Protocol of the Session on October 23, 2008

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7674 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Dort soll nach der entsprechenden Beratung abschließend in öffentlicher Sitzung abgestimmt werden. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist er einstimmig überwiesen.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt:

8 Mehr Lehre braucht mehr Stellen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7663

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Dr. Boos das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lehre an den Hochschulen in NRW verändert sich. Das meine ich an dieser Stelle zunächst ganz wertfrei, auch wenn es aus SPD-Sicht viele Punkte gibt, zu denen ich über die verfehlte Hochschulpolitik des Landes NRW seit Mai 2005 reden könnte.

Doch sorgt zum Beispiel der Bologna-Prozess dafür, dass sich an unseren Hochschulen vieles verändert. Das Ziel, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen, ist weiterhin sehr erstrebenswert. Der Prozess hat zu einer notwendigen und sinnvollen Intensivierung der Lehre geführt. Selbstverständlich steigen damit auch die Dichte und die Dauer der Arbeit für die Lehrenden entsprechend an.

Abgesehen vom Bologna-Prozess haben unsere Hochschulen auch noch die Aufgabe, demnächst einen doppelten Abiturjahrgang zu bewältigen. Zusätzlich werden den Hochschulen neue Aufgaben aufgedrängt. Ich denke dabei zum Beispiel an die aufwendige und belastende Auswahl der Studierenden. Das Lehrpersonal an den Hochschulen muss zurzeit eine Reihe von Herausforderungen verkraften. Es hat dies zu schaffen, ohne dass eine Entlastung an anderen Stellen in Sicht wäre.

Zwei Möglichkeiten der Entlastung gäbe es, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden: Entweder müssten bisherige andere Aufgaben wegfallen, oder es müssten Personal und Ausstattung vermehrt werden. Ganz konkret führt dies zu der Frage: Wie soll an den Hochschulen die Lehre in Semesterwochenstunden in Zukunft gestaltet werden?

Damit sind wir auch beim Kern unseres Antrags, denn die Landesregierung plant anscheinend, weder die eine oder die andere gerade skizzierte Möglichkeit in die Tat umzusetzen. Ganz im Gegenteil: Sie setzt noch einen drauf! Zurzeit wird ein neuer Entwurf der Lehrverpflichtungsverordnung erarbeitet. Diese Verordnung gibt die Anzahl der Semesterwochenstunden an, die das Personal an Hochschulen lehren muss. Erste Informationen über die vom Wissenschaftsministerium geplanten Änderungen lassen nichts Gutes erahnen.

So will die Landesregierung anscheinend schlicht und ergreifend …

(Christian Lindner [FDP]: Von wem haben Sie diese Informationen? Wie verlässlich sind die?)

Ich bekomme Anrufe, dass wirklich große Sorgen und Bedenken bestehen, was da in Arbeit ist.

(Christian Lindner [FDP]: Aha!)

So will die Landesregierung anscheinend schlicht und ergreifend die Stundenzahl ausdehnen, statt mehr Personal einzusetzen.

(Christian Lindner [FDP]: Irgendwelche Ge- rüchte!)

Das sind keine Gerüchte. – Mit anderen Worten: Wir laden neue Aufgaben auf die Schultern des Lehrpersonals. Als Ausgleich lassen wir sie länger für das gleiche Geld arbeiten. Das kann nach Meinung der SPD-Fraktion in diesem Hause nicht richtig sein.

Wie sieht es zurzeit aus? – Gemäß der aktuellen Lehrverpflichtungsverordnung haben Lehrende zwischen 13 und 17 Lehrveranstaltungsstunden à 45 Minuten zu erfüllen. Zusätzlich wird ein erheblicher Teil der Lehrstellen von Personal besetzt, das keine oder weniger als 13 Stunden erfüllt. Dabei handelt es sich unter anderem um Lehrende im Promotionsverfahren oder wissenschaftliche Mitarbeiter.

Wenn man aber in diesem Gefüge an einer Stellschraube drehen wird, muss klar sein, dass das weitergehende Konsequenzen hat. Die Lage des akademischen Mittelbaus ist hier nicht gesondert von der der Professorinnen und Professoren zu betrachten. Die Lehrpflicht der Professorinnen und Professoren zu erhöhen, ist wegen der anhaltenden Überlast weder sachgerecht noch sinnvoll. Da aber auch das andere lehrende Personal mit Arbeitsbedingungen leben muss, die es laufend zu mehr

Arbeit als vorgeschrieben nötigen, hilft im Grunde genommen nur eins: mehr Stellen!

Natürlich: Durch eine Ausweitung der Lehrpflicht würde man umfangreiche neue Lehrkapazitäten erzeugen. Hierdurch verbessert man die Anfängerzahlen, aber ganz sicher nicht die Betreuungsrelation. Steigen aber in zulassungsbeschränkten Fächern die Anfängerzahlen, steigt damit auch der Umfang der Ansprüche an weitere Leistungen des Personal, zum Beispiel an die Studienberatung. Dafür müsste das Land eigentlich zusätzliche Mittel bereitstellen.

Die Betonung liegt auf dem Wort „eigentlich“. Denn die Landesregierung hat es sich an der Stelle denkbar einfach gemacht: Schließlich zahlen die Studierenden dies über ihre Studiengebühren selbst. Mit anderen Worten: Die Studierenden zahlen mit Studiengebühren den Ausbau der Kapazitäten, ohne dass das Land auch nur einen Cent in das System investiert. Mit einer Verbesserung der Lehre durch die Studiengebühren hätte und hat das endgültig nichts mehr zu tun.

Im Ziel sind wir uns durchaus einig: Mehr Studierende und Studierwillige sollten in den Fächern ihrer Wahl ein hinreichendes Lehrangebot vorfinden. Um dies zu erreichen, ist aber aus unserer Sicht eine höhere Lehrpflicht des vorhandenen überlasteten Personals völlig falsch. Bachelor und Master erfordern einen höheren Aufwand der Lehrenden für die Studierenden. Hier hilft kein Mehr an Pflichtstunden, sondern nur ein Mehr an Stellen. Mehr Bildung kostet eben mehr Geld. Für uns bleibt klar: Das darf nicht von den Studierenden kommen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Boos. – Für die CDU spricht der Kollege Dr. Brinkmeier.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Boos, bei aller persönlichen Wertschätzung: Was ist das bloß für ein Antrag, zu dem Sie eben noch nicht einmal sagen wollten, woher Sie Ihre Informationen bekommen, geschweige denn wie solide diese Informationen sind? Wären das auch nur ansatzweise solide Informationen gewesen, frage ich mich, warum man zur Opposition läuft, damit die schnell einen Antrag formulieren kann. Fakt ist: Da ist überhaupt gar nichts dran. Im Zusammenhang mit der Verordnung gibt es keinerlei Absichten, das Deputat zu erhöhen.

Besonders peinlich für die SPD ist dies: Beantragt wird, dass man sich dagegen wehren solle, dass das Deputat erhöht wird. Blickt man aber ein paar

Jahre zurück, in das Jahr 2004: Was hat damals die SPD-geführte Landesregierung gemacht? – Sie hat das Deputat erhöht. Wie kann es sein, dass Sie jetzt Krokodilstränen vergießen über einen Zustand, der gar nicht existiert, aber damals umgekehrt das Deputat der Lehrenden an den Hochschulen erhöht haben? Das ist schon ein ganz dickes Ding und ein bisschen scheinheilig. Das muss ich Ihnen hier vorwerfen.

(Beifall von der CDU)

Deswegen ist Ihr Antrag im Prinzip null und nichtig. Wir werden aber der Überweisung an den Ausschuss zustimmen und Ihnen dort noch einmal gehörig die Ohren waschen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Parlamentsfraktionen in diesem Hause dürfen ja beantragen, was sie wollen. Das ist ihr gutes Recht, und niemand will ihnen dieses Recht abschneiden. Aber man muss vielleicht einmal für die Damen und Herren auf der Tribüne erklären, dass hier – das haben Sie eben auch gesagt – aufgrund von irgendwelchen nebulösen Telefongesprächen Anträge gestellt werden, die dieses Parlament beschäftigen, und zwar nicht nur heute in dieser Sitzung, sondern auch in den Ausschüssen. Es sind Bäume gefällt worden, um diesen Antrag vielhundertmal zu vervielfältigen.

(Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt entdeckt er die Bäume!)

Ich muss Ihnen sagen: Es ist verantwortungslos, irgendwelche nebulösen Telefonate und Gerüchte, die ohne jeden Wahrheitsgehalt sind, zum Gegenstand von Parlamentsbefassungen zu machen. Wir sind doch hier kein Schülerparlament, bei dem man jeden bekritzelten Zettel einreichen kann.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn man Sie sieht, denkt man das schon!)

Da müssen Sie schon etwas anders agieren, meine ich.

Nun zu der Art und Weise – das kann ich Ihnen nicht ersparen –, wie Sie hier und mit welchen Argumenten Sie vorgetragen haben. Sie sagen süffisant, man bräuchte mehr Stellen. Man dürfte nicht das Lehrdeputat erhöhen – das will ja niemand –, sondern man bräuchte mehr Stellen. – Das fordern

ausgerechnet Sie von der SPD. Sie haben mit Ihrem Qualitätspakt bis 2010 2.000 Stellen in den Hochschulen abgebaut. Jetzt stellen Sie sich hin und sagen, man bräuchte eigentlich mehr Stellen. Sie aber haben 2.000 abgebaut!

(Beifall von der CDU)

Dann behaupten Sie, die Studierenden würden mit den Studienbeiträgen den Ausbau von Kapazitäten bezahlen. – Daran ist einfach alles falsch. Genau den Punkt haben Sie immer noch nicht verstanden, und ich möchte es Ihnen noch einmal erklären: Studienbeiträge fließen direkt an die Hochschule und werden dort genutzt, um die Qualität der Lehre und die Betreuungssituation, die Betreuungsrelation für die gegenwärtigen Studierenden zu verbessern.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Das wird auch anerkannt!)

Wenn Sie das Geld – die gleichen 270 Millionen € – nicht über die Studierenden, sondern über den Landeshaushalt aus Steuermitteln an die Hochschulen geben würden, was würde dann passieren, Frau Dr. Boos? Was würde passieren? – Es müsste die Kapazität ausgeweitet werden und es müssten mehr Studierende an die Hochschule kommen. Das Ganze heißt Kapazitätsrecht, Kapazitätsverordnung und ist eine Verordnung des Bundes. Insofern bezahlen die Studierenden eben nicht eine Ausweitung der Kapazität, sondern eine Ausweitung der Qualität.

Das ist doch genau das, was wir gegenwärtig in Hessen sehen, wo Sie mit Ihren Freunden von der Linkspartei und den Grünen die Studiengebühren abgeschafft haben. Sie haben die Studiengebühren zwar durch öffentliche Mittel aus dem Landeshaushalt ersetzt, aber gleichzeitig steigen dadurch auch die Studierendenzahlen. Die Kapazität wird ausgeweitet und die Betreuungsrelation eben nicht verbessert, sondern verschlechtert.

Deshalb ist einfach alles falsch, was Sie hier vorgetragen haben. Ihr Antrag ist null und nichtig. Wir werden ihn in den Ausschuss überweisen, aber dann werden wir Ihnen noch einmal richtig die Leviten lesen.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von der Kollegin Hack?

Nein, jetzt nicht mehr.

Wenn Sie nicht mehr wollen, dann geht das auch. – Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Wir kommen zur nächsten Rednerin. Das ist für die Fraktion der Grünen Frau Dr. Seidl.