Protocol of the Session on January 16, 2009

(Zuruf von der SPD: Vorträgt!)

Sie hat zwar nicht viel zu sagen, aber sie will auf jeden Fall zuerst reden, und das mit Berufung auf einen Verfassungsartikel, der der Landesregierung ein bestimmtes Recht einräumt, das Sie, Herr Papke, glaube ich, in der letzten Legislaturperiode eigentlich abschaffen wollten. Also: Nichts zu sagen zu haben, aber als erste zu reden, weil der Ministerpräsident keine Erklärung abgeben darf, Herr Linssen in Berlin weilt und Sie als die letzte Reserve dieser Landesregierung dann in die Bütt müssen!

Aber statt darzustellen, wie denn dieses Berliner Konjunkturprogramm schnell für Nordrhein-Westfalen, zielgenau für Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird, statt eine wirtschaftliche Kompetenz an den Tag zu legen, statt ein Konzept zu erläutern, damit die Unternehmen, die Arbeitnehmer, die Menschen in diesem Land davon überzeugt sind, dass die Landesregierung weiß, was sie tut, statt eine solche Kompetenz zu vermitteln, versuchen Sie, Frau Thoben, sich in weiten Teilen Ihrer Rede an den Oppositionsfraktionen abzuarbeiten. Auch hier: Nölen statt regieren, Frau Thoben! Aber ich habe inzwischen den Eindruck: Sie können gar nichts anderes!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Frau Thoben, Herr Rüttgers, das war heute keine Sternstunde der Landesregierung. Wir steuern auf eine Krise zu, die mutiges, rasches und entschlossenes Handeln einer verantwortungsvollen Landesregierung erfordert. Das, was Sie hier heute gezeigt haben, macht nur deutlich, dass Sie aufgrund von Koalitionsquerelen nicht in der Lage sind, zu handeln. Wir müssen uns für die Menschen in Nordrhein-Westfalen darum sorgen, dass die Krise sie härter erreicht, als es sein muss.

Wir fordern Sie auf: Fangen Sie endlich an zu arbeiten und setzen Sie dieses Programm für NordrheinWestfalen rasch um!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Henke.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land ist in einer außergewöhnlichen Situation. Vor uns liegt vielleicht eines der kompliziertesten und schwierigsten Jahre der bundesdeutschen Geschichte. So hat der Bundesaußenminister gestern im Deutschen Bundestag seine Rede eingeleitet. Die Lagebeschreibung trifft ja zu.

Als wir heute Morgen mit der Debatte begonnen haben, da war noch offen, mit welchen Motiven sie beantragt wurde. Es hätte Ihnen um eine sachliche und nüchterne Diskussion über die konjunkturelle Entwicklung im Jahr 2009 gehen können. Es hätte um die Impulse gehen können, die das in dieser Woche vorgelegte Konjunkturprogramm II der Bundesregierung enthält. Es hätte um den Stand der Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu diesem Programm gehen können, um die konjunkturelle Lage, um den weiteren Weg zur Umsetzung des Programms in Nordrhein-Westfalen.

Aber nachdem ich Ihre heutigen Reden gehört habe,

(Bodo Wißen [SPD]: Jetzt meinen Sie aber die Regierungsmitglieder, oder?)

bin ich sicher, dass es, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und auch von den Grünen, von Anfang an gar nicht um die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

um das Konjunkturprogramm der Bundesregierung, um den Beitrag Nordrhein-Westfalens und um den richtigen Zeitpunkt für eine Regierungserklärung gegangen ist, sondern insbesondere in der letzten Rede – laute Hupe, wahrnehmbar für die Lupe – ging es nur um eine einzige Absicht: Wahlkampf, Wahlkampf, Wahlkampf und vielleicht irgendeine kleine Hoffnung, dass irgendeine dieser Sentenzen ihren Weg noch nach Hessen finden könnte, irgendwie per Funk nach Wiesbaden übermittelt wird oder so.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das ist der Ansatzpunkt, der dahintersteckt.

Das Motiv ist weniger in den anfänglichen Reden – jemand hat sie staatstragend genannt –, sondern jetzt bei Herrn Jäger superklar geworden. Sie ärgern sich über den Einfluss, den Jürgen Rüttgers,

unser Ministerpräsident, auf die Beratungen zum Konjunkturprogramm genommen hat.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Sie ärgern sich über den Stellenwert, den der von ihm vorgeschlagene Deutschlandfonds im Umfang von 100 Milliarden € im Programm der Bundesregierung hat. Sie versuchen das deutlich zu machen an der völlig belanglosen und gleichgültigen Frage, ob das jetzt Kredit- und Bürgschaftsprogramm heißt oder ob das Deutschlandfonds heißt. Sie ärgern sich, dass Jürgen Rüttgers, unser Ministerpräsident, es war, der die Entlastung der Betriebe von den Sozialversicherungsbeiträgen der Kurzarbeiter angestoßen hat. Sie ärgern sich über den Unterschied zwischen der Wirkung seiner Arbeit und der Wirkung Ihrer Arbeit.

Weil besonders Sie von der SPD-Fraktion als erklärte Anhänger und Unterstützer des Kurses von Frau Ypsilanti von Ihren eigenen Genossen in Berlin links liegen gelassen werden, deswegen inszenieren Sie diese Debatte heute hier so, wie Sie sie heute inszeniert haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist der Grund, warum es jetzt zu dieser Attacke in Richtung Landesregierung kommt. Offen gestanden: Ich werfe Ihnen ja überhaupt nicht vor, dass Sie Wahlkampf für nötig halten. Das ist normal. Das gehört zum politischen Wettbewerb. Das kann man nicht beanstanden.

Mein Vorwurf lautet, dass Sie dafür die Sorgen nutzen wollen, die die Menschen im Blick auf die Wirtschaftskrise haben,

(Beifall von der CDU)

die ihre Ursache nicht in Deutschland hat, weder in der Arbeit der Regierung noch in der Arbeit der Opposition, und dass Sie dennoch das Trennende in den Vordergrund stellen, statt das zu befördern, was wir jetzt am meisten brauchen: Zusammenarbeit, Gemeinsamkeit,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

einen starken Zusammenhalt in unserer ganzen Gesellschaft. Statt das alles zu befördern, suchen Sie gezielt die parteipolitische Polemik. Dafür kritisiere ich Sie.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist auch keine Situation, in der man, Herr Jäger, so tun sollte, als wäre die Krise dadurch zu bewältigen, dass wir jetzt hier zu dieser Zeit auf Ihren Antrag hin eine Debatte haben. Sie haben eben gesagt, wir müssen uns hier treffen und uns zusammensetzen, damit wir hier die Krise bewältigen.

Bei aller Liebe: Herr Jäger, Sie sprechen von den Auftragsausfällen im Maschinenbau, in der Stahlindustrie, in der Autoindustrie. Aber wenn Sie sich

dann auch einmal alle Ihre eigenen Programme angucken und sich Ihre eigene Forderung vorstellen, dass die Aufträge an die Handwerker möglichst schon im vorigen November erteilt worden sein sollen, selbst wenn man sich das einmal so zurechtrüttelt, dann ist natürlich dieser Teil dieses Konjunkturprogramms im Maschinenbau, im Bereich der Stahlindustrie und im Bereich der Autoindustrie, von der Sie gesprochen haben, letztlich nicht wirksam, weil das Investitionsprogramm an diesen Stellen natürlich nicht wirken wird.

Weder wird der Bildungsbereich dadurch vorankommen, dass massenhaft Pkws bestellt werden, noch wird es so sein, dass die Fließbänder ihren Stillstand beenden, weil etwa dann Krankenhausinvestitionen in Gang kommen. Auch Theaterinvestitionen, Museumsinvestitionen usw. im Kulturbereich werden leider Gottes der Stahlindustrie nicht besonders helfen.

Aber es geht Ihnen auch gar nicht um dieses logische Abwägen. Im Kern geht es Ihnen darum, zu versuchen, irgendwie Kritik an der Landesregierung zu üben. Sie nutzen – das ist mein Vorwurf – dafür diese Krise. Sie nutzen sie im Grunde als eine Folie für parteipolitische Auseinandersetzungen, für Punktgewinne.

(Beifall von der CDU)

Das ist schäbig und unredlich und nicht in Ordnung. Dafür kritisieren wir Sie. Denn damit mindern Sie die Bereitschaft der Menschen, die jetzt zusammenstehen müssen, die sich anstrengen müssen, die mitmachen müssen, sich auf das zu orientieren, was notwendig ist: die Bereitschaft der Unternehmen, die wir dafür gewinnen müssen, ihre Beschäftigten zu halten, der Arbeitnehmer, die wir dafür gewinnen müssen, auch in einer solchen Situation, in der sie zum Beispiel mit Kurzarbeitergeld Einkommenseinbußen erleiden, bereit zu sein, sich weiter zu qualifizieren, der Ingenieure, der Forscher, die wir gewinnen müssen, neue Ideen zu entwickeln und Innovationen voranzutreiben, der ehrenamtlich Tätigen, die wir gewinnen müssen, unsere soziale Infrastruktur stabil zu halten, und der Verbraucher, die wir gewinnen müssen, sich umweltbewusster zu verhalten.

Wenn Sie diese ganze Auseinandersetzung statt sie auf diese Fragen zu konzentrieren, statt sich darüber auszutauschen, auf die Frage konzentrieren – wie Sie das getan haben –, ob die Landesregierung hier falsch handelt, wenn sie eine Regierungserklärung ablehnt, für die es derzeit keine Grundlage gibt, dann sind Sie beleidigt oder nicht beleidigt. Wenn dann aber dennoch – Sie hatten den Wunsch nach Information – die Wirtschaftsministerin für die Landesregierung den Stand der Programme darstellt, dann sagen Sie, das habe Sie daran gehindert, hier als Erste zu Wort kommen zu können.

(Beifall von der CDU)

Das ist ein derart kleines Karo, eine derart kleine Münze, ein derart kleines Pepita, dass es nicht auszuhalten ist.

(Beifall von der CDU)

Ich finde das wirklich ärgerlich. Wir sollten das bald hinter uns lassen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Kollegin Löhrmann hatte sich gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Löhrmann.

Mein Ansatzpunkt liegt schon ein bisschen zurück in Ihrem Beitrag. Sie sprachen vom parteipolitischen Agieren. Könnten Sie uns erklären, wie Sie vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen das Agieren des Ministerpräsidenten von Bayern, Herrn Seehofer, empfinden?

Das Agieren des Ministerpräsidenten von Bayern, Herrn Seehofer, ist Ausdruck der Tatsache, dass es dort nach der letzten bayerischen Landtagswahl eine neue Regierungskonstellation gibt und er jetzt in die Verantwortung des Ministerpräsidenten gekommen ist.

Nach allem, was ich höre – auch gestern in der Debatte im Deutschen Bundestag –, haben die Kollegen von der CSU dort noch einmal unterstrichen, wie erfreut sie sind, dass Horst Seehofer jetzt Ministerpräsident in Bayern ist. Herr Oswald hat zum Beispiel hervorgehoben, dass er ein sehr guter Ministerpräsident ist. Ich hätte keinen Grund, das mit Abstrichen zu versehen oder zu reduzieren. Insofern weiß ich nicht …

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Völlig frei von parteipolitischem Interesse!)

Frau Löhrmann, ich glaube nicht, dass man sich in den Parlamenten aus der Parteipolitik lösen könnte. Das wird am Ende nicht gelingen. Die Frage ist doch: Parteipolitik mit welcher Intention? Ist die Parteipolitik ein Instrument dafür, in den parlamentarischen Entscheidungen das Schicksal der Menschen im Land voranzubringen und ihnen in einer Situation, die höchst unangenehm werden wird und in der wir ein sehr hartes Jahr vor uns haben, zu zeigen, dass wenigstens über die parteipolitischen Differenzen hinweg eine gewisse Grundeinigung in den Zielen möglich ist? Ist das das Ziel? Ist damit diese parteipolitisch unterschiedliche Aufstellung ein Instrument, auch über die plurale Auseinandersetzung zu besseren Lösungen zu kommen?

Oder steht es für einen Teil des politischen Spektrums – in dem Fall mehr noch für die SPD als für Sie – für Sie bei Ihrer heutigen Rede aber auch –, steht für Sie quasi ideologisch fest gefügt und zementiert fest, bevor überhaupt jemand gesprochen hat: „Egal, was heute zur Sprache kommt – das, was die Regierung in Nordrhein-Westfalen macht, ist sicher Mist, ist sicher Käse, ist sicher zu langsam, ist sicher unterdimensioniert“?