Das wissen Sie. Davor haben Sie natürlich panische Angst, auch die Kollegen auf den Regierungsbänken. Die wissen ja gar nicht mehr, wie es weitergeht. Sie möchten gerne weiterregieren, aber dabei ist ja ein Risikofaktor. Deshalb möchten Sie über eine solche Diskussion, die Sie hier vom Zaun brechen, zum jetzigen Zeitpunkt bereits Koalitionsverhandlungen einschränken und sagen: Der darf nur mit der, der darf nur mit dem, der darf nur mit dem.
Wir schauen uns am Wahlabend das Wahlergebnis an. Dann fragen wir – das sage ich Ihnen ganz ehrlich –: Mit wem können wir eine verlässliche, gute Politik auf der Basis eines miteinander verabredeten und vereinbarten Koalitionsvertrages für fünf Jahre machen? Mit wem können wir dann zusammenarbeiten? Den schauen wir uns an. Mit dem werden wir im Übrigen – ich komme zum Schluss – Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin wählen. Anders als in Hessen wird das hier nämlich funktionieren. – Herzlichen Dank.
(Lang anhaltender lebhafter Beifall von der SPD – Die Mitglieder der SPD-Fraktion erhe- ben sich von ihren Plätzen. – Anhaltender Beifall von den GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Moron. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Priggen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als erstes möchte ich sagen: Ein solches Ausmaß an Heuchelei in Teilen der Debattenbeiträge habe ich noch nie erlebt; Herr Kollege Moron hat das schon angesprochen.
Herr Kollege Dr. Papke, auch ein solches Maß an Demagogie wie von Ihnen vorgebracht habe ich noch nicht erlebt.
Ich war auf die Debatte total gespannt. Ich habe mich gefragt, ob es bei der Debatte wirklich um eine Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus geht, ob es eine Auseinandersetzung über die Linke ist oder ob es der zu durchschauende und dünnhäutige Versuch ist, die Geschehnisse in Hessen auszunutzen und Stimmung und Propaganda gegen die SPD zu machen. Das war die Frage.
Herr Dr. Papke, vor allen Dingen im zweiten Teil ist es genau in diese Richtung gelaufen. Das war eindeutig. Es wurde überhaupt nicht der Versuch gemacht, sich damit auseinanderzusetzen, sondern es war – Herr Moron hat es zum Schluss benannt – der spürbare Angstschweiß.
Um das einmal klar zu sagen: Sie haben doch keine Regierungskoalition, die von zwei Parteien getragen ist. Sie sind drei Parteien: die Ellenbogenpartei, die Partei der Besserverdienenden und ein kleiner Teil der CDU. Der Rest muss das mitmachen.
Wir haben nach der hessischen Landtagswahl die gleiche Debatte geführt. Es gab damals wenigstens noch einen aktuellen Grund. Eine vorher gegebene Zusage wurde gebrochen. Damals haben Sie schon den Mantel der Geschichte durch die Diskussion wehen lassen.
Schauen wir uns einmal die Geschichte der Partei Die Linke in der Bundesrepublik Deutschland an. Herr Kollege Moron hat zu Recht gerade die FDP angesprochen: Sie hat sich zwei Blockflötenparteien einverleibt. Und, Herr Dr. Papke: Sie sitzen in diesem Landtag, weil Herr Möllemann einen Wahlkampf mit antisemitischen Vorurteilen geführt hat.
Sie legen die moralische Latte immer so hoch und scheitern dann in der persönlichen Frage ganz eindeutig.
Nähern wir uns einmal der Frage, warum es die Linke hier gibt. Sie hätten die Diskussion führen müssen, als Herr Wowereit in Berlin die erste Koalition begonnen hat. Damals wurde sie nicht geführt. Dann hat er die zweite Koalition mit dieser Partei begonnen. Auch damals wurde die Diskussion nicht geführt. Es gibt viele kommunale Koalitionen auch mit der Zusammenarbeit zwischen CDU und Linken. In keinem Fall wurde die Diskussion geführt. Jetzt führen Sie diese Diskussion. Warum führen Sie sie
Von Ihrer Seite ist kein Wort über die Realität in Bezug auf Die Linke in diesem Land gefallen, die sich anhand der tatsächlichen Entwicklung zeigt. Die Gründe dafür, warum die Partei Zulauf hat, sind nicht angesprochen worden. Ich teile Ihre Beschreibung, wonach es Sektierer, Spinner und Anhänger der Trotzkischen Internationalen gibt. Das würde ich auch teilen. Die klassische Situation aber haben wir in Bochum und in anderen Orten erlebt: Die Gewerkschafter von IG Metall und ver.di gehen zu dieser Partei, weil sie von der Politik der Sozialdemokraten und der rot-grünen Bundesregierung enttäuscht waren. Diese Leute haben keine Sehnsucht nach der Stasi und nach einem Mauerbau.
Nein, das können Sie nicht unterstellen. – Sie sind von der spürbaren Ungleichgewichtigkeit in unserer Gesellschaft getrieben worden. Sie sind vom parlamentarischen Arm der Hedgefonds getrieben worden,
Herr Dr. Papke, Sie haben unsere Parteivorsitzende angesprochen. Ich will ihr an einer Stelle widersprechen. Ich habe keine Angst vor Jamaika. Vor Jamaika müssten Sie von der FDP am allermeisten Angst haben. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Ihre zutiefst unsoziale und auf Selektion angelegte Bildungspolitik, die Sie auf dem Parteitag noch einmal bestätigt haben, wäre dann überhaupt nicht mehr machbar.
Jawohl, Herr Witzel. Nicken Sie. Sie wollen das Gymnasium für die Bildungsbürger. Dann soll es eine Restschule für die Dienstleistungsgesellschaft geben, bei denen die Leute von einer Vollzeitarbeitsstelle nicht mehr leben können.
diesem Land jedes Jahr anrichten. Darüber gibt es bei Ihnen keine Diskussion. Darüber, nach vier Schuljahren entscheiden zu müssen, ob Kinder studieren oder ein Handwerk erlernen oder in einen anderen Beruf gehen sollen, gibt es bei Ihnen keine Diskussion. Das unterstützen Sie, und das ist zutiefst unsozial.
Das können Sie bei Jamaika mit Sicherheit nicht mehr machen. Das hat Herr Kollege Moron auch schon angesprochen. Insofern kann ich es nur wiederholen.
An den Hochschulen selektieren Sie über Studiengebühren. Sie wissen genau: Leute, die zwar einigermaßen vernünftig verdienen, aber zwei oder drei Kinder in der Ausbildung haben, gehen dadurch finanziell in die Knie. Sie können das Geld nicht aufbringen. Das wissen Sie genau. Anstatt mehr Leute an die Hochschulen zu locken, um mehr gut ausgebildete junge Menschen zu bekommen, betreiben Sie Ihre zutiefst unsoziale Politik.
Der Bildungsminister ist nicht da. Ich weiß nicht, ob er solche Angst vor der Linken hat, dass er schon im Regierungsbunker in Ahrweiler sitzt. Auf der einen Seite zu sagen, wir benötigen in den Ingenieurwissenschaften mehr Absolventen, aber auf der anderen Seite an den Fachhochschulen keine Politik gegen die Studienabbrecherquote von 50 % zu betreiben, ist auch zutiefst unsozial.
Es geht hier um die Frage, wie man sich gemeinsam bemühen könnte, die Menschen zurückzuholen, die die Schimäre Linke wählen. Ich teile alles, was Herr Moron über die Regierungsfähigkeit dieser Partei gesagt hat. Wenn ich mir das Programm anschaue, so gibt es vielleicht einen Punkt, der nicht völlig gaga ist, den ich aber auch nie mitmachen würde. Ich will ihn jetzt gar nicht erwähnen. Der Rest ist aber qualitativ unsäglich. Eine Partei, die eine Urabstimmung durchführen muss, bevor sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen kann, das ist so, als ob eine Gewerkschaft eine Urabstimmung darüber durchführt, ob sie Tarifverhandlungen aufnehmen will. Das alles hat mit der Realität nichts zu tun.
Ich halte es aber für falsch, jetzt über Ihr Stöckchen zu springen und zu sagen, man schließt das aus, und so Ihrem Angstschweiß nahezukommen.