Protocol of the Session on December 17, 2008

Nicht versprechen, sondern handeln: Hochschulbauten jetzt sanieren!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8081

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD Herrn Kollegen Stinka das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Studentinnen und Studenten in Nordrhein-Westfalen haben nicht nur das Problem, dass sie mit Lehre und Forschung kämpfen müssen, sondern viel größere Sorgen machen sich die meisten um die maroden Hochschulen in unserem Land. Manche Studentinnen und Studenten müssen sich sogar um ihre Gesundheit sorgen. Denken wir nur daran, dass beispielsweise in der Universität Köln in diesem Jahr Hörsäle geschlossen werden mussten, weil Teile der Deckenkonstruktion bzw. der Lampen hinabzustürzen drohten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir behandeln das Thema hier einmal wieder auf Antrag der Oppositionsfraktionen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wiederholen zwar gebetsmühlenartig, wie wichtig Ihnen Bildung und Ausbildung sind, aber die Realität zeigt: Die Hochschulen und die Universitäten verrotten, und CDU und FDP tun nichts dagegen.

(Beifall von der SPD)

Herr Minister Pinkwart, Sie haben in der letzten Fragestunde auf unsere Nachfrage eine Regierungserklärung oder zumindest eine Unterrichtung zu diesem Thema angekündigt. – Es wäre auch

schön, wenn Sie jetzt kurz zuhören könnten. – Wir haben bis heute nichts davon gehört.

Warum eigentlich? Sie haben es nicht geschafft, zur heutigen Plenarsitzung einen Antrag einzubringen, und der Versuch, verspätet eine Aktuelle Stunde nachzuschieben, wirkt etwas verschämt. Kolleginnen und Kollegen, wer sich ein bisschen mit dieser Thematik auseinandersetzt, wundert sich nicht wirklich, warum das so verschämt ist.

Auf der einen Seite lehnen Sie gerade die Vorschläge der SPD-Fraktion ohne gute Begründung ab. Vor allem machen Sie ohne ein eigenes Konzept deutlich, dass Ihnen nichts dazu einfällt. Auf der anderen Seite haben Sie jetzt, vor wenigen Tagen, ein milliardenschweres Sanierungsprogramm angekündigt.

Woher kommt eigentlich dieser Meinungsumschwung? Noch im September durften die Vertreter des Bau- und Liegenschaftsamtes des Landes zur Hochschulsanierung im zuständigen Ausschuss nicht einmal Stellung beziehen. Sie hatten vom zuständigen Finanzministerium ein Sprechverbot erhalten. Dass das ein sinnvolles Verfahren ist, ist für uns Sozialdemokraten schwer nachzuvollziehen.

(Beifall von der SPD)

Herr Minister, jetzt bleibt von den stolzen Ankündigungen nicht viel übrig. Zu den Fakten: Das Zahlenwerk funktioniert nicht. Von den angekündigten 8 Milliarden € gehen bei einem langen Zeitraum bis 2020 lediglich 2 Milliarden € über die bestehenden Haushaltsplanungen hinaus. Davon soll der BLB NRW selbst 800 Millionen € beisteuern. Zu dem sinkenden Immobilienwert des Landesimmobilienvermögens, den fälligen Wertberichtigungen und der damit reduzierten faktischen Beleihungsgrenze des BLB kommt kein Wort aus Ihrem Haus.

Das Geld wird nicht reichen, Herr Minister. Die vom BLB NRW für alle Hochschulstandorte aufgestellten Hochschulstandortentwicklungsplanungen weisen einen Finanzbedarf pro Hochschule aus. Der Finanzbedarf muss nur auf alle Standorte addiert werden. Diese Liste ist dem Ministerpräsidenten, Ihnen und dem Finanzminister seit mindestens einem Jahr bekannt. Sie weigern sich beharrlich, Zahlen zu veröffentlichen, denn diese Zahlen würden deutlich machen, dass die 8 Milliarden € bei Weitem nicht ausreichen.

Ihre Kritik an uns ist falsch. Es ist richtig, dass in den letzten Jahren ein Sanierungsstau entstanden ist. Das hat aber Gründe. In den 80er- und 90erJahren der Kohl-Regierung, auch unter der Verantwortung des Ex-Zukunftsministers und heutigen Ministerpräsidenten des Landes, ist bei der Zuteilung der Mittel nach dem Hochschulbaufinanzierungsgesetz des Bundes NRW systematisch zugunsten der Südländer benachteiligt worden.

Wir haben unter schwierigsten Haushaltsbedingungen alles Menschenmögliche getan und saniert, beispielsweise die Uni Bochum. Sie hingegen haben in den Zeiten voller Kassen – in den letzten drei Jahren – nichts unternommen. Sie haben die Zeit verstreichen lassen.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Der ewige Blick auf alte Regierungszeiten hilft da auch nicht. Ihnen fehlt der Mut, hier einen sinnvollen konjunkturpolitischen Pflock einzuschlagen: ein echtes Sanierungs- und Modernisierungsprogramm für Hochschulen mit höheren Ausgaben im Landeshaushalt. Dafür ist jetzt auch politisch, Herr Pinkwart, das Fenster offen. Aber Sie gehen mutlos daran vorbei. Die Chance bleibt vertan. Dabei macht es jetzt Sinn, Investitionen vorzuziehen. Das ist ein Bereich, in dem Investitionen gewollt sind, gewünscht sind und nötig sind.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Stattdessen hat der Finanzminister noch einmal deutlich gemacht, dass kein zusätzliches Geld kommen wird, sondern Umschichtungen im Haushalt. Dann stellt sich für uns die klare Frage an Sie: Woher nehmen, wenn nicht stehlen, Herr Minister? Wer soll hier bluten? Die Hochschulen, die Studierenden, eventuell Ihr ständig schrumpfender Etat für Landesforschung?

Es bleibt unklar, was geschehen soll. Eine Liste der realisierten Bauten von den Luftschlössern, die Sie hier vor wenigen Wochen verkündet haben – wobei wir hier nicht über Schlösser, sondern über Schulen reden –, liegt nicht vor. Mit Hochschulen wird erst jetzt verhandelt. Wir vermuten dahinter Wahlkampfversprechen. Unklar ist, was danach mit den Hochschulen passieren soll. Der Pressetext Ihres Hauses weist da in eine Zukunft mit Vorhaben, die für uns nicht zukunftsfähig sind. So sollen die Hochschulen im Anschluss an die Renovierung die Instandhaltung teilweise selbst übernehmen, und – man höre und staune mit Blick auf die FDP – es sollen entsprechende Bauverwaltungen wieder aufgebaut werden. Hier werden Kosten schlichtweg abgewälzt, Herr Pinkwart.

Das alles kann nicht sein. Wir brauchen eine echte Strategie, die den Namen verdient, mit klaren Rahmenbedingungen. Dazu haben wir schon viele parlamentarische Initiativen eingebracht. Bei allen Hochschulbauten sind höchste Standards der Energieeffizienz umzusetzen und der Einsatz regenerativer Energien prioritär zu prüfen. Ihr Sanierungs- und Modernisierungsprogramm ist ohne Mehrkosten für die Hochschulen durchzuführen. Die erhöhten Mietmittel zur Refinanzierung sind den Hochschulen 1:1 zur Verfügung zu stellen. Die Verwendung von Studiengebühren für das Sanierungsprogramm ist explizit auszuschließen.

Solange das hier nicht beschlossen wird, ist Ihr Progrämmchen wertlos und nicht das Papier wert,

auf dem es veröffentlicht wird. Solange Studentinnen und Studenten in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin unter völlig unzumutbaren Umständen studieren und eventuell Angst haben müssen, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt, werden wir an diesem Thema dranbleiben und Sie damit stellen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt ihren Antrag jetzt Frau Dr. Seidl vor.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie schnell manchmal Erkenntnisse im politischen Raume reifen können. Zumindest muss man diesen Eindruck haben, wenn man sich die Entwicklung in Sachen Hochschulbau in den letzten Wochen anschaut.

Anfang November haben wir als grüne Fraktion einen Vorschlag für ein nachhaltiges Konjunkturprogramm im Umfang von 1,6 Milliarden € vorgelegt – zusätzliche Mittel wohlgemerkt und selbstverständlich seriös finanziert. Von diesen zusätzlichen 1,6 Milliarden € waren alleine 300 Millionen € für Investitionen an den Hochschulen vorgesehen:

(Ewald Groth [GRÜNE]: Zusätzlich! – Beifall von Ewald Groth [GRÜNE])

Investitionen in die Energieeffizienz, für den Klimaschutz, aber vor allem auch zur Verbesserung der Studienbedingungen.

(Christian Lindner [FDP]: Mit Schmiergeld bezahlt!)

Und was ist passiert? – Am 6. November haben Sie mit Ihrer Mehrheit von CDU und FDP diesen Antrag im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie abgelehnt – übrigens ohne Begründung.

Letzte Woche nun die Überraschung: „8 Milliarden € für die Hochschulen“ titelten die Gazetten bis hin zur „Bild“-Zeitung. Nordrhein-Westfalen saniert 33 Hochschulen, hieß es da, mehr Hörsäle, Energiesparprogramme usw.

Da fragt man sich: Packen die es nun endlich an? Werden die Regierungsfraktionen unserem Haushaltsantrag für 2009 nun doch zustimmen, den Hochschulen 300 Millionen € zusätzlich – ich betone: zusätzlich! – zur Verfügung stellen? Leider ist dem nicht so. Denn bei allen Bekenntnissen, die wir in den letzten Wochen zum Thema Hochschulbau gehört haben und die wir gleich wahrscheinlich wieder hören werden, fehlt es schlicht an einem: an der notwendigen Finanzierung. Wieder einmal versuchen Sie, die Fortsetzung laufender Maßnahmen als Innovation zu verkaufen, Herr Minister Pinkwart.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist nicht nur unseriös, das ist, finde ich, unglaublich! Wenn Sie, wie Sie heute ankündigen, in den nächsten zwölf Jahren jeweils 600 Millionen € ausgeben wollen, dann schreiben Sie nur den aktuellen Status quo fest und kommen dabei auf eine Summe von ungefähr 8 Milliarden €.

Deshalb – so habe ich das verstanden – hat uns der Finanzminister in der vergangenen Woche auch erklärt: Frisches Geld brauchen die Hochschulen gar nicht. Das, was zusätzlich kommen soll, das macht alles der BLB, der sich das Geld auf dem freien Markt besorgen wird. – Wen wollen Sie hier eigentlich für dumm verkaufen, Herr Minister Pinkwart und auch Herr Minister Linssen? Das ist doch ein Taschenspielertrick!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das ist ein Taschenspielertrick, aber keine seriöse Politik. Denn was auch immer der BLB in den nächsten Jahren bauen oder renovieren wird: Bezahlen müssen die Hochschulen es. Wer denn sonst?

Wenn Sie, Herr Minister, den Hochschulen dieses Geld – ich betone: dieses zusätzliche Geld – nicht zur Verfügung stellen, woher sollen die Hochschulen es dann nehmen? Sollen sie Stellen streichen? Sollen sie Forschungsinvestitionen auf Eis legen? Sollen sie Studienplätze abbauen? Oder sollen sie am Ende vielleicht sogar die Studiengebühren erhöhen, wie auch die SPD-Fraktion es vermutet?

Unsere Hochschulen, unsere Studierenden und vor allem auch unsere zukünftigen Studierenden, die heute noch zur Schule gehen, haben Antworten verdient, konkrete Antworten, konkretes Geld statt blumiger Versprechungen für die Zukunft und „Bild“Zeitungs-Schlagzeilen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deshalb fordern wir Sie mit unserem Antrag auf: Zählen Sie nicht nur auf, wo bereits jetzt die üblichen Baumaßnahmen laufen! Sagen Sie uns endlich auch, wo überall gerade keine Maßnahmen durchgeführt werden, obwohl sie dringend notwendig wären! Benennen Sie den konkreten Sanierungsstau, und erklären Sie uns, wie Sie diesen abbauen wollen! Und geben Sie uns endlich eine nachvollziehbare Antwort auf die Frage, wo das Geld wirklich herkommen soll! Keine RechteTasche-linke-Tasche-Spielchen mit dem BLB zwecks wundersamer Geldvermehrung! Denn das glaubt Ihnen in den Hochschulen vor Ort niemand mehr.

Statt jetzt zu handeln, statt einer soliden Planung, sucht man im Haushaltsentwurf vergeblich nach zusätzlichen Mitteln. Dabei könnten Sie den Hochschulen schon im kommenden Jahr 300 Millionen € zusätzlich geben. Unser Antrag hierzu liegt vor. Sie

brauchen nur noch zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Brinkmeier.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es war schon sehr, sehr dreist – vor allem von Ihnen, Herr Kollege Stinka –, was Sie hier gebracht haben.

(Beifall von der CDU)

Sie haben sich hier in einer Art Geschichtsklitterung versucht, die ich aufs Schärfste zurückweisen will. Es ist schon eine unglaubliche Frechheit, den Menschen Glauben zu machen, dass hier nichts passiert und dass vorher viel passiert ist. Das ist schon wirklich eine Frechheit.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])