Protocol of the Session on October 22, 2008

Genau das Gegenteil ist festgelegt. Das Land zahlt für seinen Landesbankenanteil natürlich extra, wenn der Berliner Rettungsplan in Anspruch genommen werden soll. Das zeigt, dass der NRW-Finanzminister auf der Berliner Bühne keine Rolle gespielt hat, mit seinen Forderungen nicht einmal zur Kenntnis genommen wird.

Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren! Denn in diesem Zusammenhang ist pikant, dass unser Finanzminister bundesweit dadurch auffällt, dass er die Kollegen in Baden-Württemberg attackiert und von diesem Pult aus behauptet: Die Baden-Württemberger werden die ersten sein, die in das Rettungspaket einsteigen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wieder daneben gelegen!)

Fehlanzeige, meine Damen und Herren! Das Ganze führte zu einem peinlichen Eklat im Lager der Landesbanken. Die Landesbank Baden-Württemberg wies diese Brüskierung, die von diesem Rednerpult aus gemacht wurde, öffentlich zurück.

Heute ist Finanzminister Linssen der Blamierte, denn die Baden-Württembergische Landesbank wird den Rettungsschirm nicht in Anspruch nehmen, und in Nordrhein-Westfalen haben wir bis heute nicht einmal Klarheit darüber, ob die WestLB überhaupt in den Rettungsplan hinein kann.

(Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, dies ist ein außerordentlich peinlicher bundesweiter Auftritt und leider der

einzige des Finanzministers in der Krise. Was inzwischen offensichtlich auch in der Staatskanzlei erkannt worden ist, hat die „Stuttgarter Zeitung“ am 18. Oktober formuliert – ich zitiere wörtlich –:

In Düsseldorf ist inzwischen von einem Missverständnis die Rede.

Meine Damen und Herren, ich resümiere: Das Verhandlungsergebnis des Finanzministers und des Ministerpräsidenten sind zum Nachteil von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die von Rüttgers und Linssen gesteckten Ziele sind bei weitem nicht erreicht. Der Einfluss auf der Berliner Bühne ist deutlich unter Null zurückgegangen. Die Belastungen des Landeshaushalts werden neben den 1,65 Milliarden € aus dem jetzigen Rettungsschirm weitere 3,8 Milliarden € aus der Belastung für die WestLB betragen. Meine Damen und Herren, das sind Belastungen in Höhe von 5,4 Milliarden €, also 10 % des Landeshaushalts, die wir in den nächsten Jahren auf die Steuerbürgerinnen und -bürger in diesem Lande zukommen sehen.

Meine Damen und Herren, bis heute ist nicht klar, was aus der Westdeutschen Landesbank wird. Kann sie in den Rettungsschirm hinein oder nicht? Gibt es ein Geschäftsmodell, oder gibt es das nicht? Wo soll die Westdeutsche Landesbank hin? Wir sehen bis heute keine Antworten, auch nicht aus dieser Unterrichtung.

Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass die Bewältigung der Krise auf Bundesebene hervorragend gelungen ist. Des Weiteren bin ich der Auffassung, dass der Beitrag von NRW an dieser Stelle unter Null lag und zulasten des Landes verhandelt worden ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Walsken. – Der Kollege Lienenkämper hat nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir haben eben eine absolut überzeugte und überzeugende Unterrichtung der Landesregierung durch Helmut Linssen und Christa Thoben gehört.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, genau so – in Inhalt und Stil – legt man den Grundstein für die Rückgewinnung verlorenen Vertrauens, die wir dringend brauchen. Genau so, meine Damen und Herren!

(Beifall von der CDU)

Wir haben von Ihnen, Frau Kollegin Walsken, eine Einlassung gehört, die das exakte Gegenteil war.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Verschwö- rungsritual!)

Der Versuch, Frau Kollegin Walsken, staatstragend zu argumentieren, passt zu Ihren sonstigen Auftritten in diesem Hohen Hause schon vom Ansatz her nicht, und wenn Sie ihn dann mit dem bemühten Versuch des Kritikasterns gegen die Landesregierung und nahezu alle übrigen Beteiligten mit Ausnahme des Bundesfinanzministers paaren, dann erhöht das die Wirkung nicht, sondern hebt sie fast auf.

Mich erinnert das an den ganz normalen Krisenfall, Frau Kollegin Walsken, irgendwo in einem halb eingestürzten Gebäude. Wer darin ist und orientierungslos herumläuft, der ist eben schwer zu retten.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Finanzwirtschaft in Nordrhein-Westfalen …

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Es ist ja schön, dass die Stimmung da ist. Ich merke, Sie sind wach.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, die Finanzwirtschaft in Nordrhein-Westfalen hat am Bruttoinlandsprodukt einen Anteil von ca. 4 %, also mehr als 18 Milliarden €.

In der Finanzwirtschaft sind rund 216.000 Menschen beschäftigt. Zum Vergleich: Im Maschinenbau beläuft sich diese Zahl derzeit auf 207.000. Allein für Nordrhein-Westfalen beträgt das Kreditvolumen rund 529 Milliarden €.

Die privaten und öffentlichen Banken sind und bleiben trotz aller Unkenrufe auch im Mittelstandsgeschäft wesentlich engagiert. Ihr Anteil am Bürgschaftsvolumen der Bürgschaftsbank beträgt rund 23 %, am Volumen der Mittelstandskredite rund 28 % und an den Startkrediten der NRW.BANK immerhin rund 16 %.

Nicht nur und nicht zuerst für die Finanzwirtschaft selbst war das rettende Eingreifen dringend erforderlich, sondern für den gesamten Finanzstandort Nordrhein-Westfalen. Wir haben eine Situation, in der die Menschen unsicher sind. Das Vertrauen in die Banken und ihre Handlungsweise ist substantiell reduziert.

Auch das Vertrauen der Banken untereinander ist beeinträchtigt. Es drohten Reaktionen wie zuletzt 1929. Deswegen ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz nicht nur der Grundstein für eine neue Finanzmarktverfassung, sondern mindestens in gleicher Weise geeignet, Vertrauen zurückzugewinnen, Vertrauen der Bürger, Vertrauen der Wirtschaft und auch Vertrauen im Interbankenbereich. Die konstruktive Mitwirkung des Landes Nordrhein

Westfalen beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz war notwendig und klug. Sie lag genauso im Interesse des Standorts Deutschland wie im Interesse des Standorts Nordrhein-Westfalen.

Die frühe Ankündigung, aus nationaler Verantwortung heraus nicht gegen den Pakt zu sein, war goldrichtig und sogar zwingend. Ich habe die Debatte in der Sondersitzung der vergangenen Woche und Ihre Äußerungen von heute, Frau Kollegin Walsken, noch im Ohr. Jeder möge sich doch bitte einmal selbst fragen, ob er in dieser Diskussion mit dem gleichen Engagement aufgetreten ist. Alles andere als das, was die Landesregierung getan hat, hätte von Anfang an Vertrauen zerstört, wäre reine Taktiererei und somit nicht von großer Staatskunst geprägt gewesen.

Gerade weil wir verantwortungsvolle Verhandler mit einem sicheren Gespür für die Notwendigkeiten der Ordnungspolitik und für ihre Grenzen gleichzeitig hatten, konnten wichtige Erfolge für das Land Nordrhein-Westfalen errungen werden.

Die Länder profitieren, anders als ursprünglich vorgesehen, nach Abwicklung des Fonds auch von eventuellen Gewinnen.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

In Schweden ist dies durch geschicktes Wirtschaften in einem vergleichbaren Fonds gelungen, auch wenn ich jetzt nicht so weit gehen will, Gewinne zu erwarten. Jeder vorausschauende Verhandler ist aber klug beraten, auch die eher unwahrscheinlichen günstigen Möglichkeiten in seine Verhandlungspakete einzubeziehen. Das ist der Landesregierung gelungen.

Die Alleinhaftung der Länder für Sparkassen wurde aus dem ursprünglichen Paket herausgenommen. Dadurch haften im Falle eines Falles jetzt auch für die Sparkassen alle solidarisch. Zudem wurde die Haftung der Länder für ihre Landesbanken auf ihren jeweiligen Anteil beschränkt, also auf 38 % für Nordrhein-Westfalen. Auch der Bund haftet anteilig für seine Beteiligungen. Schließlich bekommen die Länder bei den zur Umsetzung erforderlichen Rechtsverordnungen ein Mitspracherecht.

Das alles sind wichtige Punkte, die im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen durchgesetzt wurden. Das verdient Lob und Anerkennung und keine bemühte Kritik, meine Damen und Herren. Wenn man Opposition so versteht, die Regierung in jeder Lebenslage nahezu zwingend für alles zu kritisieren, was sie tut, ist das ein falsches Verständnis. Das gilt gerade in der jetzigen Vertrauenskrise, in der es unsere gemeinsame Aufgabe sein sollte, Vertrauen wieder herzustellen. Das macht man nicht durch überflüssige Kritik, sondern durch konstruktives Mitarbeiten. Das vermisse ich bei Ihnen nachdrücklich.

(Beifall von der CDU)

Übrigens hat der Rettungsschirm der Landesregierung für die WestLB bereits früh gezeigt, dass in Krisenzeiten maßgeschneidertes Verhalten notwendig ist und uns Schablonendenken überhaupt nicht weiterhilft.

Lassen Sie mich noch einige Worte zur wirtschaftlichen Lage in Nordrhein-Westfalen und zu den Auswirkungen der Finanzkrise hierauf sagen. Wir befinden uns am Wendepunkt einer sehr erfolgreichen Aufschwungphase. Wir haben die geringste Arbeitslosenzahl seit Jahren und die höchste Zahl an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Trotz und nicht wegen Ihrer Regierung!)

wir hatten ein Wachstum in Höhe von 2,5 % im ersten Halbjahr des Jahres 2008 und klagen über Fachkräftemangel.

Die Wirtschaft ist also so robust wie schon lange nicht mehr. Gleichzeitig stehen wir aber an einem Wendepunkt. Die konjunkturellen Prognosen sind auch für Nordrhein-Westfalen schlechter geworden. Alle Frühindikatoren haben bereits gedreht oder drehen gerade. Das geschieht sicherlich zum Teil auch aus ganz normalen konjunkturellen Gründen. Sicher spielt daneben aber auch der Vertrauensverlust im Rahmen der Finanzkrise eine erhebliche Rolle.

Inwieweit die Finanzkrise tatsächlich auf die Realwirtschaft durchschlägt, hängt unter anderem auch von der Effizienz der beschlossenen Sicherungsmaßnahmen ab. Für uns ist es zunächst einmal wichtig festzustellen, momentan gibt es für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen keine Kreditklemme. Das Mittelstandsgeschäft bleibt ein zentrales Geschäftsfeld der Banken. Ich bin Frau Ministerin Thoben dankbar dafür, dass sie die nordrheinwestfälischen Bankenvertreter frühzeitig eingeladen hat,

(Beifall von der CDU)

um gerade diese Frage zu besprechen und zu klären. Ich bin froh über das Ergebnis, das sie uns gerade vorgetragen hat.

Die Konditionen für Kredite haben sicherlich bereits etwas angezogen. Am Ende betrachtet ist das aber noch nicht besorgniserregend.