Protocol of the Session on January 29, 2009

Ich gebe Frau Tillmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher des Landtags! Seit ungefähr 2005 klopft sich die selbst ernannte Koalition der Erneuerung aus CDU und FDP beständig auf die eigenen Schultern, einen Integrationsminister installiert zu haben, den ersten in der Bundesrepublik – wohlgemerkt. Vor lauter Schulterklopfen scheint der CDU und der FDP entgangen zu sein, dass ihrem Integrationsminister allein im Vergleich zu 2005 ca. 17.088.000 € im Kapitel Integration Zugewanderter verlorengegangen sind. Herr Lindner hat darauf eben aufmerksam gemacht, dass man sich in der Haushaltsrede sicherlich Zahlen und die dann auch über einen etwas längeren Zeitraum anschauen sollte.

Richtig ist, dass die Zahl der Flüchtlinge und der Asylbewerber rückläufig war und ist. Daher sind auch die Ausgaben für die Kostenpauschalen nach § 9 Abs. 2 und § 10a Landesaufnahmegesetz gesunken.

Richtig wäre aber auch, die hier eingesparten Mittel in sogenannte nachholende Integrationsmaßnahmen fließen zu lassen. Wie wichtig diese nachholende Integration ist, belegt auch der vor wenigen Tagen erschienene Bericht „Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration in Deutschland. Ich werde darauf später noch eingehen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Der vorliegende Etatentwurf im Bereich Integration ist absolut enttäuschend. Wurden 2008 noch die Haushaltsansätze von 2007 übernommen, werden in 2009 1,242 Millionen € weniger eingestellt. Circa 230.000 € im NRW-Programm werden gekürzt und darüber hinaus noch einmal aus dieser Position rund 70.000 € umverteilt.

Richtig ist, nicht abgerufene Gelder nicht immer wieder in den Haushalt einzustellen.

Richtig wäre aber auch, diese Gelder für andere sinnvolle Maßnahmen einzusetzen, zum Beispiel für den von Herrn Kufen geforderten Dialog mit Ausländern, den Herr Engel von der FDP ja bereits vollinhaltlich unterstützt hat: Es gehe um den Dialog und den Dialog vor Ort. – Ich denke, das ist richtig. Aber es wäre ja auch eine Möglichkeit, das Geld umzuverteilen.

Unna-Massen ist ebenfalls dem Rotstift zum Opfer gefallen. Im Dezember 2007 stellt Minister Laschet fest – ich zitiere aus der Presseinformation der Landesregierung 1469/12/2007 –: „Mit der Neustrukturierung wird die Integrationspolitik der Landesregierung konsequent fortgeführt und gestärkt.“ – „Gestärkt“ hört sich gut an. Am 04.11.2008 fällt die Entscheidung, Unna-Massen und dieses Kompetenzzentrum komplett zu schließen. Der Etat des Integrationsministers wurde und wird zur klammheimlichen Zapfsäule des Finanzministers.

Der „Aktionsplan Integration“ ist von allen Fraktionen mitgetragen worden und in vielen Punkten eine Fortführung der unter Rot-Grün begonnenen Maßnahmen. Mit Spannung erwarten wir den Zwischenbericht des Ministers. Sollten Sie, Herr Minister Laschet, diesen nicht vorgesehen haben, stellen Sie sich schon einmal darauf ein, dass wir ihn fordern werden.

Herr Minister Laschet, Sie haben der LAGA, den in Ausländerbeiräten, in Integrationsräten und in Integrationsausschüssen ehrenamtlich tätigen Migrantinnen und Migranten immer und immer wieder versprochen, ihre Beteiligungsrechte in der Kommune zu stärken. Geschehen ist bisher nichts. Ihre persönliche Glaubwürdigkeit steht hier auf dem Spiel, Ihre Glaubwürdigkeit gegenüber Migrantinnen und Migranten. Mir persönlich ist Ihre Glaubwürdigkeit nicht so wichtig. Das mögen Sie sicherlich nachvollziehen können.

(Minister Armin Laschet: Ungern!)

Mir ist aber die Glaubwürdigkeit der Integrationspolitik wichtig. Wir alle wollen – und haben uns auch auf den Weg gemacht – fraktionsübergreifend die Integrationspolitik nach vorne bringen. Wir wissen alle, wie sensibel Migrantinnen und Migranten auf gebrochene politische Versprechen reagieren. Es kann nicht sein, dass Sie sich und Ihre Kollegen von der Landesregierung einen schlanken Fuß machen und die Verantwortung für die Beteiligungsmöglichkeiten von Migrantinnen und Migranten an die Kommunen delegieren und diesen dann gegebenenfalls den Schwarzen Peter zuschieben. Ihren Ankündigungen, Herr Minister, müssen nun auch bald Taten folgen.

(Beifall von der SPD)

Mit Blick auf den vorhin angesprochenen Bericht „Ungenutzte Potenziale“ will ich nur einige Punkte nennen, die eklatant aufgefallen sind: Gefordert werden gruppenspezifische Konzepte; es geht um die Berücksichtigung der Stärken und Schwächen der einzelnen Herkunftsgruppen; und sicherlich müssen auch nachholende Integrationsmaßnahmen ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar und absolut unverständlich, dass im Bereich Integration Einsparungen vorgenommen und freiwerdende Mittel nicht wieder in anderen Projekten eingesetzt werden.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit der Litanei, wir hätten keine Anträge gestellt, wären in einer Multikulti-Romantik verfangen gewesen und hätten es seit 39 Jahren ja ändern können.

(Zuruf von der CDU: Genau so!)

Ja, darauf möchte ich Ihnen kurz antworten. Ich kann nachher nicht mehr ans Rednerpult.

Sie können eigentlich – von der Redezeit her – auch jetzt nicht mehr sprechen.

Wir haben keine Anträge mehr zu diesen Kapiteln gestellt, weil wir dies schon in den Jahren vorher getan haben und sie immer abgelehnt worden sind. Die Devise von CDU und FDP lautet: Wir stimmen grundsätzlich keinen Anträgen zu.

Wir haben sicherlich den Wert der Integration ein bisschen hintangestellt. Wir haben gedacht, durch den alltäglichen Umgang in der Arbeitswelt mit den Menschen wäre Integration einfacher möglich. Das ist nicht gelungen, wir haben diese Einschätzung revidiert.

Aber: Wir stehen auch für Deutschland als Einwanderungsland. Im Bau von Moscheen sehen wir nicht den Untergang des Abendlandes. Wir sind auch für eine Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft und wir wollen im ersten Schritt das kommunale Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer. Von daher sage ich: Integration ist ganz wichtig; bei der Integration bitte nicht sparen! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Bei einer Überziehung der Redezeit um eine halbe Minute sagen wir ja nichts, bei einer Minute räuspern wir uns schon deutlicher. Aber eine Redezeitüberziehung um zwei Minuten ist dann doch ausreichend.

Als nächster Redner für die Fraktion der CDU hat der Kollege Solf das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Im Politikfeld der Integration entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Wenn die hier eingebrachte Saat taub bleiben wird, dann gnade uns Gott. Oder richtiger: Dann gnade Gott unseren Kindern. Deshalb haben wir jenseits von Schönwetterreden und verschwommenen Träumen gleich nach dem Regierungswechsel angefangen, Integrationspolitik lebendig und zukunftsfest zu gestalten.

So haben wir die groß angelegte gesellschaftspolitische Offensive „Aktionsplan Integration“ auf den Weg gebracht. Die Erfolge bei der Umsetzung dieses Planes können Sie einerseits aus dem Integrationsbericht des letzten Jahres ablesen, andererseits spiegeln sich die Bemühungen aber auch im vorliegenden Haushaltsentwurf wider.

Die Gesamtausgaben des Kapitels 15 060 werden zwar von fast 30,3 Millionen € auf rund 29,1 Millionen € gesenkt. Die Mittel für die Titelgruppe 68 werden dagegen leicht auf etwa 14,5 Millionen € erhöht. Insgesamt kann man von einer Optimierung der Ausgaben sprechen. Lassen Sie mich das anhand einiger Beispiele verdeutlichen:

Erstens. Die Mittel für interkulturelle Zentren und niedrigschwellige Integrationsvorhaben werden unverändert mit rund 1,2 Millionen € angesetzt. Damit fördern wir auch weiterhin Maßnahmen in der Trägerschaft der Verbände der freien Wohlfahrtspflege wie Maßnahmen zum Abbau zuwanderungsspezifischer Defizite, Maßnahmen für bestimmte Zielgruppen wie Frauen, Mädchen oder ältere Menschen, Maßnahmen der Erwachsenen- und Familienbildung oder der Hausaufgabenhilfe. Auf maßgebliches Betreiben meiner Fraktion wurden diese Ausgaben im Haushaltsjahr 2008 erhöht, um innovative Integrationsprojekte mit Modellcharakter zu fördern.

Zweitens. Der Ansatz für den Dialog mit den Muslimen bleibt ebenfalls unverändert bei 50.000 €. Die Erläuterungsnummer ist überhaupt erst in den Haushaltsberatungen 2008 von den Koalitionsfraktionen geschaffen worden. Wir unterstützen damit Maßnahmen und Projekte, die zur Schaffung einer repräsentativen Vertretung der Muslime auf Landesebene dienen. Ich möchte dies gerade angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, ausdrücklich betonen.

Drittens. Die Ausgaben für die Förderung von Migrantenselbstorganisationen werden im Vergleich zum Haushalt 2008 um 70.000 € erhöht. Ziel ist die Förderung zusätzlicher innovativer Integrationsprojekte, die in die Fläche wirken können.

Viertens. Genau wie in den Haushalten 2007 und 2008 stellen wir auch 2009 erneut 2,2 Millionen € zur Unterstützung der wegweisenden „Regionalen

Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“ ein. Das landesweite Netzwerk „Integration durch Bildung“ ist im August vergangenen Jahres, wie von uns zugesagt, gestartet worden.

Fünftens. Auch 2009 investieren wir in das KOMM.IN-Programm. Hierfür stellen wir zwar etwas weniger Geld zur Verfügung – genau genommen immer noch stolze 3 Millionen € –, doch ist dies dem Konzept der Nachhaltigkeit der Förderung geschuldet. Daher benötigen Kommunen, die sich einmal auf den Weg gemacht haben, nach und nach weniger Mittel. Ein nicht geringer Teil der veranschlagten Gelder wird also für Kommunen verwendet, die neue Anträge stellen.

Abschließend möchte ich für meinen Kollegen Chris Bollenbach einige Bemerkungen zur Entwicklungspolitik machen. NRW ist das Nord-Süd-Land der Bundesrepublik Deutschland. Das spiegelt sich auch im Haushaltsentwurf wider. So haben wir die Gesamtausgaben des Kapitels 15 045 leicht auf jetzt über 4,8 Millionen € erhöht. Besonders erwähnen möchte ich die Mittel für die Koordination der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit und die Zuschüsse für die Förderung des UN-Standorts Bonn, dem deutschlandweit einzigen Standort der Vereinten Nationen. Dies sind nur zwei Beispiele dafür, wie mit vergleichsweise geringen Ansätzen Entwicklungspolitik effizient gestaltet und das Profil unseres Landes in diesem Bereich exzellent geschärft wird.

Meine Damen und Herren, festzuhalten bleibt: Wir haben einen Entwurf vor uns, der die vorhandenen Mittel mit einem Höchstmaß an Effizienz verwendet. Wenn Sie – bitte erlauben Sie mir diese kleine polemische Spitze – sagen, das alles reiche noch nicht, entgegne ich: Ja, das reicht noch nicht. Aber es ist unendlich viel mehr, als Sie jemals für die Integration getan haben. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Solf. – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Lindner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Tillmann, Sie haben eben gesagt, dass Ihre Fraktion keine Anträge zum Haushalt vorgelegt habe.

(Angela Tillmann [SPD]: Zu diesem Bereich!)

Ich hoffe, dass Sie bei anderer Gelegenheit eine Möglichkeit finden, eine politische Stellungnahme in Form von Änderungsanträgen zu diesem Haushalt abzugeben. Denn nur anhand von konkreten Änderungsanträgen zu einem Landeshaushalt kann man ermessen, ob das fromme Wünsche der Opposition oder zumindest realistische politische Alternativen

sind. Wir haben uns immer der Mühe unterzogen, Änderungsanträge vorzulegen. Wer nur fordert, ohne Antragsinitiativen vorzulegen, die gegenfinanziert sind, kann nicht ernst genommen werden.

Wegen der knapp bemessenen Redezeit möchte ich nur wenige Bemerkungen machen. Sie haben anhand der Zahlen bezogen auf diesen Haushalt dargestellt, dass nach Ihrer Interpretation die Mittel für die Integration zurückgingen. – Ich glaube, dass das eine optische Täuschung ist. Herr Minister Laschet hat immer darauf hingewiesen, dass er Integrationspolitik auch als eine Querschnittsaufgabe versteht und dass sein Haus eine Gelenkfunktion für die gesamte Landesregierung hat.

Wenn man aus dieser Perspektive das integrationspolitische Engagement dieser Koalition bewertet, ist es nicht ganz redlich, ausschließlich diesen Einzelplan zu betrachten.

Herr Kollege Lindner.

Die Fraktionen sind vor wenigen Tagen darüber unterrichtet worden, wie viel Geld im gesamten Landeshaushalt für die Integrationspolitik zur Verfügung steht. Es handelt sich um die beachtliche Summe von 442 Millionen €. Zeigen Sie mir ein Bundesland in Deutschland, das ähnlich viele Mittel bezogen auf die Einwohnerzahl für die Integration aufwendet; Sie werden kein Bundesland in Deutschland mit einem vergleichbaren Engagement finden!

Herr Kollege Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schäfer?

Bitte, Frau Kollegin Schäfer.

Das freut mich, Herr Lindner. – Ich möchte eine grundsätzliche Frage zur Haushaltsberatung stellen. Sie sagten gerade, es lägen keine konkreten Änderungsanträge von uns vor, sondern das wären politische Zielbestimmungen.