Protocol of the Session on November 12, 2008

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Motto „Schnelligkeit vor Genauigkeit“ brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 29. Oktober im Ausschuss für Bauen und Verkehr Anträge zum Haushaltsplan für das Jahr 2009 ein, die ein Volumen von fast 2 Milliarden € ohne ausreichende Deckung beinhalteten.

Mittlerweile sind diese im Eilverfahren zusammengeschusterten Anträge konkretisiert. Da hebt sich die sachliche Argumentation des Kollegen Priggen im Plenum sehr wohltuend von der des Kollegen Becker im Ausschuss ab. Das Paket beinhaltet ein sogenanntes Zukunftsinvestitionsprogramm in Höhe von 1,6 Milliarden €, welches ausschließlich kreditfinanziert ist und nach Aussage der Antragsteller den Landeshaushalt für die Dauer von 20 Jahren mit jährlich 120 Millionen € belasten würde.

Insbesondere aus der Erfahrung der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wissen wir, dass die damals noch als richtig erkannte Politik des DeficitSpendings eine wesentliche Ursache der hohen Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden ist. Kreditfinanzierte Konjunkturprogramme brauchen Kofinanzierungen und eine Anschubzeit, um Wirkung zu erlangen. Sie wirken in der Regel zu spät und erzielen dann den meist gegenteiligkontraproduktiven Effekt.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen trägt wesentlich Mitverantwortung für den im Jahr 2005 von der CDU/FDP-Koalition übernommenen Schuldenberg in Höhe von über 113 Milliarden €.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Die größten Zuwachsraten stammen aus der Zeit von 1995 bis 2005. Der Kollege Laumann hat das in seinem Redebeitrag heute Mittag sehr eindrucksvoll verdeutlicht.

Wir haben die Absicht, den finanziellen Konsolidierungskurs fortzusetzen, die Nettokreditaufnahme weiter zu verringern und zu einem ausgeglichenen Landeshaushalt zu kommen. Vor diesem Hinter

grund ist der der Beratung zugrundeliegende Antrag nicht nachhaltig, sondern konzeptionell verschwommen, inhaltlich nicht ausreichend bestimmt und finanzpolitisch nahezu verantwortungslos.

Ich möchte mich im Wesentlichen auf die Vorschläge beziehen, die bereits in der Sitzung des Ausschusses für Bauen und Verkehr vorgelegt worden sind. Bei diesen geht es im Rahmen der energetischen Erneuerung insbesondere um Wohnungen und andere, meist öffentliche Gebäude:

Der Einzelplan 14 des Landeshaushalts für das Haushaltsjahr 2009 in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung zeigt, dass der Wohnungsbau und die Verkehrsinfrastruktur sehr deutlich von den gestiegenen Steuereinnahmen profitieren. Das Volumen für das Wohnraumförderungsprogramm 2009 beziffert sich auf 840 Millionen € für Maßnahmen im Neubau und im Bestand. Mit diesem Geld kann auch 2009 die erfolgreiche Politik von NRW auf einem bundesweit einmalig hohen Niveau mit besonderen Schwerpunkten fortgesetzt werden. Diese Schwerpunkte sind die Wohneigentumsförderung insbesondere für junge Familien, Maßnahmen der Wohnraumförderung aufgrund von Notwendigkeiten des demografischen Wandels, Sanierung der Wohnungsbestände, Herstellung von Barrierefreiheit sowie Verbesserung der Energieeffizienz. Gerade die Energieeinsparung in den Wohnungsbeständen aus den 60er- und 70er-Jahren trägt zu einer spürbaren Minderung der Nebenkosten bei und verhilft den privaten Haushalten zu mehr Konsummöglichkeiten. Parallel laufende Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau tragen dazu bei, die positiven Effekte im Lande zu verstärken. Durch die notwendigen privaten Kofinanzierungen wird insgesamt ein Investitionspaket von mehreren Milliarden Euro auf den Weg gebracht.

Zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass durch die Novellierung des Wohngeldrechts zum 1. Januar 2009 insbesondere auch die Lebenssituation von Rentnern sowie Geringverdienenden verbessert wird und den betroffenen Haushalten durch die Steigerung von bisher 90 auf künftig durchschnittlich 142 € pro Monat sowie eine neue Heizkostenkomponente mehr Geld für den Konsum zur Verfügung stehen wird.

Bund und Land sind sich einig – dafür gibt es deutliche Signale –, dass das Programm für die energetische Erneuerung öffentlicher Gebäude, insbesondere für Schulen und Kindergärten, im nächsten Jahr fortgesetzt werden muss, weil bereits die erste Auflage des Programms in diesem Jahr eine enorme Nachfrage und einen hervorragenden Wettbewerb um die besten Konzepte für Gebäudesanierung auf Passivhausniveau gebracht hat. Der Entwurf des Landeshaushalts sieht gegenüber 2008 eine Steigerung von 47 Millionen € für dieses Programm und für Instandhaltungsaufwendungen des Bau- und Liegenschaftsbetriebes vor.

Das Land steht des Weiteren vor Verhandlungen mit dem Bund hinsichtlich der Umsetzung des vom Bundeskabinett am 5. November 2008 beschlossenen Maßnahmenpakets zur Stabilisierung der Konjunktur. Obwohl heute noch nicht klar ist, wie dieses Paket ausgestaltet wird, ist aber überaus klar, dass auch Nordrhein-Westfalen gravierende Haushaltsauswirkungen in Kauf nehmen muss, die ein eigenes Programm weder rechtfertigen noch zulassen. Das ist bereits im Bereich der Stadterneuerung gang und gäbe, weil das Land nicht in der Lage ist, neben der Kofinanzierung von Bundesprogrammen wie „Soziale Stadt“ oder „Stadtumbau West“ noch eigene Programme aufzulegen. Insofern werden wir uns finanziell auf die Kofinanzierung des Bundesprogrammes zur Stärkung der Konjunktur konzentrieren müssen, ohne daneben ein eigenes Programm laufen lassen zu können.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in puncto Energieeffizienz und der damit verbunden Einsparung von Energie positive, richtige und gute Ansätze vorhanden sind. Diese Maßnahmen werden aber auf eine unseres Erachtens finanzpolitisch unseriöse und nahezu verantwortungslose Grundlage gestellt, die den Begriff der Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang nicht rechtfertigt. Deswegen: Volle Bereitschaft zur Diskussion der Maßnahmen, aber in einem Rahmen, der finanzpolitisch seriös ist und in den finanzpolitischen Rahmen der Landesregierung passt. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulte. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Groschek das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schulterklopfen der Union hilft nicht weiter. Wir werden uns bei der Abstimmung zu diesem Antrag gleich enthalten, nicht, weil wir ihn inhaltlich als korrekturbedürftig ansehen, sondern weil uns die Finanzierung nicht plausibel erscheint. Wir hätten es besser gefunden, statt einer direkten Abstimmung heute eine Abstimmung nach den Haushaltsberatungen bzw. im Verlaufe der Haushaltsberatungen – auf jeden Fall nach der Steuerschätzung – vorzunehmen. Das hätte uns die Zustimmung möglicherweise erleichtert. Inhaltlich ist es, wie gesagt, der richtige Fingerzeig.

Man kann diese Regierung und diese Landtagsmehrheit nach einem Hinweis, wie er gerade beispielsweise wieder einmal gekommen ist, nicht einfach laufen lassen. Wir haben eine Klima-, eine Finanz-, eine Sozial- und womöglich auch eine Realwirtschaftskrise, die im Grunde genommen vier unterschiedliche Phänomene mit einem Ursachenbündel ausmacht. Deshalb muss der Landtag dar

über reden, dass er an die Problemlösungen integrativer herangeht, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Wir haben dem Landtag dazu einen Klimaausschuss als Querschnittsausschuss vorgeschlagen und darüber hinaus ein Klimakabinett eingefordert. Jetzt kommt eine ganz spannende Geschichte: Sie haben das damals höhnisch und hämisch abgelehnt; das sei typischer Quatsch der Sozialdemokratie. Für morgen haben Sie eine Aktuelle Stunde beantragt, mit der Sie Ihre bisherige Handlungsunwilligkeit und Sprachlosigkeit auf dem Feld des Klimaschutzes dadurch krönen, dass Sie den Kampf gegen die Windmühlen fortsetzen: gegen die Einbeziehung aller in den Emissionshandel. Das ist im Grunde ein Stück aus dem Tollhaus. Selbst die Gewerkschaften, die Sie in Ihrem Boot glaubten, haben Ihnen gesagt: Mit uns nicht! Spielen Sie alleine weiter Don Quichotte. Wir geben uns nicht als Sancho Panza her. – Deshalb ist die morgige Aktuelle Stunde der wirkliche Ausdruck Ihres klimapolitischen Verständnisses und kann nicht in dieses finanzpolitische Korsett abgeschoben werden.

Im Zusammenhang mit den klimapolitischen Perspektiven muss man dieser Landesregierung unter die Nase reiben, dass sie den Status als Energieland Nummer eins verspielt hat. Sie behindern massiv das Repowering der Windkraft. Das ist verantwortungslos. Wir stehen dafür, die 100-mBlockade aufzulösen. Nordrhein-Westfalen ist unter anderem erfolgreich durch Export.

(Ralf Witzel [FDP]: Nicht am Markt, nur durch Subventionen!)

In 2007 haben wir Exportzuwächse von 9 %. Die Inlandsunternehmen haben damals schon 3,5 % ihrer Arbeitsplätze abgebaut. Nordrhein-Westfalen hat nur durch einen Zuwachs bei den Exportunternehmen in Höhe von 2 % einen positiven Beschäftigungssaldo erreicht hat. Nordrhein-Westfalen ist Weltmarktführer unter anderem beim Windkraftanlagenbau. Wir bestreiten 50 % des US-Marktes mit Windkraftanlagen.

(Ralf Witzel [FDP]: Staatssubventionen!)

Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo in den Vereinigten Staaten durch Obama die Energiewende eingeläutet wird, verabschieden Sie sich fahrlässig von diesem Exportmarkt Nummer eins. Das ist verantwortungslos!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Genauso offenbar ist das in Brandenburg. In der Lausitz wird das größte Solarkraftwerk gebaut, 150 ha. Sie aber lamentieren nur über den Ausstieg aus der Atomkraft. Dabei ist Nordrhein-Westfalen atomkraftwerkfrei. Also haben wir im Grunde durchgängig das Prinzip Don Quichottes. Deshalb kann man konstatieren: Wir in Nordrhein-Westfalen ha

ben leider Gottes keinen Gabriel, keinen Steinbrück, noch nicht einmal eine Merkel.

(Christian Lindner [FDP]: Clement ist besser als Gabriel!)

Was uns bleibt, ist eine NRW-Ausgabe von Glos. Aber unser Glos heißt Thoben! Das ist das Drama der Wirtschafts- und Strukturpolitik in diesem Land!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Unruhe bei der FDP)

Kreisverkehr statt klarer Kurs, das ist Ihr klimapolitischer Kurs.

Ich komme zu dem anderen Investitionsteil, der von den Grünen richtig beschrieben wurde. Sie haben die Investitionsfähigkeit des Landes und damit auch der Kommunen im Grunde verspielt. Wir hatten, seit Schwarz-Gelb regiert, ein Steuerplus von 25 % auf der Einnahmeseite. Bei den Investitionen haben wir ein Minus von 20 %, was signalisiert, dass genau die ordnungspolitisch konformen Konjunktur- und Strukturimpulse von Ihnen abgeblasen wurden und in den Konsum verschwunden sind. Schuldenabbau war ja nicht Ihr Thema. Sie haben Schulden in einem Tempo aufgehäuft, das selbst uns nicht unterbieten konnte – in einer angeblich höchst rekordgefährlichen Zeit. Also: Da viel mehr Bescheidenheit!

(Beifall von der SPD)

Was ist denn Ihre Krankenhausinvestitionspauschale? Das ist doch eine Investitionsbremse, weil die Kommunen nicht mitkommen. Was ist denn Ihre Übervorteilung beim Solidarfonds gegenüber den Kommunen? Eine massive ökologische Investitionsbremse, weil die Kommunen nicht nachkommen. Also fordern wir Sie klar auf, den Weg zumindest für die Nutzung der Bundesprogramme freizumachen. Es wird auch darum gehen, ob die Kommunen im Nothaushaltsrecht die Bundesprogramme in Anspruch nehmen und dann Impulse setzen können.

(Beifall von der SPD)

Morgen werden Sie sich hier hinstellen und sagen: Wir fordern einen Klimarat, wir sind gegen den Emissionshandel in der jetzigen Form. – Wir hätten längst handeln können. Hören Sie auf, Don Quichotte zu spielen. Versuchen Sie, da anzuknüpfen, wo Arbeit und Umwelt unter Rot-Grün Markenzeichen der Landespolitik waren. Dann kommen wir einen Schritt weiter, dann werden wir bald ein Stück weit auch die Finanzprobleme überwunden haben, die Sie so vehement beschrieben haben. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil es der falsche Zeitpunkt ist, aber die Ideen richtig sind.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Groschek. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die FDP hat nun der Kollege

Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine und Herren! Es ist bemerkenswert,

(Gisela Walsken [SPD]: Die Rede, ja, die war bemerkenswert!)

wenn sich in diesen Tagen ein Mitglied der SPD hier hinstellt und vom Tollhaus redet, wo wir doch gerade sehen, welche Partei sich im Tollhaus befindet.

(Beifall von der FDP – Gisela Walsken [SPD]: Da kennen Sie sich aus!)

Insofern, Herr Kollege Groscheck, was das Klima angeht: Kümmern Sie sich weniger um das Klima im Kabinett und mehr um das Klima in Ihrer eigenen Partei!

Meine Damen und Herren, nun zum Antrag. Alle Konjunkturprogramme, ob das vom Bund – über das wir heute Morgen und auch schon in der Vergangenheit ausreichend diskutiert haben – oder das der Grünen-Fraktion – es werden derzeit ja etliche vorgelegt –, kommen letzten Endes aus dem politischen Aktionismus heraus, etwas machen zu müssen. Aber sie kommen in der Regel zu spät. Solche Programme setzen nämlich falsch an. Sie setzen auf die Nachfrageseite und entfachen allenfalls ein kurzes Strohfeuer, ohne einen nachhaltigen Wachstumsimpuls auszulösen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Das Schlimmste aber, Frau Löhrmann, ist – das ist absolut verhängnisvoll –, dass Sie die Staatsverschuldung weiter in die Höhe treiben – so wie Ihr auf Pump finanziertes Konjunkturprogramm.

Meine Damen und Herren, unzweifelhaft gehört das, was die Grünen als sogenanntes sozialökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm vorgelegt haben, in diese Kategorie. Ganz so, als ob es um die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen bestens bestellt sei, soll man mal eben 1,6 Milliarden € aus dem Landeshaushalt heraushauen, natürlich auf Pump finanziert, wie Frau Löhrmann es ja allen erklärt hat,

(Ralf Witzel [FDP]: Lächerlich!)

und natürlich zulasten unserer Kinder und Enkelkinder.