Dies zeigt, dass unser Vorstoß richtig ist, über verschiedene Modelle nachzudenken, die Zeitungsverlegern Mehrheitsbeteiligungen an Rundfunkveranstaltern ermöglichen sollen. Unsere Marschrichtung hat das Ziel, in Zeiten sich verändernden Medienverhaltens den heimischen Zeitungsverlegern die Schlagkraft zu sichern, die sie brauchen, um die Leser in Nordrhein-Westfalen weiterhin mit qualitativ hochwertigen Produkten zu versorgen.
Die Schreckensbotschaften der vergangenen Wochen mit Stellenabbau und Zusammenlegung von Redaktionen hatten nicht das Ziel, übertriebene Gewinnerwartungen zu bedienen, sondern Verluste abzuwenden bzw. Defizite zu minimieren. Vor diesem Hintergrund werden wir uns in den kommenden Wochen intensiv mit den Entwicklungsmöglichkeiten unserer Verlage und Medienhäuser auseinandersetzen: im Interesse der vielen Leser in Nordrhein-Westfalen, aber auch der Beschäftigten, die ein Anrecht auf sicherere Arbeitsplätze haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich die Zeitungsverlage in Deutschland allgemein und in Nordrhein-Westfalen im Besonderen derzeit in einer Umbruchsituation befinden und vor großen Herausforderungen stehen, kann man den zahlreichen Entwicklungen und jüngsten Zahlen entnehmen.
Während einzelne Titel wie die Ruhr-Nachrichten und das Handelsblatt bei den verkauften Auflagen leicht zulegen konnten, gab es in den letzten zwei Jahren aber andere Erscheinungen, wenn Sie beispielsweise die vier Titel der WAZ-Mediengruppe nehmen, die von drastischen Einbrüchen gezeichnet waren. In absoluten Zahlen: von 927.000 auf 828.000.
bislang mehr als drei Viertel der Bürger täglich zwischen mehreren Tageszeitungen mit lokaler Information wählen. Bei dieser Vielfalt unabhängiger Vollredaktionen muss es unbedingt auch zukünftig bleiben.
NRW verfügt noch heute über eine einzigartige und vielfältige Zeitungslandschaft mit regionaler und lokaler Berichterstattung sowie einer hohen Zeitungsdichte. Trotz ihrer überragend wichtigen Funktionen, müssen sich Verlage wie andere Wirtschaftsunternehmen auch aus Erlösen finanzieren, also primär aus dem Zeitungsverkauf und dem Anzeigengeschäft.
Viele Verlage müssen sich aufgrund sinkender Auflagen und damit verbunden geringerer Einnahmen – wie dargestellt – anders und breiter aufstellen und entwickeln sich zukunftsorientiert zu Medienhäusern fort.
Reorganisationen wie beim WAZ-Konzern und Ausstieg bei der Deutschen Presse Agentur, dpa, Zukäufe bei M. DuMont Schauberg, Verlagerungen bei Gruner + Jahr, Verkäufe von Axel-SpringerBeteiligungen, vollständige Übernahme der „NeussGrevenbroicher Zeitung“ durch die „Rheinische Post“ und Gerüchte um die „Aachener Zeitung“ zeigen, dass der Zeitungsmarkt rasant im Umbruch ist. Es zeigt auch, dass die Verlage auf die Herausforderungen unterschiedliche Antworten haben beziehungsweise differenzierte Strategien verfolgen.
In Zeiten der Konvergenz der Medien sowie einer Nachwuchskundschaft mit gewandeltem Lebensstil und interaktiven Ansprüchen auch an das Medium Zeitung heißt es für viele: die klassische Papierzeitung erhalten, zusätzlich multimediale Alternativen anbieten, Angebotssegment insgesamt breiter aufstellen, Fusions- und Kooperationsmöglichkeiten neu ausloten.
Wir als FDP-Landtagsfraktion wollen, dass das breite Zeitungsangebot in Nordrhein-Westfalen erhalten bleibt. Deshalb stellen wir zusammen mit unserem Koalitionspartner diesen Antrag und, unterstützt von Medienminister Krautscheid, streben wir notwendige rechtliche Veränderungen an. Wir wollen nicht statisch Altes bewahren, sondern den Verlagen in Nordrhein-Westfalen mit modernen Rahmenbedingungen das Bestehen auf dem Markt der Zukunft ermöglichen. Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass hierfür gewisse Umstrukturierungen und ein gewisser Wandel der Verlagshäuser und des Mediums Zeitung unvermeidlich sind.
Wir appellieren aber ausdrücklich an die Verlage, bei notwendigen Umgestaltungen mit dem Ziel der Schaffung zukunftsfähiger ökonomischer Bedingungen auch ihrer besonderen publizistischen Verantwortung gerecht zu werden und mit Augenmaß und sozialverträglich zu handeln. Eine Zeitung ist ein Kulturgut und nicht irgendeine Ware. Die ausgewo
gene Berichterstattung über lokale und regionale Ereignisse, die meines Erachtens für die Mehrzahl der Abonnementenzeitungen sehr wichtig ist – wenn nicht sogar der entscheidende Schlüssel zu Erfolg –, darf auch hierunter zukünftig nicht leiden.
Gerade diese Seiten heben die in NordrheinWestfalen erhältlichen Zeitungen besonders voneinander ab und binden den Leser an die Zeitung der jeweiligen Stadt oder Region besser und anders als dies andere Produkte in anderen Bundesländern zu schaffen vermögen.
Die Opposition agiert bislang mit ihren medienpolitischen Initiativen im Bereich der Zeitungslandschaft eher rückwärtsgewandt. Die Antwort von SPD und Grünen auf diese Herausforderung, die sich für die Verlage neu stellt, ist konzeptionslos, geht an der Marktwirtschaft vorbei und nimmt alleine den Steuer- und Gebührenzahler mit Kosten ins Visier.
Beim 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzen Sie sich erst zugunsten der öffentlich-rechtlichen Anstalten, für massive gebührenfinanzierte Konkurrenz von Medienangeboten und Internet zulasten der unter realen Marktbedingungen handelnden Verlage und deren Beschäftige in Nordrhein-Westfalen ein, und dann soll die Allgemeinheit nach Ihrem Vorschlag die steuerliche Absetzbarkeit von Zeitungsabos finanzieren. Das ist eine Scheinlogik. Die lautet nämlich: Sie verzerren erst den Markt, indem Sie eine mit Subventionen finanzierte öffentlich-rechtliche Presse im Internet verankern, und gefährden damit die betriebswirtschaftliche Basis der hier in der Region und in Nordrhein-Westfalen ansässigen Verlage, indem Sie den Anstalten, ohne ausreichende Schranken zu setzen, erlauben, sich auch zum Nachteil der privaten Medien zu multimedial gebührenfinanzierten Medienhäusern zu vergrößern.
Herr Kollege Witzel, wird die FDP-Fraktion in diesem Landtag dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen?
Herr Kollege Eumann, die Antwort auf die Frage, wie der Umgang mit dem Abstimmungsverhalten zu Rundfunkstaatsverträgen aussieht, werden wir Ihnen dann mitteilen, wenn die konkreten Entscheidungstermine bekannt sind, bei denen die Dinge zur Beschlussfassung anstehen.
Ich sage Ihnen nur, dass es sehr, sehr wichtig ist, was auch im Aushandlungsprozess der Bundesländer den Landtagen zur Beschlussfassung – nach all den Gesprächen der Ministerpräsidenten – zugeleitet wird und wie der Diskussionsprozess im Vorhinein gelaufen ist. Sie kennen das aus Ihrer Rolle, als Sie in früheren Zeiten die Regierungsverantwortung für Nordrhein-Westfalen getragen haben. Sie müssen sich als Mehrheitsfraktion gründlich überlegen, …
Herr Eumann, doch, ich beantworte Ihre Frage. Wenn Sie mir die Frage stellen, ob die FDPLandtagsfraktion wohlwollend geneigt ist, zukünftigen Rundfunkstaatsverträgen hier im Hause zuzustimmen oder nicht, dann beantworte ich Ihre Frage dahin gehend, dass ich sage: Man muss sich in der Tat als Mehrheitsfraktion im Parlament gründlich überlegen, ob man seine Zustimmung verweigert, wenn die Landesregierung aus ihrer Exekutivbefugnis in der Koordination der Bundesländer – MPK etc. – bereits gehandelt hat.
Ich sage Ihnen: Der Handlungsspielraum, den Sie parlamentarisch haben – das müsste auch Ihr Interesse als selbstbewusster Abgeordneter sein –, ist doch umso größer, je selbstbewusster sich Fraktionen im Vorfeld und frühzeitig in die Diskussionsprozesse einbringen. Wir verstehen jedenfalls unsere Rolle ausdrücklich so, dass das Parlament keine Abnickveranstaltung für das ist, was auf Exekutivebene im Dialog der Bundesländer besprochen wird, sondern dass wir als Fraktion aktiv in einen Meinungsbildungsprozess einsteigen.
Herr Eumann, deswegen beantworte ich Ihre Frage doch auch mit dem Hinweis auf Ihre eigenen Anträge. Sie haben in dieser Legislaturperiode Anträge gestellt, in denen Sie gefordert haben, für die Öffentlich-Rechtlichen muss mehr Online-Expansion möglich sein. Damit haben Sie selber den Beleg geliefert, dass Sie durch parlamentarisches Handeln mit Landtagsdrucksachen den Meinungsbildungsprozess beeinflusst haben.
Wir sollten das gemeinsame Ziel haben, die Vielfalt in der nordrhein-westfälischen Zeitungslandschaft zu erhalten, und dafür eintreten, dass es unterschiedliche Redaktionstitel gibt, dass es – auch konkurrierend – Vollredaktionen gibt. Das belebt den Wettbewerb der Ideen im Journalismus vor Ort. Das Ziel werden wir am Ende des Tages nicht mit dem einen Staatssubventiönchen und der nächsten anderen Staatsbeihilfe hinbekommen. Wir müssen vielmehr ein Interesse haben, dass Verlage am Standort Nordrhein-Westfalen eine tragfähige ökonomische Basis haben und wirtschaftlich handeln können.
Deshalb ist es so wichtig – und das wird von den Verlegern immer wieder zu Recht vorgetragen –, dass es nicht durch andere politische Beschlussfas
sungen für Wettbewerber der Printhäuser, nämlich für den Bereich öffentlich-rechtlicher Multimediaangebote, eine solche Überausstattung gibt, dass kein fairer Wettbewerb mehr stattfindet, sondern eine Privilegierung einsetzt, mit der diejenigen umgehen müssen, die gerade in einem schwieriger werdenden Markt ihr Geld verdienen müssen. Das ist kein fairer Wettbewerb und keine moderne Medienpolitik.
Mit dieser Feststellung, Herr Eumann, befinde ich mich auch in voller Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Deutschen Zeitungsverlegerverbandes, Helmut Heinen, den ich zitieren darf:
Wir leben in schwierigen Zeiten. Gleichwohl erwarten wir als Zeitungen keine Subventionen vom Staat – wir erwarten aber gute Rahmenbedingungen.
Darauf kommt es an. So sehen wir das auch als FDP-Landtagsfraktion. Die Vorschläge der gemeinsamen Antragsinitiative, die wir zusammen mit der CDU auf den Weg gebracht haben, sind auch im Bereich der Verlagshäuser durchweg positiv aufgenommen worden.
Noch immer bestehen gerade in der digitalen Zeit Schranken durch die öffentlichen Angebote des WDR, und es ist sehr wichtig – das ist unser zweiter wesentlicher Ansatz zur Stärkung der ökonomischen Basis der Verlagshäuser –, zu mehr Flexibilität in der Kooperation zwischen unterschiedlichen Medienanbietern zu kommen. Wir müssen stärker crossmedial denken. In der digitalen Welt müssen sich alle klassischen Verlagshäuser überlegen, ob sie nicht zu neuen Kooperationsmodellen im Multimediabereich kommen.
Von der rechtlichen Seite müssen wir im Medienmarkt dafür sorgen, dass Kooperationsmodelle zwischen unterschiedlichen Medienanbietern erleichtert werden und bei der Frage der Beteiligungsgrenzen zukünftig großzügiger verfahren wird. Das geschieht zu dem Zweck, Verlage zu stabilisieren und den Verlagshäusern am Standort Nordrhein-Westfalen bessere Perspektiven zu bieten, sich so breit und diversifiziert aufzustellen, dass Sie mehrere Standbeine haben. Dann wird ein vielleicht momentan einsetzender Anzeigenrückgang im Printbereich, verstärkt durch die Konjunkturkrise, nicht automatisch zu einer existenzbedrohenden Situation.
Antwort wieder lang formulieren werden. Das verlängert Ihre Redezeit. – Herr Kollege Witzel, mit welcher Norm wollen Sie das Thema „Kooperation bei Verlagen“ anpacken? Welche Norm haben Sie dafür in den Blick genommen?
Herr Eumann, wir werden Ihnen in Kürze Vorschläge unterbreiten, die auch Gesetzesänderungen zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der Verlage nach sich ziehen werden. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das gerade bei Ihnen als Kölner Abgeordneter sehr viel Sympathie finden müsste. Das ist das Ihnen bekannte Kölner Modell, das wohl auch für die Existenzsicherung und Weiterentwicklung der „Kölner Rundschau“ im Bereich erleichterter Kooperationen und Fusionen wichtig war.
Sie wissen genau, dass es heute auch bei der Beteiligung von Rundfunkveranstaltungen und des Verlegens von Zeitungen Einschränkungen gibt, die von den Verlagen nicht als positiv empfunden werden, wenn sie sich zukünftig als multimediale Häuser neu aufstellen wollen. Man muss Fragen, die man bisher einseitig unter dem Gesichtspunkt gesehen hat, Fusionstendenzen eher zu bremsen, neu bewerten, wenn ansonsten die Konsequenz wäre, dass einem reinen Printhaus die nötige Perspektive fehlt, sich auch crossmedial in andere Bereiche fortentwickeln zu können.
Über die Frage, mit welchen rechtlichen Normen wir uns dies im Landesmediengesetz zukünftig vorstellen können, sind wir in einem guten Dialog mit Experten und auch innerhalb der Koalition. Ich habe keinen Zweifel, dass wir Ihnen in nächster Zeit geeignete Vorschläge präsentieren können, wie wir die wirtschaftliche Basis entsprechend verbreitern und zugleich für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Verlagshäuser am Standort Nordrhein-Westfalen sorgen wollen. Denn wir sind der Auffassung, dass wir die Presse als faktisch vierte Staatsgewalt in ihrer Vielfalt zukünftig in allen Regionen NordrheinWestfalens benötigen. Die vielen guten und gut qualifizierten Journalisten in Nordrhein-Westfalen wollen wir auch zukünftig an ihren Arbeitsplätzen haben. Wir haben gerade – Herr Eumann, Sie haben das gestern verfolgt – bei unseren Haushaltsverhandlungen für den journalistischen Nachwuchs Ansatzerhöhungen beschlossen, um auch Schülerzeitungen und junge Medienschaffende im Rahmen der „Jungen Presse“ zu fördern. Das halten wir für einen zukunftsfähigen Weg. Wir glauben an den Medien- und Zeitungsstandort Nordrhein-Westfalen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! Die Tageszeitung ist nach wie vor das Medium mit der höchsten Glaubwürdigkeit. Die immer noch bestehende Vielfalt der lokalen und regionalen Titel und Redaktionen ist wichtig, ist unverzichtbar für die Willensbildung im föderalen Staat. Ich sage ausdrücklich, ein funktionierender Informationskreislauf ist für die Demokratie unverzichtbar.
Insofern begrüße ich ausdrücklich die Debatte über die Zeitungen und über die Rolle von Zeitungen in der Demokratie und der Willensbildung.
Ich ergreife auch die Gelegenheit, der Landesregierung für eine gute Beantwortung unserer dritten Großen Anfrage zur Situation des Zeitungsmarktes in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008/2009 zu danken.
Das gibt mir die Gelegenheit zu sagen – das wissen viele Kolleginnen und Kollegen –, dass wir seit 2003 mit der dritten Großen Anfrage eine Analyse des Zeitungsmarktes und der Veränderungen des Zeitungsmarktes haben, die in Deutschland einzigartig ist. Es gibt nichts Vergleichbares. Sie versetzt uns in die Lage, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Grundlage von Fakten Schlussfolgerungen zu ziehen, welche Möglichkeiten Politik hat.
Ich komme gleich, Herr Kollege Schick, Herr Kollege Witzel, konkret auf den Antrag zu sprechen. Zuvor will ich noch eine aktuelle Zahl, die mich bei der Diskussion um die Relevanz von Zeitungen ganz besonders bewegt, zitieren. Ich glaube, Sie weisen abstrakt darauf hin. Sie kennen die JIMStudie.