Protocol of the Session on October 22, 2008

Die Konditionen für Kredite haben sicherlich bereits etwas angezogen. Am Ende betrachtet ist das aber noch nicht besorgniserregend.

Meine Damen und Herren, schwierige Zeiten verlangen von uns eine wohldosierte Führung in die richtige Richtung, Prinzipienfestigkeit, einen klaren Kompass und den Verzicht auf Beliebigkeit, Aktionismus und Populismus. Solche Zeiten verlangen und schärfen den Blick auf die soziale Marktwirtschaft im richtig verstandenen Sinne. Aufgabe des Staates in der sozialen Marktwirtschaft ist die Kontrolle. Der Staat ist der Hüter der Ordnung.

Wir haben bei der Ausübung dieser Kontrolle festgestellt, dass sich das Finanzsystem selbst in einen

Bereich außerhalb des notwendigen Ordnungsrahmens begeben hat. Der Staat hat seine Aufgabe als Hüter ernst genommen und die Branche wieder in den Ordnungsrahmen zurückbugsiert.

Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass die Banken selbst mit dem bisherigen Regulierungssystem nicht zurechtgekommen sind. Hier wird der Ordnungsrahmen im Wege der Erarbeitung einer neuen Finanzmarktverfassung und neuer, international gültiger Finanzmarktregulierungen enger gefasst werden müssen. Anders ausgedrückt: Die soziale Marktwirtschaft hat in einer schwierigen Phase funktioniert. Sie wird am Ende gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.

Die staatliche Rolle soll sich weiterhin auf Kontrolle und das Setzen der Rahmen beschränken. Der Staat ist zu Recht kein Teilnehmer am Markt und auch kein Bankier. Im Gegenteil: Viele Beispiele belegen, dass der Staat mit Sicherheit auf Dauer nicht der bessere Banker ist.

Deshalb haben auch diejenigen massiv Unrecht, die die jetzige Situation dazu zu nutzen versuchen, den Menschen den Staatskapitalismus als Musterwirtschaftsordnung zu empfehlen. Solche verirrten Propheten versündigen sich an der Situation und auch an den Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von CDU und FDP)

Altkanzler Helmut Schmidt hat das zutreffend formuliert: Märkte sind wie Fallschirme: Sie funktionieren nur, wenn Sie offen sind!

Sobald sich der Staat als dauerhafter Marktteilnehmer etabliert, sind die Märkte gerade nicht mehr offen, sondern das wäre der erste Schritt in die Staatswirtschaft. Frau Ministerin Thoben hat gerade von empirischen Daten gesprochen. Bei der Staatswirtschaft kann man wenigstens eines sagen: Sie hat hinlänglich bewiesen, dass sie nicht funktioniert.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wir stehen in Nordrhein-Westfalen robust da. Wir sehen den heraufziehenden Schwierigkeiten mit Prinzipienfestigkeit, einem klaren Kompass sowie ohne Beliebigkeit, Aktionismus und Populismus entgegen. Dank den Verhandlungen der Landesregierung konnte für Nordrhein-Westfalen einiges erreicht werden.

(Gisela Walsken [SPD]: Was denn?)

Die Mitglieder unserer Landesregierung haben genauso wie die Mitglieder der Bundesregierung ihren Amtseid ernst genommen.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Verschlechtbesse- rungen!)

Sie haben Schaden vom deutschen Volk abgewendet und seinen Nutzen gemehrt. Dafür bin ich ausgesprochen dankbar. Wir brauchen Maß und Augenmaß in dieser Diskussion und nicht Aktionismus

und Kritikastertum. Ihr kleines Karo, meine Damen und Herren von der Opposition, wird Ihnen irgendwann einmal in den Augen wehtun. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Lienenkämper. – Für die FDP-Fraktion erhält Frau Kollegin Freimuth das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Landtagsfraktion begrüßt das Rettungspaket für die deutschen Finanzmärkte. In unserer extrem verflochtenen modernen Wirtschaftssystematik kommt den Finanzmärkten gleichsam die Funktion von Öl in einem Getriebe zu: Trocknet es aus, dann geht ein solches Getriebe bekanntlich schnell kaputt.

Das Rettungspaket ist wichtig, um das Vertrauen in die Finanzmärkte wiederherzustellen. Das haben wir bereits in der vergangenen Woche in diesem Hause diskutiert. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger und auch die Unternehmen in diesem Land wieder auf die Funktionsfähigkeit unseres Bankensystems und des Finanzdienstleistungsmarktes vertrauen können, damit sie sich eben nicht um die Früchte ihrer Arbeit oder die Finanzierung anstehender Investitionen weiter sorgen müssen. Meine Damen und Herren, ich will mir auch gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn das Rettungspaket gescheitert wäre. Die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Sparer, für die Unternehmen und damit natürlich auch für die Arbeitsplätze in unserem Land wären auf jeden Fall dramatisch gewesen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wenn wir heute darüber diskutieren, was wir gegen ein Abgleiten in eine Rezession unternehmen wollen – das wird sicherlich gleich noch in einer weiteren Runde anlässlich der Unterrichtung durch die Wirtschaftsministerin beraten –, brauchen wir das nur mit Blick darauf tun, dass wir in einem ersten Schritt eine sehr deutliche Maßnahme zur Sicherung der Finanzdienstleister für die Bürgerinnen und Bürger unternommen haben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Die bezahlen das auch!)

Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat diesem Paket zugestimmt. Herr Kollege Groth, ganz im Gegensatz zu der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die FDP hat damit auch aus der Opposition heraus Verantwortung bewiesen und gezeigt, dass sie willens und fähig ist, dazu beizutragen, um Schaden von unserem Land abzuwenden. Denn darum geht es, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Es konnten kurzfristig Verbesserungen am ursprünglichen Entwurf erreicht werden wie etwa eine stärkere Beteiligung des Parlamentes durch einen besonderen Ausschuss oder bei der Bewahrung der Unabhängigkeit der Bundesbank, die mit der Ausführung der Aufgaben nach dem neuen Gesetz beauftragt ist, während die Grünen, meine Damen und Herren, unter dem Vorwand, sie seien ja nicht gegen das Ob, sondern gegen das Wie, womit sie sich aus der Verantwortung gestohlen haben, aus engstirniger Oppositionshaltung heraus gegen das Gesetz und damit für eine weitere Verschärfung der Situation und Krise eingetreten sind.

Meine Damen und Herren, die Experten werden jetzt prüfen müssen, ob eine Inanspruchnahme der Möglichkeiten, die das neue Gesetz bietet, für die WestLB in Frage kommt. Dabei sollen nach meiner Überzeugung ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Es ist aber leider nicht gelungen – das ist vorhin schon erwähnt worden –, die Risikoabschirmung für die WestLB dem Land an den eventuell später abzurechnenden Kosten anzurechnen. Unter den gegebenen Umständen kann aber insgesamt das Verhandlungsergebnis des Ministerpräsidenten und des Finanzministers als zufriedenstellend bezeichnet werden.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Schön!)

Denn durch die Deckelung des Länderanteils auf insgesamt 7,7 Milliarden € ist die höchstmögliche Belastung des Landes auf etwa 1,6 Milliarden € limitiert.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Mir kommen die Tränen!)

Herr Kollege Sagel, wenn ich mir vorstelle, wie viel Schulden Sie in diesem Land angehäuft haben, sollten Sie mit Ihren Tränen heute mal ganz zurückhaltend sein.

(Beifall von FDP und CDU)

In den Verhandlungen wurde zudem von den betroffenen Ländern durchgesetzt, dass diese für die Landesbanken nur im Umfang ihres Anteils an den Landesbanken haften. Den Rest übernehmen der Bund und die anderen Länder.

Meine Damen und Herren, das ist ein Erfolg für das Land, da die jetzt gefundene Regelung auch die Miteigentümer der Landesbanken nicht aus ihrer Verpflichtung entlässt und den Anreiz lässt, weiterhin von ihrer Seite aus an einer Neuaufstellung des Landesbankensektors mitzuarbeiten.

Leider verbergen sich gerade bei den Rechtsverordnungen aber auch einige Knackpunkte des Maßnahmenpaketes. Einen möchte ich an dieser Stelle besonders herausgreifen: Es ist sicherlich richtig, dass ein Vorstand oder ein Aufsichtsrat, der seine Bank fast in den Ruin getrieben hat, nicht mit zusätzlichen hohen Bonuszahlungen abgefunden werden soll. Anders wäre das nicht nur dem einfa

chen Angestellten, sondern eigentlich jedem, der ein bisschen darüber nachdenkt, nicht zu erklären. Denn die Erfahrung haben wir alle schon gemacht. Wenn wir keine erfolgreiche Arbeit abgeliefert haben, wurden wir dafür auch nicht belohnt. Für Vorstände und Aufsichtsräte von Unternehmen darf es da keine Ausnahmen geben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Und was ist mit euch?)

Herr Kollege Groth, diese Frage haben die Wählerinnen und Wähler bei der letzten Wahl sehr eindeutig beantwortet.

Gleichwohl ist es aus liberaler Sicht ein Fehler,

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

die Gehälter von Vorständen zu deckeln. Zum Glück konnte eine Formulierung, die einen Eingriff in die privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse des Führungspersonals vorsieht, deswegen auch verhindert werden. Eine Deckelung der Gehälter ist in jedem Fall problematisch. Ich will an der Stelle nur zwei Punkte erwähnen.

Zum Ersten ist es scheinheilig, denn in keinem anderen europäischen Land ist der Anteil der vom Staat kontrollierten Banken so hoch wie in Deutschland. Er liegt in Deutschland bei fast 40 %. Unter den Managern dieser vom Staat kontrollierten Banken und Finanzdienstleister befinden sich sicher zahlreiche, deren Gehalt über die in Rede stehenden 500.000 € hinausgeht. Deswegen, meine ich, ist es zunächst einmal ein Akt der Lauterkeit, dass man sich in den Bereichen, in denen man selber auch Verantwortung trägt und die Dinge als Vertragspartei mitgestalten kann, im Zweifel auch über die Frage der Vorstandsgehälter auseinandersetzt.

Meine Damen und Herren, zum Zweiten – das ist der entscheidende Punkt – wird eine Bank, deren Vorstandsgehälter derart limitiert wären, wie das in Rede stand, spätestens dann, wenn es darum geht, für Führungspositionen neues qualifiziertes, kompetentes und engagiertes Führungspersonal zu suchen, große Schwierigkeiten haben, in einem doch sehr international ausgerichteten Wettbewerb dieses geeignete Personal zu bekommen.

(Zuruf von der SPD)

Das, meine Damen und Herren, halte ich aus Sicht einer Bank oder auch aus Sicht eines jeden Unternehmens für absolut kontraproduktiv. Denn gerade dann, wenn es in einer Krise ist, braucht es in besonderer Weise qualifizierte, gute Führungspersonen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle Ihr Augenmerk auf einen anderen Punkt lenken, der aus meiner Sicht zur zukünftigen Vermeidung schwieriger Situationen viel entscheidender ist, nämlich auf die Fragen der Haftung. Diese müssen in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken und

auch eine nachhaltigere Erfolgsdefinition zur Zahlung der Boni.

Die Frage der Haftung ist – wir alle wissen das – kompliziert. Es kann ja nicht darum gehen, jeden, der in irgendeiner Art und Weise Verantwortung trägt, zu paralysieren, sodass er sich vor lauter Angst, hinterher einen Haftungsfall zu schaffen, nicht mehr traut, neue Produkte zu entwickeln und neue Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Wir wissen alle, dass mit der Markteinführung von neuen Produkten und Dienstleistungen immer auch ein Risiko des Scheiterns verbunden ist.

Aber, meine Damen und Herren, es geht darum, zwischen Chancen und Risiken abzuwägen. Es muss deswegen auch eine tragfähige Definition dafür gefunden werden, wann ein Haftungsfall vorliegt. Es kann nicht angehen, dass ein Entscheidungsträger eines großen Konzerns ungestraft den Karren vor die Wand fahren kann, ohne auch nur eine Konsequenz tragen zu müssen. Das ist auch kleinen und mittelständischen Unternehmern, die oft persönlich und unbeschränkt für alle Verluste ihres Unternehmens haften, kaum zu vermitteln.

Wenn die akute Krise – hoffentlich bald – überstanden ist, brauchen wir nach meiner Überzeugung und aus Sicht der FDP-Fraktion dringend neue Spielregeln für die internationalen Finanzmärkte. Allein mit deutschen Regeln – das muss jedem von uns klar sein – werden wir nicht weiterkommen, da sich die Akteure stets ihrer Kreativität bedienen und die Lücken zwischen den nationalstaatlichen Regelungen nutzen.