Protocol of the Session on September 18, 2008

Zweitens. Warum sind die Franzosen so für Emission-Trading? Als Franzose wäre ich es auch, denn dann bräuchte ich nichts zu bezahlen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Die Windfall-Profits fallen EDF anheim, EDF geht auf Einkaufstour, und wir bezahlen das noch. Dieses System ist „hervorragend“.

(Beifall von FDP und CDU)

Drittens. Herr Kollege Römer, es ist doch selbstverständlich, dass sich jede Landesregierung bemüht, von den finanziellen Mitteln, die man bekommen kann, so viel wie möglich abzuschöpfen.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Aber ich halte es für eine Torheit, das auch noch so deutlich aufzuschreiben. Waren es nicht wir Deutschen, die gegenüber Großbritannien massive Vorwürfe erhoben haben, als Großbritannien nur dann in die EU eintreten wollte, wenn mindestens die von ihm eingezahlten Mittel nach Großbritannien zurückfließen würden? Waren nicht wir es, die das gemeinsame Europa beschworen haben? Dass das das Ziel ist, Herr Kollege Römer, ist völlig klar. Aber ich muss mich fragen, ob es Dummheit oder Naivität ist, dass Sie es hier hineinschreiben. Das können Sie vielleicht gleich beantworten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Herr Römer hat sich zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihre Position zum Emissionshandel bereits geändert haben. Ursprünglich wollten Sie ja – so haben Sie ausgeführt –, dass alles so bleibt, wie es ist, dass in der dritten Handlungsperiode genauso verfahren wird wie in der zweiten. Jetzt fordern Sie nur noch eine kostenlose Zuteilung

von Zertifikaten für Neuanlagen, für KWK-Anlagen und anderes mehr.

Das macht schon deutlich, dass Sie begriffen haben, dass Sie auf dem völlig falschen Weg sind. Sie haben ja noch nicht einmal Ihre eigenen Parteifreunde erreicht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich noch im Sommer dieses Jahres zusammen mit der SPD-Bundestagsfraktion für eine Vollauktionierung der Zertifikate an die Energiewirtschaft ausgesprochen. Auch die nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten haben mitgestimmt. Sie sind noch nicht einmal bei denen durchgedrungen.

(Ministerin Christa Thoben: Das war Minister Gabriel! – Gegenruf von Hannelore Kraft [SPD]: Das war die Fraktion und nicht Minis- ter Gabriel, Frau Thoben!)

Warum ist das denn so, Frau Thoben? Sie haben ein großartiges Gutachten in Auftrag gegeben, in dem Sie zwei Szenarien haben gegenüberstellen lassen: die Vollauktionierung und die vollständige kostenlose Zuteilung. Sie wissen, dass das völliger Quatsch ist, weil es eine kostenlose Zuteilung nicht geben wird. Das weiß jeder, der sich mit der Materie beschäftigt. Das zeigen die laufenden Diskussionen in Berlin, das zeigen die laufenden Diskussionen in Brüssel.

Aber selbst dieser theoretische Vergleich von der Verteilung kostenloser Zertifikate mit der Vollauktionierung bestätigt, dass Ihre noch bis zum August geforderte Linie der Vollausstattung schädlich ist. In der Studie selbst ist doch formuliert: kostenfreie Zuteilung führt zu Überkapazitäten. – Damit führt eine solche Allokation zu einer Verschwendung volkswirtschaftlichen Kapitals. In der Studie heißt es auch: kostenfreie Zuteilung vermehrt CO2-intensive Erzeugungskapazität. – Aber genau das will der Emissionshandel auf kosteneffiziente Weise verhindern.

Alle sind wir uns einig, meine Damen und Herren: Wir wollen, dass alte Kraftwerksblöcke abgeschaltet und durch neue ersetzt werden. Aber zu diesem Punkt zeigt das EWI-Gutachten eindeutig die Auswirkungen der von Frau Thoben geforderten kostenlosen Zuteilung auf. Ich zitiere aus dem Gutachten: Kraftwerksstilllegungen werden durch die Aussicht auf fortgesetzte kostenfreie CO2-Rechtezuteilung verzögert. – Frau Thoben, damit wird durch Ihr eigenes Gutachten konterkariert, was Sie vorgeben, erreichen zu wollen.

Dieser theoretische Befund des EWI-Gutachtens ist doch im rheinischen Revier bei den Uraltblöcken in Frimmersdorf ganz praktisch zu beobachten: Deshalb laufen sie noch. – Der Vorstand von RWE gibt das auch ganz offen zu.

Das Gutachten, Frau Thoben, das Sie in Auftrag gegeben haben, verfehlt doch die entscheidende Fragestellung, die für einen Investor lautet: Lohnt sich der Bau eines neuen Kraftwerks, um damit in

Konkurrenz zu abgeschriebenen, ineffizienten Altblöcken zu treten? Nur wenn das so ist, bekommen wir mehr Wettbewerb. Auf diesen Vergleich kommt es doch an. Schaffen wir es, den Emissionshandel zu nutzen, um Altanlagen durch Neuanlagen zu ersetzen?

Wie ist die Faktenlage, auf die es ankommt, auch nach dem EWI-Gutachten? Neues Kraftwerk: Vorteil von 0,5 Cent pro Kilowattstunde bei den Zertifikatkosten. Abgeschriebenes altes Kraftwerk: Vorteil von 2,1 Cent pro Kilowattstunde bei den nicht zu stemmenden Investitionskosten. Was ist das Ergebnis? Es gibt keine wirtschaftliche Chance für neue Kraftwerke, wenn es keinen echten Innovationsschub gibt.

Weil Sie mich gescholten haben, ich befände mich nicht im Einklang mit den Vorstellungen der Industrie, zitiere ich aus einem Brief von Trianel Energie, den ich heute zu genau diesem Punkt erhalten habe: Ihre Initiative, den Bau hocheffizienter Kohlekraftwerke durch dringend notwendige Investitionsanreize zu befördern, begrüßen wir sehr. – Frau Thoben, wir sind sehr nahe bei denjenigen, die, wenn es um Kraftwerksvorhaben geht, die Realität nicht aus dem Blick verlieren – im Gegensatz zu Ihnen!

(Lachen und Kopfschütteln von Ministerin Christa Thoben)

Die Daten habe ich genannt. Zum Schluss komme ich zur politischen Vorgehensweise.

Wie hoch sind denn die Durchsetzungschancen für ein Braunkohle-Benchmark? Welche Verbündeten gibt es in diesem Kampf für Sie, Frau Thoben?

Wir wissen Folgendes: Im Deutschen Bundestag hat die Große Koalition die Bundesregierung noch vor dem Sommer dazu aufgefordert, eine gegenteilige Position aktiv zu vertreten, um in der Kommission und im Ministerrat durchzusetzen, dass in der Stromwirtschaft Zertifikate ab 2013 zu 100 % versteigert werden.

Wie ist die Lage in Nordrhein-Westfalen? Weder E.ON noch Evonik Steag unterstützen die RWEForderung nach einem Benchmark. Es gibt keine gemeinsame Position in der nordrheinwestfälischen Energiewirtschaft.

Wie sieht das in der Bundesregierung aus? Die Minister Glos und Gabriel haben sich auf eine Position geeinigt, die Ihre Vorstellung überhaupt nicht vorsieht.

In Brüssel – Sie haben es gerade angesprochen, aber vergessen, auf einen wichtigen Punkt hinzuweisen – hat der Industrieausschuss solche Anträge kürzlich abgelehnt.

Sie aber, Frau Thoben – Sie haben es gerade noch einmal gesagt – kämpfen dennoch unverdrossen für einen eigenen Benchmark für Braunkohle.

Ich fasse zusammen. Das Bild ist für Sie trostlos: ein Gutachten, das trotz abwegiger Vorgaben nicht das bestellte Ergebnis liefert, eine Showveranstaltung in Brüssel ohne Chance auf Umsetzung.

Was ist das Ergebnis für uns? Die Chance, mit einer solchen Vorgehensweise überhaupt etwas für Nordrhein-Westfalen zu erreichen, wird leichtfertig von der schwarz-gelben Landesregierung vertan. So kann man das Energieland Nordrhein-Westfalen nicht regieren!

(Beifall von der SPD)

Frau Thoben, weil Sie eine indianische Weisheit angeführt haben, gebe ich Ihnen gerne eine solche zurück: Frau Thoben, Sie reiten mit Ihrer Forderung ein totes Pferd.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Steigen Sie endlich ab, sonst wird das Ganze nur noch peinlich für Sie und ein Desaster für unser Land! – Glück auf für unser Land!

(Beifall von der SPD – Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt noch einmal Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es geht um die Zukunft und um das Leben in NordrheinWestfalen. Deshalb müssen Sie sich schon anhören, was hier gesagt wird, wenn es um die Interessen dieses Landes geht. Weder die Landesregierung noch die Koalitionsfraktionen haben in dieser Debatte irgendeine Antwort gegeben, wie die Interessen Nordrhein-Westfalens durchgesetzt werden sollen und ob Sie diese Interessen überhaupt vertreten. Darum geht es heute.

(Norbert Römer [SPD]: Sie haben keine Ant- wort!)

Ich lasse die Standortfrage, auf die Herr Kollege Römer schon hingewiesen hat, einfach weg. Ich lasse die Frage nach den energie- und klimapolitischen Erfordernissen weg. Wenn es allein um die Vertretung der Landesinteressen geht, muss ich feststellen, dass die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen aus ideologischer Verblendung den praktischen Nutzen nicht sehen,

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch Quatsch!)

den ein Weg bringt, uns gemeinsam aufzustellen und gemeinsam die Interessen dieses Landes durchzusetzen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Wer ist denn der Chefideologe?)

Frau Ministerin, Herr Römer hat es angesprochen: Wo sind Ihre Bündnispartner? Wie wollen Sie die Position, die Sie hier eben verkündet haben, in Brüssel durchsetzen? Sie sind doch schon zehnmal gegen die Wand gelaufen. Wollen Sie uns etwa dazu bringen, noch zehnmal dagegen zu laufen? Irgendwann müssen Sie doch erkennen, dass das, was Sie wollen – und was wir im Übrigen für politisch falsch halten –, nicht durchsetzbar ist und dass man sich für das Land Nordrhein-Westfalen aufstellen muss.

Etwas verräterisch war Ihr Satz, Sie würden sich rechtzeitig darum bemühen. Das ist ja das Konstrukt. Sie verhalten sich an diesem Punkt ideologisch.

(Ministerin Christa Thoben: Es geht um 2013, Herr Remmel!)

Deshalb können Sie sich nicht für die Interessen dieses Landes einsetzen. – Sie sagten, Sie würden sich rechtzeitig darum kümmern.

(Ministerin Christa Thoben: Die Gelder gibt es 2013!)

Ja, aber alle anderen kümmern sich schon darum und stellen sich schon auf. Nur Nordrhein-Westfalen sagt: Wir wollen davon nichts wissen.

Sie haben ja recht mit dem Bild vom Bären: Man darf das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Aber, Frau Ministerin, man darf sich auch nicht in die Höhle zurückziehen, darüber reden, wie man eine Bärenfalle aufstellt, und gleichzeitig die Abschaffung der Jagd propagieren. Das jedoch haben Sie hier und heute getan.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von Mi- nisterin Christa Thoben)