Zweitens. Herr Wirtz, durch die Leidenschaft, mit der Sie dieses Gesetz beraten haben, ist klar geworden, dass Ihnen die Fantasie, vielleicht sogar die Kompetenz fehlt – in dem Falle sind nicht Sie
angesprochen –, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Herausforderung an den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen und die Interessen der Beschäftigen des Landes so aufgegriffen werden können, dass wir ein modernes Konzept entwickeln, damit einerseits eine effektive und leistungsfähige Verwaltung existiert, der aber auch eine gerechte Bezahlung und eine gerechte Arbeitszeit gegenüberstehen.
Drittens. Was Sie, Herr Wirtz, in diesem Zusammenhang völlig verschwiegen haben, ist der eklatante Wortbruch, den die CDU hier im Lande begangen hat. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als wir die Befristung bei der Verlängerung der Arbeitszeit und der Kürzung der Sonderzahlen hier im Lande beraten und richtigerweise, weil es ihre Interessen betrifft, viele Tausend Beamte vor dem Landtag dagegen demonstriert haben. Da ist Ihr Anführer, der Möchtegernarbeiterführer Nordrhein-Westfalens, Jürgen Rüttgers, rausgegangen und hat zu den Beamtinnen und Beamten sinngemäß gesagt: Mein Name ist Jürgen-ich-werde-allesbesser-machen-Rüttgers.
Was Sie besser gemacht haben, sehen wir heute. Sie manifestieren eine Kürzung der Sonderzahlung und eine Verlängerung der Arbeitszeit auf Dauer für die Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Kruse. Das ist die Tatsache.
Jetzt sage ich Ihnen, worin der Unterschied zwischen uns beiden besteht und wie groß der Wortbruch ist, den Sie persönlich, Herr Kruse, begangen haben. Wir haben den Beamtinnen und Beamten in Nordrhein-Westfalen in der Tat sehr viel abverlangt,
und zwar in einer Phase, in der der Landeshaushalt mit deutlich weniger Steuereinnahmen gesegnet war.
Sie aber tun dies in einer Phase, in der Sie 7 Milliarden € mehr an Steuern einnehmen, ungeprüft und durch die Hintertür. Wenn Sie das festschreiben, Ihren Wortbruch manifestieren und das noch als Bürokratieabbau bezeichnen, so ist das gegenüber den Beamtinnen und Beamten im Lande nicht anderes als zynisch.
Einem A-7-Beamten der Justizvollzugsanstalt, der verheiratet ist, zwei Kinder hat, weniger als 2.000 € netto im Monat verdient und in Wechselschicht arbeitet, haben wir zugemutet, auf 30 % seines Weihnachtsgeldes zu verzichten. Wir haben dem B-5
Beamten drüben in der Staatskanzlei allerdings zugemutet, auf die Hälfte zu verzichten. Das war unser Verständnis von Beteiligung der Beamtinnen und Beamten in diesem Land an der Haushaltskonsolidierung, aber ohne Ungerechtigkeiten einzuführen und einzelne zu überfordern.
Sie, Herr Kruse und Kollegen, haben nicht nur Wortbruch begangen, indem Sie draußen gestanden und erklärt haben, Sie würden das rückgängig machen. Nein, Sie haben das noch verschlimmert. Sie haben bei den A-7-Beamten – ich wiederhole es: weniger als 2.000 € netto pro Monat, in Wechselschicht, verheiratet, zwei Kinder – die Sonderzahlungen von 70 auf 45 % gekürzt. Das, meine Damen und Herren, ist Ihre Vorgehensweise in Sachen Bürokratieabbau, wie es Herr Wirtz gerade genannt hat.
Was wir dagegen setzen, ist – auch natürlich vor dem Hintergrund angespannter öffentlicher Haushalte in Land und Kommunen – die Überlegung, wie man in Nordrhein-Westfalen ein modernes Dienstrecht einführen kann, mit dem es erstens gelingt, den Beamtinnen und Beamten in diesem Land die längere Arbeitszeit gutzuschreiben – Stichwort: Lebensarbeitszeitkonten –, sodass sich für diejenigen, die heute in der Woche länger arbeiten müssen, die Lebensarbeitszeit verkürzt und sie somit nicht schlechter gestellt werden als die Angestellten. Zweitens wollen wir endlich eine Dienstrechtsreform einführen, die es Leistungsträgern in den Verwaltungen auch ermöglicht, mehr zu verdienen als diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die vielleicht nicht mehr so leistungsfähig sind.
Sie hingegen versuchen durch die Hintertür, Kürzung und Wortbruch gegenüber den Beamtinnen und Beamten dauerhaft festzuschreiben. Das ist ein Zeichen dafür, dass Sie Beamte als Kostenfaktor mit zwei Ohren betrachten. Das tun wir nicht. Wir haben in den Beratungen dazu konkrete Vorschläge gemacht.
Ich möchte Ihnen raten: Nehmen Sie den Gesetzentwurf zurück und lassen Sie uns das Thema ordentlich bearbeiten. – Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, ich habe mich eben gefragt, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie geredet haben. Ich habe das Gefühl, das wollten Sie schon immer einmal sagen. Denn eigentlich ist der Inhalt ein völlig anderer. Wir reden heute doch über das Gesetz zur Änderung der ge
setzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums. Oder sind wir schon bei Tarif- und Gehaltsverhandlungen? – Keine Ahnung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit dem Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums tragen wir der aus unserer Sicht fortbestehenden Notwendigkeit Rechnung, den Bestand des geltenden Landesrechtes auf seine Erforderlichkeit und Effektivität hin zu überprüfen.
Lassen Sie mich zunächst auf die allgemeine Notwendigkeit einer generellen Befristung von Landesrecht hinweisen. Nicht immer ist diese Notwendigkeit in der Öffentlichkeit hinreichend gewürdigt worden. So war vor Kurzem auf den Internetseiten des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zu lesen, mit der Einführung von Befristungen traue der Gesetzgeber seiner eigenen Rechtsetzung nicht über den Weg und regele lediglich das, was das Parlament ohnehin jederzeit beschließen könne, nämlich die Aufhebung oder Änderung geltenden Rechts.
Diese Erwägungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, greifen zu kurz. Das Recht hat die Aufgabe, das gedeihliche Zusammenleben der Menschen zu ordnen. Insofern bestehen jedoch gerade unter Zugrundelegung eines der Aufklärung und dem Liberalismus verpflichteten Menschenbildes zahllose Bereiche, nämlich alle außerhalb des Kernbereichs staatlichen Handels, in denen dieses Zusammenleben auch ohne staatliche Regulierung auf Grundlage sozialer Strukturen reibungslos zu funktionieren in der Lage ist.
Insofern leidet auch unser Land Nordrhein-Westfalen unter einem Zustand der chronischen Überregulierung, dem gerade wir Liberale stets entschieden und entschlossen entgegengetreten sind.
Wie Sie, verehrte Damen und Herren, sicherlich auch nur zu gut wissen, drängt sich eine Handlungsnotwendigkeit für das Parlament in zahllosen Bereichen gar nicht erst auf, da vielfach aktuellere oder tagespolitisch relevantere Bereiche die politische Diskussion bestimmen.
Werden Gesetze indessen befristet, so besteht für das Parlament die fortlaufende Notwendigkeit, die vorhandenen Regelwerke immer aufs Neue zu überprüfen. Dabei haben wir zu bewerten, ob die damals bejahte Regelungsnotwendigkeit weiter besteht oder ob sich gegebenenfalls konkreter Änderungsbedarf ergeben hat.
Die FDP-Fraktion begrüßt daher den Ansatz, Rechtssätze regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und den Kanon des Rechts dort zu verschlanken, wo er sich verselbstständigt hat und zu nicht viel mehr als zu selbsterhaltender Bürokratie degeneriert ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch im Einzelnen trägt das hier zur Beratung stehende Gesetz der Notwendigkeit einer Entbürokratisierung Rechnung. Ich möchte dazu auf zwei kurze Beispiele zurückgreifen.
So bietet es unter anderem die Möglichkeit, das Landesbeamtengesetz an die verfassungsrechtliche Rechtslage anzupassen, indem wir für die Einstellung und Beförderung leitender Beamter eine Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Probe vorsehen. Insoweit wird entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sichergestellt, dass Qualität und Struktur der Verwaltung in NRW künftig höchsten Ansprüchen gerecht werden, indem nur derjenige Leitungsbeamte in das Lebenszeitverhältnis aufgenommen wird, der zuvor als Probebeamter seine Leistungsfähigkeit und Kompetenz bewiesen hat.
Durch die Änderung des Versorgungslastenverteilungsgesetzes – auch ein furchtbarer Begriff – bewirken wir zum Beispiel, dass die überholte Regelung des alten § 107 b Bundesbeamtengesetz modernen Erfordernissen angepasst werden kann. Waren nach bisheriger Rechtslage Dienstherrenwechsel faktisch dadurch erschwert, dass die Pflicht zur Kostentragung lediglich einem der Dienstherren oblag, bietet die nunmehr vorgesehene Verteilung zwischen den Dienstherren Anreize, den Wechsel des fachlich qualifizierteren Beamten in andere Bereiche der Landesverwaltung zu ermöglichen und zu fördern, was zudem den Erfahrungsschatz der wechselnden Beamten bereichert und somit letztlich positiv auf ihre konkrete Amtsführung rückkoppelt.
Das Befristungsgesetz ermöglicht einen schlankeren Regelungskanon und einen in concreto effektiveren Personaleinsatz. Ich werbe dafür, dass Sie heute mit uns gemeinsam diesen Weg gehen. – Vielen Dank.
(Beifall von FDP und CDU – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Lassen Sie sich von Frau Sommer im Vorlesen coachen!)
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, ich möchte die Debatte kurz unterbrechen. Sie werden gesehen haben, dass auf unserer Besuchertribüne Ehrengäste Platz genommen haben. Sie wissen, wir haben heute einen Parlamentarischen Abend zu Ehren der Republik Polen.
Wir freuen uns sehr, im Namen des Hohen Hauses den Marschall der Woiwodschaft Schlesien begrüßen zu können, der mit einer Delegation von Abgeordneten des Sejmik aus Kattowitz angereist ist. Herzlich willkommen, Herr Marschall Boguslaw Smigielski!
Ebenso herzlich begrüßen wir aus dem Warschauer Sejm den Vorsitzenden der polnisch-deutschen Parlamentariergruppe. Herzlich willkommen, Jan Rzymelka und Frau Rzymelka!
Ich wünsche Ihnen allen, die Sie heute hier sind, eine gute und interessante Zeit in NordrheinWestfalen. Ich hoffe, dass Sie viel Freude am heutigen deutsch-polnischen Abend hier im Landtag haben werden.
Ob wir die Zeit einhalten und unsere Sitzung bis 20 Uhr beenden können, das hängt von der Diskussionsfreude dieses Parlaments ab und nicht vom Parlamentspräsidenten.
Ich hoffe, Sie werden heute Abend gute Gespräche führen können. Ich hoffe auch, dass dieser Abend und Ihr Besuch bei uns dazu beitragen, die jetzt schon sehr guten Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen weiter zu vertiefen und fortzuentwickeln. Seien Sie herzlich willkommen! Vielen Dank, dass Sie da sind.