Ich komme gleich, Herr Kollege Schick, Herr Kollege Witzel, konkret auf den Antrag zu sprechen. Zuvor will ich noch eine aktuelle Zahl, die mich bei der Diskussion um die Relevanz von Zeitungen ganz besonders bewegt, zitieren. Ich glaube, Sie weisen abstrakt darauf hin. Sie kennen die JIMStudie.
Die jüngste JIM-Studie gibt im Verlauf der letzten zehn Jahre eine sehr dramatische Entwicklung wieder. Ich darf zitieren, dass, wenn Jugendliche gefragt werden, auf welches Medium sie am ehesten verzichten können, die Zeitung an erster Stelle steht. Im Laufe der Zeit ist die Zahl derer, die auf eine Zeitung nicht verzichten wollen, geschrumpft – von 8 % im Jahre 1998 auf 3 % im Jahr 2008. Das heißt, dass die Bedeutung der Zeitung für Jüngere faktisch erheblich geschrumpft ist. Das ist wirklich eine alarmierende Entwicklung.
Ich stimme Ihnen auch zu, dass es vielerlei Projekte bedarf, um die Zeitung auch bei der Leseförderung in das Bildungssystem zu integrieren. Dabei gibt es sehr gute Ansätze. Wir haben in der Großen Anfrage jeweils danach gefragt. Wir finden sowohl die Initiative „Zeitung in der Schule“ als auch das, was in den Hauptschulen unter großer Beteiligung dieser Schulen läuft, extrem gut.
Ich will ganz deutlich machen: Es ist völlig in Ordnung, wenn sich Frau Sommer dabei engagiert. Aber es sind vor allem die Initiative und das Geld nordrhein-westfälischer Zeitungsverleger, die diese Projekte ermöglichen. Dabei handelt es sich nicht um öffentliches Geld, sondern ausschließlich um das Engagement von Zeitungsverlegern in diesem Feld. Darauf sollten wir hinweisen.
Ich will zu den Trends, die Sie beschrieben haben, einige Bemerkungen machen. Die Auflagen und Reichweiten sind kontinuierlich und im Ergebnis dramatisch gesunken. Das führt zu der, wie ich finde, berechtigten Frage, ob man die Monopolstellung einer Zeitung, die beispielsweise in einer Großstadt nur noch 30 % Haushaltsabdeckung erreicht, genauso bewertet wie man es vor 20 oder 25 Jahren mit einer sehr viel größeren Haushaltsabdeckung getan hat. Diese Frage müssen wir uns stellen.
Natürlich ist Neues hinzugekommen; das will ich ausdrücklich sagen. Ich freue mich über jeden Beitrag zur Meinungsbildung – egal über welchen Vertriebsweg er an die Menschen kommt. Das können Printprodukte, Hörfunk oder Fernsehen sein. Es gibt Gott sei Dank neue Möglichkeiten durch das Internet.
Das Internet bietet gerade für Jüngere eine enorme Möglichkeit der Partizipation. Es ist ein Unterhaltungsmedium – aber auch und in erster Linie ein Informationsmedium. Das ist eine gute Entwicklung. Auch das muss man in die Waagschale werfen, wenn man über die Entwicklungsmöglichkeiten von Zeitungen zu Medienhäusern diskutiert.
Sie haben darauf hingewiesen – das ist offensichtlich –, dass die Strukturkrise im Zeitungsmarkt durch die aktuelle Finanz- und Konjunkturkrise natürlich noch einmal verschärft wird. Meine Damen und Herren, Sie haben auch darauf aufmerksam gemacht – das wurde im ersten Teil der Beantwortung der Großen Anfrage sehr aktuell aufgegriffen; das finde ich gut –, dass es zurzeit große Veränderungsprozesse gebe.
Ich will, auch wenn das nicht den Zeitungs- sondern den Zeitschriftenmarkt in Nordrhein-Westfalen betrifft, ausdrücklich sagen, dass die Vorgänge um die Wirtschaftstitel von Gruner+Jahr in Köln natürlich dem Zeitungs- und Zeitschriftenland NordrheinWestfalen großen Schaden zugefügt haben. Ich finde, was Gruner+Jahr mit Redakteurinnen und Redakteuren gemacht hat, nicht in Ordnung. Dass jetzt eine Einigungsstelle angerufen werden muss,
Sie haben auch die Entwicklungen angesprochen, die sich rund um die WAZ vollziehen. Auch dazu möchte ich ausdrücklich sagen: unbestritten. Wenn man den Zahlen glauben kann, dass drei der vier WAZ-Titel rote Zahlen schreiben, muss ein Wirtschaftsunternehmen – auch ein Zeitungsverlag – selbstverständlich Maßnahmen ergreifen. Ich glaube aber, dass die Ankündigungen, zu einem erheblichen Stellenabbau gerade beim Redaktionspersonal zu kommen, falsch sind. Ich hoffe sehr – es gibt erste Hinweise –, dass man aufgrund der Verhandlungen und aufgrund des Konzeptvorschlags des Betriebsrates des WAZ-Konzerns zu anderen Ergebnissen kommt.
Ich fürchte übrigens auch, weil das Alleinstellungsmerkmal von regionalen Zeitungen die lokale und regionale Information ist, dass es, wenn sich gerade hier – auch das hat Minister Krautscheid zutreffend formuliert – negative Entwicklungen vollziehen, das Alleinstellungsmerkmal von Zeitungen Schaden nimmt. Möglicherweise sägen Verlage den Ast ab, auf dem sie noch, wie ich finde, gut sitzen. Auch hierzu halte ich fest, dass die Entwicklung in diesem Punkt nicht besonders zufriedenstellend ist.
Wir haben mit der Betriebsratsvorsitzenden eines WAZ-Titels ein Gespräch in der Fraktion geführt, hatten also das Thema auch bei uns auf der Tagesordnung.
Mich hat an Ihrem Antrag gewundert, dass Sie sehr unkonkret bleiben. Sie schreiben im Antrag, dass der Landtag die überragende wichtige Funktion der Zeitung unterstreiche. – Das ist so; das machen wir.
Weiter heißt es, der Landtag begrüße die – teilweise in Kooperationen der Verlage – angegangenen Aktivitäten der Verleger. – Das ist das Geschäft.
Ich habe Ihnen die Frage zum Rundfunkänderungsstaatsvertrag – das ist der dritte Spiegelstrich – bereits gestellt. Ich prophezeie Ihnen, Sie werden zustimmen. Ich glaube, dass der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zwar ein bürokratisches Ungetüm ist, durch das aber bis auf Weiteres ein Kompromiss erreicht wird. Sollte sich der Dreistufentest als nicht tauglich erweisen, wird man an dieser Stelle erneut justieren müssen.
Ich habe, offen gesagt, nicht verstanden, dass Sie die Bemühung der Landesregierung begrüßen, zeitnah eine weitere Novelle zur Änderung der Landesmediengesetze mit entsprechender Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Printmedien vorzulegen. In dem Zusammenhang kommen Sie auf § 33 Landesmediengesetz zu sprechen.
Sprachlich ist dazu zu sagen, dass es sich nur um ein Landesmediengesetz handelt, weil wir nur eines haben. Sie können mir gerne verraten – Herr Jarzombek wird ja noch reden –, welche weiteren Landesmediengesetze Sie angehen. Bei der Zuständigkeit für das Pressegesetz NRW hat die Landesregierung bekundet, dass sie keine weitere Novellierung des Pressegesetzes in Nordrhein-Westfalen plant. Also bin ich schon interessiert zu erfahren, was Sie an dieser Stelle vorhaben.
Bei der Frage von Beteiligungsgrenzen in weiteren Märkten geht es in der Tat um § 33 Landesmediengesetz. Mit dem Zweisäulensystem im lokalen Hörfunk haben wir in Nordrhein-Westfalen ein bundesweit einzigartiges System etabliert, indem die Verlage mit einer überwältigenden Mehrheit – bei den Betriebsgesellschaften haben Sie 75 % und mehr – beteiligt sind. In Nordrhein-Westfalen gibt es also eine Tradition, nach der wir Verlage und ihre Entwicklung zu Medienhäusern schon in unserer Landesrundfunkgesetzgebung – jetzt die Landesmediengesetzgebung – gefördert haben, weil wir genau diese Entwicklung wollen.
§ 33 des noch gültigen Landesmediengesetzes hat Verlage in die Lage versetzt, sich zu beteiligen. In unserer Großen Anfrage heißt es unter anderem:
In welchen Einzelfällen sind Lizenzanträge, die unter Beteiligung von nordrhein-westfälischen Zeitungsverlagen gestellt worden sind, negativ beschieden worden?
Nach Mitteilung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) hat es bislang keine negativ beschiedenen Anträge auf Zulassung eines landesweiten, regionalen bzw. lokalen Programms gegeben, die unter Beteiligung von nordrhein-westfälischen Zeitungsverlagen gestellt worden wären.
Wir befinden uns an dieser Stelle also im Fluss. Ich bin sehr gespannt, ob Sie Möglichkeiten der binnenpluralen Brechung von Meinungsmacht organisieren, die wir auch schon einmal angeregt haben. Wir halten binnenplurale Modelle für richtig. Aber auch die Landesregierung geht ausdrücklich davon aus, dass man natürlich auch verfassungsrechtliche Vorgaben berücksichtigen muss.
Ich habe meine Frage nach den Normen nicht ohne Grund gestellt, denn in Ihrem Antrag bleiben Sie in Bezug auf die Frage völlig nebulös, ob Sie beim Thema Pressefusionsrecht tatsächlich die Initiative ergreifen wollen. Wir reden über die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers, nämlich über das GWB.
Dazu steht hier nichts. Ich kann nur sagen: Die SPD ist bereit, auch über eine Novellierung des GWB zu reden. Ich weiß, dass es große Widerstände und Sorgen gibt, ob das nicht auch zu einem weiteren Verlust von Vielfalt führt. Ich würde mir das gerne anschauen und sage Ihnen auch konkret, welche Fälle:
Das betrifft Nachbarschaftsfusionen nach § 36 GWB. Man sollte prüfen, ob das nicht ein gangbarer Weg ist, bevor es zum tatsächlichen Sterben von Zeitungstiteln kommt, wenn man ihn mit Zusagen koppelt, so wie es im Modell in Köln mit der „Kölnischen Rundschau“ und dem „Kölner StadtAnzeiger“ gelungen ist, Herr Kollege Witzel.
Sie haben die steuerlichen Fragen angesprochen. Man muss sich anschauen, ob es nicht doch sinnvoll ist, an dieser Stelle etwas zu tun. Andere Staaten gehen hier sehr viel weiter. Allmählich gibt es eine Debatte darüber.
Ich will noch einen weiteren Punkt nennen: Direkte Zuschüsse sind sicherlich ein schwieriges Feld. Ich glaube aber, dass wir darüber nachdenken sollten, ob wir bei der Nachrichtenagentur möglicherweise etwas über ein Stiftungsmodell erreichen. Die „WAZ“ hat im Zuge der Sparmaßnahmen auch den Ausstieg aus der „dpa“ vollzogen. Eine Gesellschaft sollte sich nicht erlauben, auf eine nationale Nachrichtenagentur, die auch einen wichtigen Kulturauftrag hat, zu verzichten. Wenn das dpaGenossenschaftsmodell scheitern sollte, stehen wir in der Verantwortung, hier etwas zu tun.
Sie sagen nichts zum Listenprivileg. Das ist aktuell übrigens ein schwieriges Thema bei der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes. Das befrachtet die Zeitungen sehr. Ich hoffe, Kollege Jarzombek wird dazu etwas sagen. Das PresseGrosso ist wohl auch ein wichtiges Thema.
Ich lasse mir die letzten 49 Sekunden, um auf den Kollegen Jarzombek reagieren zu können. Wir freuen uns auf die weitere Debatte. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Redezeit ist bereits zu Ende, wie ich sehe; dann brauche ich eigentlich gar nicht anzufangen.
Das ist das Verständnis einer Regierungskoalitionsfraktion; das habe ich mir gedacht. Aber ich sehe Sie lachen und weiß, Sie nehmen das auch
Wir haben aber natürlich Probleme. Ich möchte die Diskussion über Ihren Antrag doch mit etwas anderem beginnen, nämlich mit der Pressemitteilung der WAZ Mediengruppe von gestern. Dort heißt es – Essen, den 11. Februar: „WAZ Mediengruppe begrüßt den Beschlussantrag der Regierungskoalition zur Zeitungslandschaft in NRW“.
Dass man das Wort Antrag noch dahinter geschrieben haben, ehrt die WAZ Mediengruppe. Denn am liebsten hätte sie geschrieben: Beschluss der Regierungskoalition. Dann wird hier abgefeiert, was alles demnächst im Land NRW Realität wird. Die WAZ Mediengruppe weiß schon, was wir hier erst noch diskutieren wollen. Das macht einen natürlich zumindest hellhörig.
Die WAZ Mediengruppe verfügt über vier Leitmedien in Nordrhein-Westfalen und noch ein paar einflussreiche andere Arme. Der sozusagen linksliberale Kampfarm der „WAZ“ – das ist die „NRZ“ – meldet heute in einem großen Artikel:
Mediengesetz soll gelockert werden. WAZMediengruppe begrüßt Beschlussantrag der Regierungskoalition zur Zeitungslandschaft in NRW