Protocol of the Session on February 12, 2009

Jedes Jahr bleiben auf diese Art und Weise Tausende von Studienplätzen unbesetzt, meine Damen und Herren. Das können wir uns nicht erlauben.

Es ist nicht akzeptabel, dass ein Land, dessen Zukunft und Wohlstand maßgeblich durch Bildung und Wissenschaft geprägt wird, wissenshungrige junge Menschen durch administratives Unvermögen derartig ausbremst. Aber schlimmer noch: Das Studienplatzdesaster, das wir nun seit über zwei Jahren erleben, rollt zum kommenden Wintersemester erneut auf uns zu wie eine Lawine. Da fragen wir Sie, Herr Minister Pinkwart, warum Sie bislang nichts, aber auch gar nichts getan haben, um ein vernünftiges Übergangsverfahren wenigstens für das Jahr 2009 in die Wege zu leiten.

Spätestens seit der Anhörung im Wissenschaftsausschuss zum Hochschulzulassungsreformgesetz im Herbst letzten Jahres hätten Sie wissen müssen, dass akuter Handlungsbedarf zumindest für die Wintersemester 2008/2009 und 2009/2010 besteht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle Expertinnen und Experten haben Sie ausdrücklich gewarnt. So sagt uns Dr. Keilhoff von der HIS GmbH:

Zum anderen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir den Zeitrahmen für den Ablauf des gesamten Vergabeverfahrens, nämlich vom 15. Juli – bis Bewerbungsschluss – bis zum Beginn des Semesters, für äußerst knapp bemessen halten …

(Zuruf von der FDP)

Der Vorsitzende des Beirates der ZVS, Dr. Zimmer, meint:

Hinsichtlich der Einführung zum Sommersemester 2009 habe ich größte Bedenken.

Diese Bedenken ziehen sich wie ein roter Faden durch die Stellungnahmen der Sachverständigen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist schnell klar geworden, dass wegen der umfangreichen Vorbereitungsmaßnahmen ein neues Verfahren frühestens im Sommer 2010 greifen kann und auch dann nur eine echte Verbesserung bringt, wenn sich alle Hochschulen, zumindest diejenigen mit den zulassungsbeschränkten Studienangeboten, an der Servicestelle beteiligen.

An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, was Ihr Motto „Freiheit vor Staat“ anrichten kann, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb. Statt zu handeln, hat Ihr Minister darauf gesetzt, dass sich das Problem von allein löst. Mehr Tatkraft hat da der baden-württembergische Kollege Frankenberg bewiesen; denn er hat bereits 2008 eine OnlineStudienplatzbörse eingerichtet, bei der die Hochschulen zumindest nach Semesterbeginn noch freie Studienplätze anbieten können. Außerdem, Herr Minister Pinkwart, hätten Sie in der Zwischenzeit dafür sorgen können, dass sich alle Hochschulen am Zulassungsverfahren der ZVS beteiligen. Denn ohne diese Beteiligung werden wir niemals verhindern können, dass alle zur Verfügung stehenden Studienplätze tatsächlich besetzt werden.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Kürzlich war der Presse zu entnehmen, dass auch Frau Schavan sauer ist wegen des Zulassungschaos. Da Sie am Montag nach Berlin gereist sind, Herr Minister Pinkwart, sind wir heute gespannt, von Ihnen zu hören, welchen Fahrplan Ihnen die Ministerin mit auf den Weg gegeben hat. Eines ist klar, Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten einer Medaille. Deswegen erwarten wir, dass Sie sich auch bei der Frage der Vergabe von Studienplätzen Ihrer Verantwortung stellen.

Wenn wir jetzt sehen, dass selbst der Versuch, aus der ZVS eine Clearingstelle zu machen, kläglich scheitert, frage ich mich, was eigentlich passiert wäre, wenn die Abschaffung der ZVS, mit der uns vor allem die FDP-Fraktion jahrelang gequält hat, tatsächlich Wirklichkeit geworden wäre.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Das stimmt doch alles gar nicht!)

Stimmt doch nicht? Genau Sie, Herr Lindner, möchte ich an dieser Stelle zitieren:

Der Wegfall der ZVS für die Studienplatzzuweisung in NRW

Sie sagen: der Wegfall –

ist eine Grundbedingung für Freiheit in Lehre und Studium und mehr Wettbewerb an den Hochschulen.

(Christian Lindner [FDP]: Die Zuweisung!)

Demnach sollen sich Studienbewerber für alle Fachbereiche direkt bei der Universität ihrer Wahl bewerben können. Die Hochschulen erhalten im Gegenzug das Recht, sich unter den Bewerbern die Geeigneten auszusuchen.

So viel Naivität kann es nur bei der FDP-Fraktion geben, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Heute wissen wir zumindest, dass ein solcher Spruch derzeit von niemandem mehr ernst genommen wird, Herr Lindner. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Schultheis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Lindner, so ist es: Die Wahrheit ist schnell auf dem Tisch. Frau Kollegin Seidl hat das Zitat absolut korrekt vorgetragen.

Meine Damen und Herren, das Einschreibechaos, das an unseren Hochschulen herrscht, passt nicht in eine moderne Hochschullandschaft, die junge Menschen zum Studium einladen und nicht abschrecken soll – ein Thema, das wir hier auch unter anderen Überschriften diskutieren mussten. Es war leider absehbar, dass diese Situation eintritt. Das Chaos an den Hochschulen ist jeden Herbst aufs Neue da und wird offenbar noch mindestens ein Jahr weitergehen. Ausgetragen wird dieses Verwaltungschaos allein auf dem Rücken der vielen jungen studierwilligen Menschen in unserem Land, aber auch in den anderen Bundesländern.

Ich darf Sie daran erinnern, dass meine Fraktion seit Ende 2005 dieses Thema wiederholt aufgegriffen hat, plenar und auch im Ausschuss für Wissenschaft. Sie haben sich lange dem Umbau der ZVS verweigert. Ja – Frau Kollegin Seidl hat daraufhin gewiesen –, Sie wollten die ZVS sogar abschaffen. Wir haben Sie bereits 2006 darauf hingewiesen,

dass wir die Politik von Bundesministerin Schavan mit ihrem aus unserer Sicht voreiligen Verzicht auf eine verfassungsrechtlich vorgesehene bundesrechtliche Zulassungsregelung für falsch halten. Der Meinung sind wir nach wie vor.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Wir haben Sie im Rahmen der Anhörung zum Hochschulzulassungsrecht zusammen mit anderen, zum Beispiel den Kanzlerinnen und Kanzlern der Universitäten, daraufhin gewiesen, dass man auch Anreizsysteme und Nachdruck braucht, um die Hochschulen und die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, die ZVS; auf Kurs zu bringen.

Die einseitige Kritik einiger Hochschulen und der Bundesministerin Schavan an der ZVS ist daher ein Ablenkungsmanöver von den eigenen Versäumnissen. Die einseitige Kritik der Bundesministerin an der ZVS ist als ungerechtfertigt zurückzuweisen. Sie blendet die destruktive Rolle einiger Hochschulen in diesem gesamten Prozess völlig aus.

Wenn es aber der Hochschulrektorenkonferenz nicht gelingt, eine hinreichende Beteiligung der Universitäten und Fachhochschulen an einem zentralen Bewerbungsmanagement sicherzustellen, sind gesetzliche Verpflichtungen unausweichlich. Dem muss man sich dann auch stellen. Auch deshalb möchte Frau Schavan offensichtlich mit der ZVS einen Schuldigen präsentieren, bevor jemand auf die Idee kommt, ihr Management des Umstellungsverfahrens und der Krise in den Blick zu nehmen.

Für die SPD Landtagsfraktion wäre ein Bundeszulassungsgesetz – ich wiederhole das – der beste Weg, um ein verlässliches und effizientes Zulassungsverfahren für alle Beteiligten sicherzustellen:

(Beifall von der SPD)

für die Verwaltung, für die Hochschulen, aber auch und gerade für die studierwilligen jungen Menschen in unserem Land. Wenn das nicht geht, dann muss eben Nordrhein-Westfalen mit einer gesetzlichen Regelung vorangehen. Es ist im Rahmen der Föderalismusreform I ja auch so vorgesehen, dass dieser Weg gegangen werden kann. Aus unserer Sicht muss er gegangen werden.

Dabei ist klar: Wenn der größte Hochschulraum Nordrhein-Westfalen mitmacht – hier haben wir ja auch eine Vorbildfunktion; wir haben ja heute Morgen schon von der Vorbildfunktion des Landes Nordrhein-Westfalen gesprochen –, werden die anderen Bundesländer nicht nachstehen können. Das ist klar. Wir sollten hier unsere führende Rolle in der Bundesrepublik Deutschland auch wahrnehmen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Hochschulen fordern wir auf, sich ohne Wenn und Aber zur Teilnahme an dem dann von der ZVSStiftung zu betreibenden zentralen Bewerbungsma

nagement zu verpflichten. Die Landesregierung muss auch hier die entsprechenden Anreize setzen.

Meine Damen und Herren, nur so kann unser gemeinsames Ziel – und ich gehe davon aus, dass es immer noch ein gemeinsames Ziel ist –, die Zahl der Studierenden deutlich zu erhöhen und die vorhandenen Studienplätze voll auszunutzen, verwirklicht werden. Es kann nicht sein, dass 10 % der Studienplätze wegen dieses Chaos unbesetzt bleiben. Wir halten das für unverantwortlich, dass eine solche Situation bewusst in Kauf genommen wird. Wir treten dafür ein, dass es dazu nicht kommt. Wir müssen hier gemeinsam vorangehen.

Nochmals: Wir sind der Meinung, dass eine gesetzliche Regelung der beste Weg ist. Aber wenn dies nicht zu erreichen ist, gehen wir einen NRW-Weg und motivieren unsere Hochschulen gemeinsam, sich an diesem Weg zu beteiligen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schultheis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben ein gemeinsames Ziel – das ist korrekt Herr Kollege Schultheis –: Wir müssen danach streben, dass die Studienplätze optimal besetzt werden können, von der Anzahl her und natürlich auch vom zeitlichen Vergabeverfahren her, zur vollen Zufriedenheit der neuen Studierenden in des jeweiligen Semestern. Das ist richtig; das ist das gemeinsame Ziel.

Einig sind wir uns auch darüber: So, wie es bis jetzt läuft, ist es noch unbefriedigend. Aber ich möchte hier auch konstatieren, dass dieses Ziel, das wir jetzt gerade als gemeinsames Ziel festgestellt haben, wahrscheinlich das einzige gemeinsame Ziel ist; denn Sie haben ja noch ein anderes Ziel im Hinterkopf. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Nehmen wir jetzt einmal an, wir reden von 10 % Plätzen, die unbesetzt bleiben. Dazu möchte ich natürlich gerne wissen: Sind das tatsächlich 10 bis 15 %? So hat es die KMK bundesweit beschrieben. Haben wir diesen Wert auch hier in NordreinWestfalen? Dazu ist von den Rednern der Opposition noch keine Aussage getroffen worden. Nach meinem Kenntnisstand liegt das in NordrheinWestfalen deutlich unter 10 % und konzentriert sich eher auf wenige Hochschulen, sodass es ein überschaubares Problem ist, wenn es um die Rolle von nordrhein-westfälischen Hochschulen geht.

Das zentrale Problem, worüber wir auch in der Anhörung diskutiert haben, ist die Rolle der Hochschulen, was die Teilnahme am Vergabeverfahren betrifft. Wir begrüßen ausdrücklich, dass Herr Prof. Freimuth als Vertreter der Universitäten in der Anhörung gesagt hat, dass er dem Anliegen der geschlossenen Teilnahme der Universitäten positiv gegenübersteht.

Direkt im Anschluss an seinen Beitrag hat Herr Prof. Metzner für die Fachhochschulen aber erklärt – ich denke, da schließt sich auch die LRK der Universitäten an –, dass das Prinzip der Freiwilligkeit wichtig ist, nämlich um die Akzeptanz zu erhöhen. So steht es im Protokoll, so haben wir es gehört. Das müssen wir jetzt übereinanderbringen. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe. Ich denke, niemand hier im Saal hat den Willen, unnötige Zwänge auszuüben.

Ich will keine ideologische Debatte daraus machen.