Ich möchte nun noch einmal etwas zu dem Thema „Fachhochschule Nördlicher Niederrhein“ sagen. Dort gibt es Debatten. Wir alle haben das verfolgt. Wir verfolgen sicherlich auch die Diskussion in Kamp-Lintfort sehr aufmerksam. Es ist sicherlich gut, wenn der dortige Bürgermeister uns Abgeordneten seine Argumentation zukommen lässt, wonach die Position von Kamp-Lintfort gestärkt werden soll. Darüber werden wir sicherlich noch debattieren. Was ich aber nicht gut finde, ist, dass daraus dann ein Abgeordneten-Bashing entsteht. Das ist nicht zielführend, und das sollte man unterlassen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, inwieweit das Parlament oder der Ausschuss noch in das Verfahren zur Errichtung oder Auflösung von Studienorten einbezogen werden soll, darüber werden wir sicherlich noch beraten. Über diesen Punkt ist im Rahmen der Gesetzeseinbringung hier und da diskutiert worden. Darauf werden wir noch einmal eingehen.
Zum Abschluss sei noch gesagt, dass sich die Fraktionen darauf geeinigt haben, dass dieser Gesetzentwurf im Plenum Anfang April abschließend beraten wird, sodass dieses Gesetz am 1. Mai dieses Jahres in Kraft treten kann und die von Herrn Minister Pinkwart genannten Gründungsrektoren tätig werden können.
Wenn wir dem gemeinsam zustimmen werden – ich freue mich, dass wenigstens schon eine Stimmenthaltung dabei herausgekommen ist –, tun wir dem Land Nordrhein-Westfalen und den jungen Men
schen, die solch eine Ausbildung anstreben, wirklich etwas Gutes. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Lindner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel hat diese Debatte einen historischen Charakter; denn nur zu wenigen Zeitpunkten in der Geschichte dieses Landes in den vergangenen 30 bis 35 Jahren ist so nachhaltig über Strukturveränderungen im Hochschulwesen dieses Landes diskutiert worden, wie wir das heute anlässlich der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs machen.
Die Entscheidung, die wir treffen, reiht sich in die Reihe der Entscheidungen ein, die seinerzeit das Kabinett Meyers getroffen hat, um neue Hochschulstandorte zu gründen, und auch die Kabinette Kühn haben in Nordrhein-Westfalen Hochschulen gegründet, so, wie das jetzt das Kabinett RüttgersPinkwart tut.
Übrigens merke ich an, dass die FDP bei allen für die Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen wesentlichen Entscheidungen mitbeteiligt war und ist. Das macht uns auch ein Stück stolz.
Die Fachhochschulen, die heute gegründet werden, haben erstens natürlich das Ziel, in NordrheinWestfalen ein qualitätsvolles Studienangebot sicherzustellen. Wir müssen das mit Blick auf die steigenden Studierendenzahlen, mit Blick auf den doppelten Abiturjahrgang, tun. Was die Struktur der Studienangebote angeht, müssen wir das aber auch mit Blick auf den Fachkräftemangel machen, der in Deutschland immer noch zu erheblichen Wertschöpfungsverlusten führt. Allein zwischen Februar 2007 und März 2008 wurden diese volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsverluste aufgrund eines Fachkräftemangels mit 28,5 Milliarden € quantifiziert. Es ist also ein drängendes Problem, ein Problem, das direkte Auswirkungen auch auf unseren Wohlstand in Deutschland hat. Deshalb war es richtig, diese Fachhochschulen insbesondere im Bereich von sogenannten MINT-Fächern aufzustellen, also mathematischen, ingenieurwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächern.
Wir werden in Kürze eine weitere Entscheidung treffen mit Blick auf die Gesundheitsberufe. Hier sind 1.000 weitere Studienplätze in Vorbereitung.
Die Gründung von neuen Fachhochschulen hat zweitens eine regionalpolitische Bedeutung, die nicht zu unterschätzen ist. Von dort, wo eine Fachhochschule eingerichtet wird, eine bestehende er
weitert wird oder ein neuer Studienstandort geschaffen wird, gehen Impulse in das regionale Umfeld aus. Es ist nicht nur ein Prestigefaktor für die Sitzgemeinde, sondern es werden Transferleistungen mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft erbracht. Es gibt wohnortnahe Ausbildungsmöglichkeiten. Das hat natürlich eine direkte Attraktivitätssteigerung eines Wohnumfeldes für junge Menschen zur Folge. Campus-Modelle sind denkbar. Das hat also eine erhebliche regionale und strukturpolitische Bedeutung.
In einem solchen Verfahren, wie es jetzt gewählt wird, gibt es zunächst einmal – Kollege Brinkmeier hatte diesen Aspekt schon angesprochen – Gewinner und Verlierer. Damit die Entscheidung über Gewinner und Verlierer legitim ist und akzeptiert werden kann, macht es Sinn, wie das hier erfolgt ist, ein transparentes Verfahren auch unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstandes zu installieren. Das hat sich hier bewährt.
Die Rückmeldungen, die wir bekommen, zeigen, dass auch die Kommunen, die Antragsteller, die sich jetzt nicht haben durchsetzen können, überwiegend die Entscheidung akzeptieren können, weil es keine politische Entscheidung vom grünen Tisch war, sondern eine, die in der Sache auch substantiiert begründet war. Deshalb gehört dieser Jury unter Vorsitz von Dr. Fritz Schaumann unser Dank.
Die Antragsteller, die sich jetzt nicht haben durchsetzen können, sind gleichwohl nicht Verlierer im eigentlichen Wortsinn. Denn allein, dass sich unterschiedliche Akteure einmal an einen Tisch gesetzt haben, miteinander beraten haben, was möglich ist, ist schon ein Gewinn. Und diese Kooperationsstrukturen sind möglicherweise hier und da so nachhaltig, dass auf dieser Grundlage andere Projekte wachsen können.
Meine Damen und Herren, ich möchte eine letzte kurze Bemerkung machen, wie sich diese Neugründung von Fachhochschulen und die Erweiterung von Fachhochschulen in unser ordnungspolitisches Konzept einfügt. Dazu besteht Anlass, weil Herr Schultheis diese Debatte genutzt hat, um einmal mehr die von seiner Fraktion geforderte Standortgarantie zu thematisieren.
Ja, lassen Sie mich das darstellen. – Standortgarantie heißt ja, dass man einen Status quo festschreiben will. Wir haben jetzt neue Standorte. Wir haben neue Teilnehmer an dem Hochschulprozess in Nordrhein-Westfalen, die neu ins Spiel kommen. Aber das heißt nicht, dass für diese Standorte nicht die gleichen Qualitätskriterien anzulegen wären, die auf alle anderen Standorte zutreffen, dass dort nicht auch die Instrumente der leistungsorientierten Mittelvergabe anzuwenden wären – nicht sofort, natür
lich nicht, sie sind ja im Aufbau. Aber natürlich müssen hier auch die Instrumente, die für alle Hochschulen gelten, installiert werden.
Und in einem solchen Prozess gibt es auf lange, vielleicht sogar auf mittlere Sicht Standorte, die sich stärker entwickeln als andere. Deshalb ist es richtig, diesen Prozess offen zu lassen und darauf zu setzen, dass sich insbesondere diese neuen Standorte mit ganz besonderer Motivation dem Wettbewerb stellen werden. Das ist unser Konzept. Das ist ein Konzept, das faire Chancen, gleiche, gute und auskömmliche Rahmenbedingungen für alle Standorte bietet, das aber ebenso von allen, den neuen wie den bisherigen Standorten verlangt, dass sie sich fortwährend und immer stärker bemühen, die Qualität ihres Angebotes zu verbessern. Das ist im Interesse der Kommunen, das ist im Interesse der einzelnen Standorte, vor allen Dingen aber im Interesse der Studierenden an allen unseren Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch einmal aus meiner Sicht auf den wichtigsten Aspekt in dieser Debatte eingehen. Der Ausbau von Studienplätzen ist die zentrale Aufgabe, die die Landesregierung im Hochschulbereich zu bewältigen hat. Und das sagen wir Ihnen seit Jahren, Herr Minister Pinkwart. Ich bin froh, dass diese Erkenntnis inzwischen auch bei der FDP angekommen ist.
Allerdings reicht es nicht, wie uns die Landesregierung glauben machen will, 2020 fertig zu sein. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Countdown läuft spätestens 2013 mit dem doppelten Abiturjahrgang ab. Wenn die Hochschulrektorenkonferenz uns sagt, dass der Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist, dann ist die vorliegende Planung zum Ausbau der Fachhochschullandschaft erst recht keine seriöse Antwort auf den Ansturm von Studierenden, den uns der doppelte Abiturjahrgang im Jahre 2013 bescheren wird.
Denn nach Schätzungen der Hochschulrektorenkonferenz sind bis zum Jahr 2020 etwa 6 Milliarden € nötig, um die notwendigen Studienplätze in ausreichender Qualität zu schaffen. In Ihrem Etat zum Hochschulpakt sind allerdings bislang nur 450 Millionen € vorgesehen, die bis 2013 reichen sollen, Herr Pinkwart. Und da nützt es auch nicht, dass Sie jetzt Nebelkerzen zünden und mit der Verteilung von 10.000 Studienplätzen an die Fachhochschulen so tun, als ob das Problem damit gelöst sei.
Ich kann verstehen, dass der Ministerpräsident ein hohes Interesse daran hat, kurz vor der Kommunalwahl im Land noch einige Wahlkampfgeschenke zu verteilen. Ich freue mich auch für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die im Wettbewerb erfolgreich waren. Denn für eine Region – da gebe ich Ihnen recht, Herr Lindner – ist eine Fachhochschule sicherlich ein bedeutender Standort- und auch Wirtschaftsfaktor.
Aber ob Sie, Herr Pinkwart, mit der Neugründung von Fachhochschulen das notwendige Ausbauziel in 2013 erreichen werden, ist nicht nur fragwürdig. Nein, Ihr Entwurf rechnet uns doch ganz klar vor, dass das so nicht gelingen wird.
Erstens wird deutlich, dass der Aufbau der neuen Studienplätze erst 2020 abgeschlossen sein wird. Zweitens betragen die von Ihnen veranschlagten Kosten für Ausbau und Erweiterung der Hochschulen insgesamt 1,1 Milliarden €. Im Haushalt sind bis 2012 allerdings lediglich Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 75,5 Millionen € ausgebracht. Das bedeutet, es klafft eine Riesenlücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wenn man bis 2013 die notwendigen Studienplätze schaffen möchte.
Und drittens sind es natürlich auch viel zu wenige Studienplätze, um der Herausforderung, vor der wir stehen, zu begegnen. Wenn Sie sagen, dass Sie von 2011 bis 2020 über 23.000 zusätzliche Studienanfängerinnen und -anfänger mit Studienplätzen versorgen können, Herr Minister Pinkwart, dann bedeutet das doch, dass im ersten Studiendurchgang von drei Jahren, also bis zum Jahre 2014, lediglich 7.000 junge Menschen ein Studium aufnehmen können. Gleichzeitig wissen wir genau, dass im Jahr 2013 etwa 176.000 eine Berechtigung zum Studium bekommen werden – fast 70.000 mehr als heute.
Das vorliegende Fachhochschulprogramm ist also – um es mit den Worten der Hochschulrektorenkonferenz zu sagen – nur ein weiterer kleiner Tropfen auf den heißen Stein.
Ich komme auf das Ergebnis Ihres Wettbewerbs zu sprechen. Sie haben überall im Land Begehrlichkeiten und Hoffnungen geweckt, die Sie natürlich nicht erfüllen können; das haben Sie selber dargestellt. Es gibt natürlich Gewinner und Verlierer. Aber Sie haben im Ergebnis – das muss man auch sehen – eine unsägliche Debatte ausgelöst – regelrecht Unfrieden gestiftet zwischen Städten und Standorten innerhalb der verschiedenen Regionen. Da wird derzeit regionalpolitisch Porzellan zerschlagen. Ich nenne nur den Kreis Unna, den Kreis Coesfeld oder den Niederrhein; das Stichwort ist eben schon gefallen. Wir finden, das ist kontraproduktiv. Das schadet wiederum der Standortentwicklung, und es schwächt die Wirtschaftskraft der Regionen.
Natürlich unterstützen auch wir Grüne den Ausbau des Hochschulsystems gerade in strukturschwachen Regionen in Nordrhein-Westfalen. Aber statt neue Einrichtungen auf die grüne Wiese zu setzen, wären ein Ausbau und die Flexibilisierung vorhandener Strukturen eher angesagt gewesen. Die Etablierung von Allianzen und Netzwerken zwischen den zahlreich vorhandenen Hochschulen und Hochschulabteilungen steckt doch immer noch in den Kinderschuhen; das sagt uns auch die Fachhochschulrektorenkonferenz. Eine solche Kooperation hätte die vorhandenen Ressourcen viel besser ausschöpfen können.
Vor diesem Hintergrund können wir nur hoffen, dass Sie mit der anfänglich starren Zuweisung von Studienplatzzahlen nicht Ernst machen und insgesamt der Standortentwicklung vor Ort und der inhaltlichen Flexibilität mehr Raum lassen. Daher erwarten wir, dass das im Konsens mit den Gründungspräsidentinnen und -präsidenten sowie der Wirtschaft vor Ort einvernehmlich und strategisch klug auf den Weg gebracht wird.
Die Studienplatzfrage, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird das entscheidende hochschulpolitische Thema der nächsten zehn Jahre sein. Einerseits werden wir genug Studienplätze schaffen müssen, damit es für viele Schülerinnen und Schüler nach dem Abitur oder der Fachhochschulreife kein böses Erwachen gibt. Andererseits müssen diese Studienplätze gut ausgestattet sein, um die Qualität in der Lehre zu sichern. Der Ausbau der Fachhochschullandschaft ist aus unserer Sicht kein verkehrter Ansatz, aber so, wie er mit diesem Gesetz angelegt ist, wird er das Ziel, den doppelten Abiturjahrgang 2013 abzufedern, bei Weitem verfehlen.
Mit dem Geld, das Sie hier symbolträchtig in neue Vorzeigeprojekte schießen, könnte man an bestehenden Standorten nicht nur ein Vielfaches der jetzt versprochenen 10.000 oder 11.000 Studienplätze schaffen. Es würde auch deutlich schneller gehen. Das ist angesichts des doppelten Abiturjahrgangs 2013 keineswegs ein Nebenaspekt, sondern vielmehr der zentrale Punkt.
Vor diesem Hintergrund sagen wir: Es ist schön, dass Sie endlich mit dem Aufbau neuer Studienplätze anfangen, aber es ist schade, dass Sie dafür aus sachfremden Erwägungen heraus einen so ineffizienten und langsamen Weg gewählt haben. Vor allem aber ist das Problem, vor dem wir stehen, damit nicht gelöst.
So oder so: Die eigentliche Anstrengung liegt noch vor uns, und darauf erwarten wir endlich Antworten von Ihnen, Herr Pinkwart. Wo sollen die 70.000 zusätzlichen Abiturienten 2013 denn hin? – Die neuen Fachhochschulen, über die wir heute reden, werden in 2013 höchstens 2.000 oder 3.000 dieser Abiturienten aufnehmen können.
Deshalb: Ruhen Sie sich nicht zu lange auf Ihren PR-Lorbeeren aus, Herr Minister. Machen Sie Ihren Job. Schaffen Sie Studienplätze – viele Studienplätze, gut ausgestattete Studienplätze! Die Menschen in Nordrhein-Westfalen können darauf nicht länger warten. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Minister Dr. Pinkwart zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hätte seitens der Opposition die Vorlage auch einmal zum Anlass nehmen können, etwas, was sich positiv für die Menschen entwickelt, auch so zu beschreiben. Diese Chance ist vertan worden. Ich bedaure das.
Wenn ich Sie, Frau Seidl, richtig interpretiere, dann sagen Sie: Die Standorte, die sich jetzt darauf freuen, dass sich bei ihnen etwas entwickelt, hätten diese Chance nicht bekommen sollen. – Das werden sich die Regionen merken. Ihre Rede empfehle ich den Menschen dort zur Lektüre, damit sie erkennen können, wie Sie sich die Entwicklung unseres Landes unter anderem auch dort vorstellen, wo Ihre Fraktion den subventionierten Steinkohlenbergbau zurückführen wollte. Das muss man auch verantworten. Ich frage mich: Welche Antworten wollen Sie dort darauf geben? – Wir haben welche.