Das ist eine Folge unserer neueren Geschichte, nachdem Generationen zuvor Behinderte der menschenverachtenden Vernichtung durch die Nazibarbarei zum Opfer fielen. Heute sind sie da, und es ist ein Glücksfall, dass sie das Senioren- und das Rentenalter erleben. Von den 1,7 Millionen Menschen
mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen sind heute mehr als 1 Million Menschen älter als 60 Jahre. Für deren Bedürfnisse brauchen wir neue Antworten. Hier ist der Kollege Laumann sehr engagiert.
Zweitens. Ältere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Sie gingen früher, wenn sie Rentner wurden, zurück in ihre Herkunftsländer. Heute bleiben sie bei ihren Kindern und Enkelkindern. Es ist übrigens auch ein Kompliment für unser Land, dass sie hier bleiben und dass sie sich hier wohlfühlen. Auch für ihre Bedürfnisse werden wir neue Antworten brauchen; auch dieser Frage wollen wir uns widmen.
Wir konzentrieren uns auf das Notwendige und auf das für ein Bundesland Besondere – mit Partnern, die uns dabei helfen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass das zu einem Generationencheck führen wird, der das gesamte Regierungshandeln auf Demografietauglichkeit überprüft. In vielen Kommunen beginnt man damit, jede kommunalpolitische Entscheidung schon darauf abzustellen, wie die Stadt in zehn oder 20 Jahren aussehen muss. Deshalb tätigt man heute in vielen Kommunen manche sinnlosen Investitionen nicht mehr und überlegt: Wie sieht unsere Stadt bzw. unsere Kommune im Jahr 2025 aus?
Fit für 2025! – Mit diesem Anspruch, mit der Ernsthaftigkeit und mit der Konsequenz, mit denen wir uns diesem Thema widmen, werden wir es schaffen, dass unser Land bei der Politik im demografischen Wandel eine Spitzenposition einnehmen wird. So wird es gelingen, dass NordrheinWestfalen auch im Jahr 2025 unsere lebens- und liebenswerte Heimat ist – für alle Generationen! – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Minister. – Als nächste Rednerin hat Frau Altenkamp von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich erinnert diese Diskussion an ein Jugendbuch von Michael Ende: „MOMO, oder: Die seltsame Geschichte von den ZeitDieben“. Es gibt auch einige Raucher in der Landesregierung, wie man hört, sehr starke Raucher.
Die Geschichte verläuft folgendermaßen: MOMO muss die Menschheit davor retten, dass ihr wichtige Zeit gestohlen wird, nämlich die Zeit für die wesentlichen Dinge, für das Miteinander, für das Leben
miteinander. Da gibt es die Zeit-Diebe. Sie trocknen die Zeitblumen, also die Stunden, die sie den Menschen nehmen, und rauchen sie als Zigarren. Wenn diese Zigarren ausgehen, lösen sich die Zeitdiebe in Luft auf. Ganz ernsthaft: Die heutige Unterrichtung der Landesregierung erinnert mich fatal an diese Geschichte.
Worüber werden wir unterrichtet? Man muss ganz im Ernst feststellen: Was ich heute erlebt habe, ist ein dreister Fall von Lebenszeitverkürzung von Abgeordneten!
Denn worüber wird unterrichtet? Wir werden darüber unterrichtet, die Landesregierung sei zu der Erkenntnis gekommen, dass die Frage des demografischen Wandels ein Querschnittsthema darstelle. – Donnerwetter!
Wir werden darüber informiert, dass es Memoranden zur Familienpolitik und zur familienfreundlichen Kommunalpolitik gegeben hat, dass es einen Pakt für die Jugend gegeben hat und dass es Bemühungen gibt, die Frage der Demenz noch stärker wissenschaftlich zu begleiten. Und dann wird hier heute erzählt, das sei alles der Situation geschuldet, dass der Ministerpräsident zum Jahreswechsel bei seiner Ansprache das Jahr 2008 zum Jahr des Miteinanders der Generationen ausgerufen hat. Das wollen Sie uns hier erzählen; das ist heute Ihre Bilanz.
Das, mein lieber Herr Minister Laschet, ist offensichtlich – für alle hier im Land und in diesem Haus erkennbar – an den Haaren herbeigezogen.
Man muss Sie an dem konkreten Handeln messen. Nehmen wir die Frage demografischer Wandel und Kommunalpolitik: Wo sind denn die erkennbaren Maßnahmen der Landesregierung, Kommunen, die besonders vom demografischen Wandel betroffen sind, zu helfen?
Nehmen wir die Kommunen im zentralen Ruhrgebiet, nehmen wie die Stadt Duisburg, die nach dem Monitoring von Bertelsmann jetzt besonders stark von der demografischen Alterung betroffen ist. Oder nehmen wir die Stadt Köln, die im Jahr 2025 einen Babyboom zu erwarten hat. Wo sind da unterstützende Maßnahmen?
Ihre Kommunalaufsicht macht Folgendes: Rückbau von Infrastruktur, weil die Kohle nicht mehr da ist oder weil die Kommunen auf jeden Fall durch die Haushaltssicherungssituation dazu gezwungen
Rückgebaut werden soll die Infrastruktur. Das hat nichts mit einer vorausschauenden Politik der Landesregierung als Antwort auf den demografischen Wandel zu tun. Ich kann Ihnen Kommune für Kommune nachweisen, dass das genau das Gegenteil ist. Das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist: Wo sind Ihre Maßnahmen zum Thema demografischer Wandel und Arbeitswelt? Wir wissen doch – Kollege Laumann sagt es auch immer –, dass die Menschen nicht unbedingt länger im Arbeitsleben sind, aber sie sind älter, wenn sie aus dem Arbeitleben ausscheiden.
Wir haben die Situation, dass wir einerseits einem Fachkräftemangel entgegensehen, in einigen Bereichen schon ganz heftig. Andererseits können wir erkennen, dass trotzdem in einigen Bereichen der Wirtschaft immer noch ältere Menschen regelrecht aus dem Arbeitsleben herausgedrückt werden. Da frage ich die Landesregierung: Wo sind denn die Maßnahmen im Jahr der Generationen und des Miteinanders gewesen, die Wirtschaft tatsächlich darauf hinzuweisen, wie falsch dieses Vorgehen ist?
Nichts, gar nichts, nicht einmal in Ihrem Bericht heute! Vor dem Hintergrund kann man sagen: Da findet nicht viel statt.
Dann haben Sie gesagt, junge Menschen fühlten sich vom demografischen Wandel bedroht. Ja, warum fühlen sie sich bedroht? Weil die Generationen, die hier sitzen und die die Politik bestimmen, über ihre Zukunft bestimmen.
Da kann einem nur angst und bange werden, weil das Bedürfnis der jungen Menschen hier nicht vorkommt. Darüber setzt sich Ihre Landesregierung doch ständig hinweg. Nehmen wir doch einmal das Beispiel Landesjugendplan, nehmen wir andere Dinge: Das, was diese Landesregierung macht, hat mit den Bedürfnissen von jungen Menschen überhaupt nichts zu tun. Reihenweise kann ich Ihnen das nachweisen.
Angesichts eines solchen konkreten politischen Handelns habe ich Verständnis dafür, wenn junge Menschen sich von dieser Politik bedroht fühlen.
Das Land des langen Lebens streben wir also an. Ja, wir sind es in der Zwischenzeit schon. Jetzt sage ich einmal ganz offen, Herr Laschet: Weder die rot-grüne Vorgängerregierung noch Ihre Regierung hat erheblich dazu beigetragen, dass Menschen 90 Jahre und älter werden. Das hat doch nichts mit Ihren Maßnahmen zu tun.
Natürlich. Sie fangen an, Überschriften zu formulieren, und meinen, das ersetzt konkretes Handeln. Aber der Punkt ist – ich bedaure es sehr –, dass Sie es nicht fertigbringen, das Wohn- und Teilhabegesetz genau an diesen Stellen zu erklären und deutlich zu machen, dass wir uns mit dem Thema des langen Lebens im Fachausschuss des Landtags im Zusammenhang mit dem Wohn- und Teilhabegesetz sehr wohl auseinandergesetzt haben, wobei es vor allen Dingen darum geht, selbstbestimmt bis zum letzten Tag leben zu können. Das ist ein Teil des Wohn- und Teilhabegesetzes. – Daran kann man erkennen, welchen Stellenwert dieses Thema für Sie tatsächlich hat.
Ich werde den Eindruck nicht los: Wir werden heute unterrichtet, weil über die Dinge, die man in diesem Haus eigentlich sagen wollte
ja –, offensichtlich keine Einigkeit besteht. Warum gibt es zum Beispiel zu der Frage der Fachhochschulentwicklung heute keine Unterrichtung? Warum gibt es zu der Frage des Hochschulpaktes heute keine Unterrichtung? Oder wo wird dieses Haus über die Maßnahmen unterrichtet, die Herr Rüttgers als Ministerpräsident gestern angekündigt hat, wie Sie der Wirtschaftskrise hier in Nordrhein-Westfalen entgegenwirken wollen?
Die Wahrheit ist doch, dass über diese Themen offensichtlich zwischen Ihnen in der Koalition und den sie tragenden Fraktionen keine Einigkeit besteht. Deshalb wird heute so getan, als gäbe es ein dringendes Bedürfnis, zu den Folgen des demografischen Wandels zu diskutieren. Vor allen Dingen wird so getan, als wäre es notwendig, eine Bilanz zu ziehen – eine dürre Bilanz eines Jahres, das der Ministerpräsident als das Jahr des Miteinanders der Generationen ausgerufen hat. Diese Bilanz ist ja noch schlimmer als die des Jahres gegen Kinder, das der Ministerpräsident einmal ausgerufen hat.
Wenn Sie der Auffassung sind, dass man sich den Sketch Dinner for One dieses Jahr einmal unter dem Demografieblick angucken sollte, dann verstehe ich insbesondere Ihre letzten Hinweise, dass das Jahr noch nicht zu Ende ist und mit dem Jahr des Miteinanders der Generationen noch nicht alles getan ist, was diese Landesregierung auf der Pfanne hat, so, dass ich insbesondere den letzten Satz dieses Sketches so sehen darf, wie ihn der Butler sagt: I do my very best. – Herr Laschet, das nächste Mal, wenn Sie uns darüber berichten, will ich aber wirklich hier das „very best“ hören und nicht solche dürren Sachen.