Protocol of the Session on November 12, 2008

Ich rufe damit die

Mündliche Anfrage 254

von Frau Kollegin Beer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

FDP Parteitag: Neuer Affront gegen die Gesamtschulen

Am vergangenen Samstag hat die FDP auf ihrem Parteitag beschlossen, dass ab dem Jahr 2009 keine neuen Gesamtschulen mehr genehmigt werden sollen. Die Gesamtschule ist eine im Schulgesetz verankerte Schulform, die genehmigt werden muss, wenn definierte Kriterien erfüllt sind. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP für die laufende Legislaturperiode sieht keine Veränderung hinsichtlich der Genehmigung von Gesamtschulen vor; mit einem entsprechenden Vorstoß der FDP war insofern nicht zu rechnen.

Der Bedarf nach Gesamtschulen ist in NordrheinWestfalen groß. In den vergangenen Jahren musste stets circa ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler, die in den fünften Klassen der Gesamtschule angemeldet wurden, an dieser Schulform ihrer Wahl abgelehnt werden. Aktuell gibt es in etlichen Kommunen Bestrebungen, neue Gesamtschulen zu gründen. So hat beispielsweise die Stadt Bonn aktuell die Einrichtung einer vierten Gesamtschule beantragt. Der Rat der Stadt Bad Salzuflen hat die Errichtung einer Gesamtschule beschlossen. Der Parteitagsbeschluss der FDP führt zu erheblichen Irritationen in den Kommunen und bei Elterninitiativen.

Welche Folgen hat der Beschluss des FDPParteitags für die Genehmigung von Gesamtschulen?

Frau Ministerin Sommer, Sie haben das Wort zur Beantwortung, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sie haben die Überschrift dieser Mündlichen Anfrage vorgelesen. Dahinter steht die Frage, was ich aus den Anforderungen der FDP herausziehen würde. Ich sage: Es gibt keine Veränderung!

Sehr geehrte Frau Beer, ich habe eben schon ausgeführt, dass die FDP einen Parteibeschluss gefasst hat. Aber wir haben ein Gesetz. Das Gesetz bleibt so, wie es ist; wir brechen es nicht. Wir werden die Einlassungen zwar selbstverständlich zur Kenntnis nehmen, jedoch ziehe ich keine Folgerungen aus einem Parteitagsbeschluss der FDP!

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Die Gesamtschu- le bleibt erhalten! Fertig!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Löhrmann hat eine Frage.

Frau Ministerin, eben haben Sie auf den Text hingewiesen. Die FDP hat

aber beschlossen, zum Jahr 2009 keine – ich betone – neuen Gesamtschulen mehr zu genehmigen. Was sagen Sie zu dieser Formulierung?

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sie können ma- chen, was Sie wollen! – Weitere Zurufe)

Frau Ministerin, bitte.

Man kann das formulieren; man kann auch etwas anderes formulieren. Es gibt ein Gesetz. Ich lese Ihnen vor, was wir dazu in das Schulgesetz geschrieben haben. In § 17 Schulgesetz heißt es:

Die Gesamtschule ermöglicht in einem differenzierten Unterrichtssystem Bildungsgänge, die ohne Zuordnung zu unterschiedlichen Schulformen zu allen Abschlüssen der Sekundarstufe I führen. Die Gesamtschule umfasst die Klassen 5 bis 10 und die gymnasiale Oberstufe.

Die Gesamtschule ist also ein Teil unserer Bildungslandschaft, und sie bleibt das auch.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Beer hat sich gemeldet. Bitte schön, Frau Beer.

Frau Ministerin, wenn das ein unverbrüchlicher Bestandteil der gegenwärtigen Politik der Landesregierung ist, können Sie mir dann sagen, welche Kriterien zurzeit erfüllt sein müssen, damit ein Schulträger eine Gesamtschulneugründung auch genehmigt bekommt? Es sind ja einige Gesamtschulgründungen in Vorbereitung bzw. von Schulträgern auch schon beschlossen.

Jeder einzelne Antrag – einer liegt unserem Haus vor; ich weiß von einem anderen in einer Bezirksregierung – wird genau geprüft. Ein wichtiges Kriterium ist neben dem Elternwillen, der abgefragt wird – ich gehe davon aus, dass das alles stimmt –, die Heterogenität. Das ist sicherlich wichtig, gerade weil wir uns wünschen, dass der Bildungsgang auch eine Oberstufe hat und dass genügend Schülerinnen und Schüler mit einer solchen Empfehlung bereits im fünften Schuljahr an dieser Schule beginnen.

Es ist auch wichtig, dass wir an dieser Stelle deutlich machen – das hat zu Verzögerungen auch bei den Anträgen geführt –, dass wir zurzeit keine Mittel im Haushalt haben, um neuen Gesamtschulen den Ganztag zu ermöglichen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Löhrmann, bitte schön.

Sie haben eben aus meiner Sicht positiv auf meine Frage geantwortet. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, erteilen Sie also der Forderung der FDP eine eindeutige Absage.

Frau Beer hat es noch einmal deutlich gesagt: Wir haben zurzeit überhaupt keine Veranlassung, das Gesetz zu ändern. Im Gesetz steht die Gesamtschule.

Blicken Sie ein wenig zurück! Da habe ich gesagt und mir nicht gerade Ihre Unterstützung erworben: Gerade unsere Gesamtschulen müssen wir besonders fördern. Das war uns im Kontext mit dem Zentralabitur sehr wichtig. Ich würde das nicht sagen, wenn ich sie auf einem absteigenden Ast sähe.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Hollstein, bitte schön.

Frau Ministerin, wenn ich die Diskussion um die mögliche Gründung von neuen Schulen verfolge: Können Sie uns vielleicht, wenn nicht aus dem Kopf, dann sicherlich auch noch einmal schriftlich nachreichen und darstellen, wie viele Schulen beispielsweise in den Jahren 1995 bis 2005 neu gegründet worden sind? Das vielleicht differenziert, in welchen Schulformen und ob als Ganztagsbetrieb oder als Halbtagsbetrieb erfolgen soll.

Um der Genauigkeit Willen möchte ich das sehr gerne schriftlich machen. Ich weiß, dass in den Jahren 1993 bis 2005 nur eine Gesamtschule neu gegründet wurde. Zu den anderen Schulformen möchte ich die Antwort gerne schriftlich geben.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Schäfer hat eine Frage.

Frau Ministerin, im Kontext um die Gesamtschulen und ihres möglichen Förderwunsches darf ich noch einmal, nur um der Wahrheit die Ehre zu geben, an die Aussage erinnern, dass Sie an der Stelle gesagt haben: Ich kann das Gerede von der sozialen Herkunft der Schüler nicht mehr hören.

Ich möchte Sie daher fragen, wie viele Gesamtschulen in Ihrer Regierungszeit beantragt wurden und wie viele Sie genehmigt haben.

Wir haben jetzt – das habe ich eben gesagt – im Haus den Antrag auf Neugründung

einer Gesamtschule konkret vorliegen. Von einem weiteren weiß ich, dass er in einer Bezirksregierung gelagert, also noch nicht in unserem Haus ist. Ich weiß auch, dass es Bekundungen im Lande gibt zu weiteren Gesamtschulen. Genehmigt haben wir in diesen dreieinhalb Jahren keine öffentliche.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Beer.

Frau Ministerin, Sie haben zwar gesagt, auf der Grundlage des Schulgesetzes sei eine Gesamtschulgründung grundsätzlich möglich, gleichzeitig aber dadurch eingeschränkt, dass aufgrund der Haushaltsmittel und der Zuschreibung kein Ganztagszuschlag genehmigt werden könnte. Wie sollen die Gesamtschulkonzepte ohne Ganztagsbetrieb verwirklicht werden?

Wenn eine Kommune einen Antrag auf Errichtung einer Gesamtschule stellt, dann weiß sie um diese Bedingung. Das heißt, das Konzept wird auf diese Bedingung abgestellt. Das weiß eine Kommune inzwischen. Wir beraten Sie auch dahingehend. Wir sagen ihnen auch: Wir haben diese Mittel im Haushalt nicht. Daraufhin stellen sie entweder den Antrag auf Errichtung einer Gesamtschule ohne den Ganztag, oder sie ziehen den Antrag zurück oder stellen ihn erst gar nicht.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die dritte und letzte Frage von Frau Beer. Bitte schön.

Frau Ministerin, Ihre Ausführungen sind eindeutig so zu interpretieren, dass sie keine Auswirkungen auf die Politik der Landesregierung durch die Beschlüsse des FDP-Parteitages sehen. Ich darf dann noch einmal aus der „Süddeutschen Zeitung“ die Äußerung von Herrn Lindner zitieren: Er beansprucht für seine Partei innerhalb der Düsseldorfer Landesregierung die Meinungsführerschaft in der Bildungspolitik. – Hat sich das damit erledigt?

Herr Lindner ist ein jugendlicher, ungestümer, sympathischer Kollege. Ich bin eine Person, die toleriert, dass man auch einmal übers Ziel hinausschießt, sonst würde ich Ihnen wahrscheinlich gar nicht mehr zuhören wollen. Ich sage nochmals, Frau Beer, es ist ein Parteitagsbeschluss der FDP. Wir sprechen über ein Gesetz. Ich glaube, ich habe mich da eindeutig positioniert.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Uns liegen keine weiteren Fragen vor. Damit sind wir am Ende der Beantwortung der Mündlichen Anfrage 254 und aufgrund des Zeitablaufs auch am Ende der Fragestunde.

Offen sind jetzt noch die mündlichen Fragen 255 bis 258. Im Raum anwesende Abgeordnete frage ich jetzt der Reihe nach, wie wir mit den Anfragen verfahren sollen.

Mündliche Anfrage 255

Frau Kollegin Asch von den Grünen, mündlich oder schriftlich?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Schriftlich!)

Danke schön. Schriftlich, das nehmen wir zur Kenntnis. (Siehe Anlage 1)

Mündliche Anfrage 256

Kollege Kuschke?

(Carina Gödecke [SPD]: Mündlich in der nächsten Fragestunde!)

Mündlich in der nächsten Fragestunde. Vielen Dank für den Zuruf.