Protocol of the Session on November 13, 2008

Da bin ich beim zweiten Punkt: Wir verfolgen einfach eine andere Philosophie, eine andere Ordnungspolitik als Sie. Schon bei der Einführung von Studienbeiträgen haben wir nicht auf eine landesgesetzlich einheitliche Lösung gesetzt, sondern haben der einzelnen Hochschule, der einzelnen

Hochschulgemeinde die Freiheit eröffnet, zu entscheiden, ob sie Beiträge erheben will und in welcher Höhe.

Deshalb passt es systematisch nicht dazu, jetzt eine Detailvorgabe zu formulieren, in welcher Weise hier berichtet werden soll. Sie waren ja immerhin so fair, Herr Schultheis, zu sagen, dass es Standorte gibt, die auch in vorbildlicher Weise über die Verwendung berichten.

Ich biete Ihnen an, dass wir gemeinsam diese BestPractice-Beispiele bekannt machen. Dazu sind wir gerne bereit. Wenn ich das richtig sehe, dann ist das Ministerium auch schon darum bemüht, diese besten Beispiele im Land bei den Hochschulen bekannt zu machen.

Wo wir Ihnen nicht folgen werden, ist, eine andere Hochschulphilosophie wieder durch die Hintertür hier in Nordrhein-Westfalen einzuführen, nämlich Ihre Philosophie der Planung, der Verwaltung von Düsseldorf aus. Das wollen wir nicht mehr. Das hat sich nicht bewährt. Wir setzen auf dezentrale Lösungen, auf die Kreativität und die Innovationskraft, die damit verbunden ist. Und wir glauben, dass wir unseren Hochschulen damit einen Dienst tun.

Das zeigt sich doch jetzt daran, dass von Bayern der Ruf ausgeht, dass an den dortigen Hochschulen endlich die Regelungen des nordrhein-westfälischen Hochschulfreiheitsgesetzes auch anwendbar werden. Das waren die Wünsche der Rektoren der bayerischen Hochschulen an die neue bayerische Staatsregierung: Gebt uns das nordrheinwestfälische Hochschulfreiheitsgesetz; das brauchen wir auch! – Wann hat es das zuletzt gegeben, dass die süddeutschen Länder einmal etwas von Nordrhein-Westfalen übernehmen wollen?

(Karl Schultheis [SPD]: Wer hat denn da ge- rufen?)

Das wollen wir uns nicht zunichte machen lassen. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hollstein, natürlich können wir ins Internet gucken. Natürlich wissen wir auch, dass es Prüfgremien gibt, und wir wissen auch, wie sie besetzt werden. Aber wir bekommen auch sehr viele Briefe.

Aber – und das ist die Steigerung –: Wir bekommen auch Petitionen, in denen zum Ausdruck kommt, zum Beispiel von der Universität Köln, dass es viel

zu langsam geht, dass die Fälle nicht in der richtigen Zeit bearbeitet werden können und dass es einfach nicht funktioniert. Die Studiengebühren werden dann auch nicht zurückgezahlt, obwohl das vielleicht nötig wäre. Ist Ihnen das eigentlich bewusst?

(Zuruf von Jürgen Hollstein [CDU])

Aus unserer Sicht ist die Bilanz der Studiengebühren – auch zwei Jahre nach ihrer Einführung – verheerend. Inzwischen wird auch von niemandem mehr bestritten, lieber Herr Lindner, dass Studiengebühren junge Menschen

(Jürgen Hollstein [CDU]: Ich bestreite das!)

davon abschrecken, ein Studium aufzunehmen.

(Christian Lindner [FDP]: Ich bestreite das!)

Nein. – Lediglich hinsichtlich des Ausmaßes gibt es hier unterschiedliche Einschätzungen. Doch unabhängig davon, ob es 10.000, 5.000 oder 2.000 sind, die abgeschreckt werden, können wir es uns nicht erlauben, auf eine einzige Bewerbungsreserve zu verzichten.

(Christian Lindner [FDP]: Vielleicht prüfen die sich besser!)

Eine Politik, die stattdessen Zugangshürden aufbaut, verbaut nicht nur individuelle Zukunftschancen, sondern ist auch angesichts des Fachkräftemangels, den wir vor Kurzem noch in einer großen Anhörung diskutiert haben, ein Desaster, ein Desaster für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann das auch durch die jüngsten Zahlen untermauern. 2002 gaben 27 % der Abiturienten und jungen Menschen mit Fachhochschulreife an, nicht studieren zu wollen. Vom Abiturjahrgang 2006 war dies mit 32 % bereits nahezu jeder Dritte. Diese Tendenz habe sich auch 2007 fortgesetzt, hält uns noch am vergangenen Sonntag der Präsident des Studentenwerkes, Rolf Dobischat, vor. Und Sie bestreiten das immer noch.

Da folgt eine Studie auf die andere, die mit solchen Zahlen arbeitet, und Sie sagen: Ich persönlich glaube das aber nicht. – Ich finde, das ist die traurige Bilanz Ihrer Privat-vor-Staat-Politik, Herr Minister Pinkwart. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Schülerinnen und Schüler die Hochschulreife erworben, doch immer mehr entscheiden sich inzwischen gegen ein Studium. Wir haben unsere Zahlen ausgetauscht; Sie haben ja eben gesagt, unsere Zahlen seien seriös, Herr Lindner.

(Zurufe von Minister Dr. Andreas Pinkwart und Christian Lindner [FDP])

Und, was noch schlimmer ist, ist dabei die offensichtliche soziale Schieflage. Während 70 % der Abiturienten aus Akademikerfamilien bereits ein

halbes Jahr vor ihrer Reifeprüfung bei Umfragen nahezu selbstverständlich eine feste Studienabsicht bekunden, gilt dies nur für 55 % der Schülerinnen und Schüler aus Nicht-Akademikerinnenfamilien.

Einen deutlicheren Beweis für das Versagen Ihrer schwarz-gelben Regierung bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels kann es aus unserer Sicht kaum geben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei brauchen wir zukünftig mehr gut ausgebildete Akademikerinnen und Akademiker, wenn wir den Herausforderungen der Wissensgesellschaft begegnen wollen, doch diese Landesregierung entwickelt hier offensichtlich keine Zukunftskonzepte.

(Christian Lindner [FDP]: Kommen Sie auf das Thema zurück!)

Mehr noch: In den vergangenen beiden Jahren häufen sich dann eben auch erschreckende Meldungen über die Verwendung dieser sogenannten Studienbeiträge. Es zeigt sich, dass ein großer Teil der Gebühren nicht zur Verbesserung der aktuellen Studienbedingungen, sondern für Verwaltungskosten, für Rücklagen oder für die Weiterfinanzierung bereits bestehender Angebote zweckentfremdet wird.

(Jürgen Hollstein [CDU]: Stimmt doch nicht!)

Diese Berichte erreichen uns vonseiten der Studierenden immer wieder.

(Christian Lindner [FDP]: Beispiele! Nennen Sie einmal einschlägige Beispiele!)

Obwohl die Hochschulen seit zwei Jahren Studiengebühren kassieren, hat sich an den Studienbedingungen nichts Substanzielles verbessert.

(Christian Lindner [FDP]: Nennen Sie Bei- spiele!)

Ein Teil der Einnahmen fließen in den Ausgleichsfonds der NRW.BANK, und ein weiterer großer Teil wird für die Verwaltung der Gebühren aufgewendet. Der große Rest versickert im System.

Frau Kollegin Dr. Seidl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schultheis?

Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Kollegin Dr. Seidl, halten Sie es für einen sachgerechten Einsatz von Studiengebühren, dass in dieser Woche in der Uni

versität Bonn beschlossen worden sein soll, für 600.000 € die Toiletten sanieren zu lassen?

(Christian Lindner [FDP]: Das ist da auch bit- ter nötig! Ich weiß das! Ich habe da studiert!)

Ich habe den Brief einer entsetzten Studierenden aus Bonn bekommen, der genau diesen Inhalt hat. Ich brauche das also nicht zu bestätigen. Anscheinend weiß Herr Lindner auch Bescheid.

(Christian Lindner [FDP]: Ich weiß, wie die Toiletten dort sind, weil ich da studiert habe! Das ist bitter nötig!)

Die Frage ist nur, ob dafür Studiengebühren verwendet werden sollen. Wir meinen, nein!

Die von Ihnen bei Studentenwerk und Stifterverband in Auftrag gegebene Studie bemängelt im Übrigen die fehlende Transparenz bei der Verwendung der Studiengebühren insbesondere gegenüber den Studierenden. Das ist Ihre Studie, von der Sie gesagt haben, dass sie in Ordnung sei und dass man mit ihr umgehen könne.

Die Studie besagt auch, dass es im Senat offensichtlich nicht genügend Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten der Studierenden bei der Entscheidung gibt, wohin die Gelder fließen sollen.

Darüber hinaus haben die befragten Prüfungskommissionen laut der Aussage des Stifterverbands und des Studentenwerks keinen klaren Auftrag vom Land erhalten. Der Punkt ist doch gerade, dass sie einen Auftrag haben wollen, und das hat nichts, aber auch gar nichts mit Bürokratie zu tun hat.

Zieht man einen Schlussstrich unter dieses unsägliche Kapitel, kann man zusammenfassend nur feststellen: Die Studiengebühren von Schwarz-Gelb waren an keiner, aber auch an gar keiner Stelle eine Erfolgsmeldung wert. – Herzlichen Dank.