des WAZ-Konzerns bei NRW.TV?“ und zwei weitere Fragen wurde keine Antwort gegeben, weil noch entsprechende Rechtsaufsichtsverfahren anhängig sind. Formal ist das so. Wir wissen natürlich, dass die Landesregierung diese Kooperation begrüßt hat. Es ist ja eine Idee des Ministerpräsidenten gewesen, die er im vorigen Jahr im März gemeinsam mit den beiden Beteiligten „WAZ“ und WDR in der Staatskanzlei verkündet hat.
Letzter Punkt: Ich glaube, wir müssen uns auch Gedanken machen – das tun wir hier im Hause im Bereich der Medienpolitik, finde ich, zu wenig – über das Thema Medienkompetenz und Medienkompetenzförderung. Wir haben dazu in der vorigen Legislaturperiode vermehrt Ansätze gehabt – bis hin zum Medienkompetenztag im Landtag von NordrheinWestfalen, einem Tag, an dem wir unter anderem
Solche Aspekte könnten in der politischen Arbeit eine größere Rolle spielen. Ich denke, dass wir uns über die Fraktionen hinweg gemeinsam dafür stark machen sollten, damit die jungen Menschen, die nach uns kommen, auch noch Spaß an der Zeitung haben, so wie sie ja auch Freude am Internet und an anderen medialen Angeboten haben.