Protocol of the Session on September 18, 2008

Vor diesem Hintergrund ist es begrüßenswert, dass sich auf Bundesebene zumindest darauf geeinigt wurde, dass man einer Richtlinie nur zustimmen wird, wenn die Ausnahmen darin bereits festgelegt sind. Eine Verschiebung der Benennung der Ausnahmen bis 2011 wäre ein fatales Signal im Hinblick auf die Planungssicherheit der Unternehmen.

Meine Damen und Herren, dass auch die SPD in ihrem Antrag die Deindustrialisierung verhindern will und zumindest eingesteht, dass eine Abwanderung von Industrien nach außerhalb der EU keine Verbesserung für das Klima bringt, kann man nur ausdrücklich begrüßen. Trotzdem kämpft Herr Gabriel auf Bundesebene dafür, dass nur Branchen mit einem Handelsvolumen von mehr als 30 % außerhalb der EU kostenlos Zertifikate zugeteilt bekommen. Das ist meines Erachtens ein Stück aus dem Tollhaus. Dem entspricht fast keine Branche. Wir sollen doch die energieintensiven Unternehmen entlasten. Deshalb ist eine Orientierung am Anteil der Energiekosten meines Erachtens der richtige Weg.

Sie berufen sich in Ihrem Antrag auf Prof. Schellnhuber. Dazu gibt es einen interessanten Artikel im „Handelsblatt“ vom 29. August, den ich zitieren möchte:

Klimaschützer sehen die Belastungen für die Industrie gelassen. So hatte etwa Hans Joachim Schellnhuber, Klimaschutz-Berater von Bundeskanzlerin Merkel und Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung, kürzlich davor gewarnt, zu weit gehende Ausnahmeregeln im Emissionshandel zuzulassen.

Schellnhuber wird weiter zitiert:

Es müssten Branchen verschwinden, die nicht mehr zeitgemäß seien.

Meine Damen und Herren, da sieht man, aus welchem Holz Herr Schellnhuber geschnitzt ist. Welche Branchen sollen denn komplett verschwinden? Alle energieintensiven oder die Chemieindustrie? Die Glas- oder die Papierherstellung oder gar die Zementindustrie? Die Frage müssen Sie beantworten. Meine Damen und Herren, ist das alles nicht mehr zeitgemäß? Wir reden hier über 700.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland.

Ich weiß, dass sich die Damen und Herren von der SPD diese Ansichten von Prof. Schellnhuber sicherlich nicht zu eigen machen wollen. Deshalb sollten wir vorsichtig sein, wen wir da vor den Karren spannen; denn dem Verschwinden von energieintensiven Branchen aus Deutschland kann man nicht gelassen entgegensehen. Daran hängen Arbeitsplätze und Existenzen. Und für das globale Klima bringt es herzlich wenig, wenn die Anlagen dann in Russland, in der Ukraine oder in China stehen. Darüber besteht sicherlich auch unter fast allen hier im Hause Einigkeit.

Meine Damen und Herren, die Frage der Ausgestaltung des Emissionshandels ist aber noch viel grundsätzlicher, als es in Ihrem Antrag dargestellt wird. Wir müssen uns doch im ersten Schritt fragen, ob eine Vollauktionierung überhaupt einen ökologischen Vorteil hat. Ich sage Ihnen: Nein, das hat sie nicht. Wenn man die CO2-Emissionen verringern will, reicht es völlig aus, den Teil der Emissionsrechte zu versteigern, der über das von der EU als Obergrenze Festlegte hinausgeht. Zum Erreichen dieses Ziels ist die Vollauktionierung also gar nicht notwendig.

Wenn ich alle Zertifikate der Versteigerung preisgebe, schaffe ich lediglich eine Gelddruckmaschine für die Finanzminister. Die finanzielle Belastung für die Industrie beläuft sich nämlich auf 6 bis 7 Milliarden €.

Mittlerweile gibt es auch einige Studien, die das verdeutlichen. Hier möchte ich auf die Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung vom Montag zurückgreifen, nach der eine Vollauktionierung erhebliche Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum und die Beschäftigung haben wird.

ThyssenKrupp sieht 10.000 Arbeitsplätze am Standort Duisburg in Gefahr. Am dramatischsten ist es in der Papierindustrie. Die Belastung durch den Emissionshandel würde dort 350 Millionen € ausmachen – in einer Branche, die im den letzten Jahr gerade einmal 75 Millionen € Gewinn übrig behalten hat. Dies würde das Aus für diese Branche bedeuten. Ich glaube, das wäre auch nicht im Sinne der SPD.

Insofern können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir wollen auch keine Deindustrialisierung und setzen daher darauf, dass es nicht zur Vollauktionierung kommt und frühzeitig die Ausnahmeregelungen festgelegt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD beleuchtet eine große strategische Fehleinschätzung dieser Landesregierung mit sehr negativen langfristigen Folgen für Nordrhein-Westfalen. Statt einem garantierten Rückfluss eines Teiles der Einnahmen aus dem Emissionshandel für die energetische Modernisierung das Wort zu reden und dies auch durchzusetzen, kämpft diese Regierung für weitere kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte in der Braunkohle. Das erinnert mich fatal an Diskussionen, die wir auch bei den Agrarsubventionen führen. Es wird immer auf dem Status quo beharrt, anstatt an die Zukunft zu den

ken und das zu berücksichtigen, was garantiert auf uns zukommen wird.

(Beifall von Svenja Schulze [SPD])

Um es in ein Bild zu packen: Wenn es Brei regnet, hat diese Landesregierung nach meinem Eindruck nicht einmal die Löffel, die sie heraushalten müsste, um auch etwas von dem Brei abzubekommen.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Zusätzlich sagt sie dann auch noch: Wir wollen gar nicht, dass es Brei regnet.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Dabei ist klar, dass es Brei regnen wird, meine Damen und Herren. Die Regierung spricht sich für die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten und gegen die vollständige Auktionierung beim Emissionshandel aus. Frau Ministerin, im Übrigen ist die vollständige Auktionierung der Emissionsrechte für die Stromwirtschaft Absicht der EU-Kommission und bisher auch der Regierungsfraktionen in Berlin. Der Emissionshandel ist Teil der europäischen und der deutschen Klimastrategie.

In der ersten Phase haben die Unternehmen die Emissionsrechte kostenlos zugeteilt bekommen. In der zweiten Phase mussten sie 10 % der Emissionsrechte bezahlen und haben wiederum 90 % kostenlos erhalten. In der dritten Phase, deren Parameter jetzt festgelegt werden, soll die Stromwirtschaft ihre Emissionsrechte bezahlen – zu Recht.

Das kann – dies bestätigt selbst die CDULandesregierung in Baden-Württemberg – nicht zu Preissteigerungen führen, weil die Energieversorger die kostenlos gegebenen Emissionsrechte bereits in der laufenden Periode eingepreist haben. Das ist in einer Reihe von Gerichtsverfahren bereits festgestellt worden.

Insofern müssen Sie sich entscheiden, ob Sie den Energieversorgern diese Windfall-Profits weiter überlassen wollen oder ob Sie – und das ist die entscheidende Frage – die Einnahmen aus dem Emissionshandel nutzen wollen, um damit vernünftige und dringend notwendige Maßnahmen in unserem Land zu finanzieren.

Damit komme ich auf die Zahlen zu sprechen. Herr Kollege Römer hat sie schon erwähnt. NordrheinWestfalen ist in dieser Frage nämlich außerordentlich betroffen. Wir setzen 44 % der Emissionen frei, die in der Bundesrepublik Deutschland vom Emissionshandel erfasst werden. Das heißt, dass von 1 Milliarde €, die der Bund dieses Jahr einnimmt, 440 Millionen € aus Nordrhein-Westfalen kommen. Zurück nach Nordrhein-Westfalen kommen aktuell aber gerade einmal 66 Millionen €. Das entspricht doch nicht dem Gewicht von Nordrhein-Westfalen und auch nicht den Notwendigkeiten in unserem Bundesland.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei einer vollständigen Auktionierung würden wir hingegen über jährliche Einnahmen von 10 Milliarden € reden, davon 4 bis 5 Milliarden € aus Nordrhein-Westfalen.

Das bedeutet, dass die Weichenstellungen dahin gehend, wo die Gelder in Zukunft ausgegeben werden, jetzt getroffen werden. Dass die Gelder kommen werden, ist klar. Aber wo werden sie ausgegeben? Es wäre doch Aufgabe dieser Regierung, sich jetzt schon aufzustellen und prioritär dafür zu sorgen, dass die Einnahmen, die in Nordrhein-Westfalen generiert werden, auch wieder hier eingesetzt und ausgegeben werden – beispielsweise beim Gebäudebestand, bei dem erheblicher Sanierungsbedarf besteht. Wir haben zugegebenermaßen eine Kohlelastigkeit in der Stromerzeugung; dafür zahlen wir ja auch für die Verschmutzungsrechte. Wir haben eine hohe Besiedlungsdichte und einen unterproportionalen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Wir haben eine große Zahl Nachkriegsgebäude mit hohem energetischen Sanierungsbedarf.

Unser Landeshaushalt ist außerordentlich angespannt. Auch weil wir für diese Aufgaben keine Mittel aus dem Landeshaushalt verwenden können, besteht die Notwendigkeit, dass die Landesregierung sich entsprechend aufstellt. Sie müsste eigentlich die Frage beantworten, wie denn die angekündigten Klimaschutzziele – die teilweise wenig ambitioniert sind – insgesamt erreicht werden sollen. Das müsste mit den notwendigen Finanzmitteln hinterlegt werden. Dies ist bis heute nicht erfolgt.

Hierfür werden die Einnahmen aus dem Emissionshandel dringend benötigt. Damit könnten auch Lücken geschlossen werden, die sich in der bisherigen Argumentation auftun.

Aber was macht diese Regierung? Wie wir von Herrn Weisbrich und Herrn Brockes heute noch einmal gehört haben, hält sie weiter an der Vorstellung fest, der Industrie in Nordrhein-Westfalen die Zuteilung kostenlos zu gewähren. Diese Position wird sich in der Diskussion nicht durchtragen. Letztlich werden Sie damit alleine stehen bleiben.

Die Relation, dass wir 44 % liefern, aber nur 6,6 % zurückbekommen, muss sich dringend ändern, und da muss sich unsere Regierung politisch entsprechend aufstellen. Auch wenn man möglicherweise einen Teil, was wir nicht wollen, nicht dem Auktionshandel unterwirft, wird es immer noch einen beträchtlichen Teil an Finanzmitteln geben, für den wir als Bundesland kämpfen müssen, damit wir diese Mittel nach Nordrhein-Westfalen bekommen.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Sie wollen jedenfalls nicht, dass es nach Nordrhein-Westfalen zurückkommt. Das liegt nicht im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen. Dies ist in der heutigen Debatte deutlich geworden.

(Christian Weisbrich [CDU]: So ein Quatsch!)

Sie haben am Thema vorbeigeredet. Sie haben nämlich keinen einzigen Vorschlag gemacht,

(Beifall von den GRÜNEN)

wie Sie sicherstellen wollen, dass das Geld wirklich nach Nordrhein-Westfalen zurückfließt.

Dass andere Landesregierungen kein Interesse an einer Rückführung haben, hat bereits die badenwürttembergische Landesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage meines Grünen-Kollegen Franz Untersteller deutlich gemacht. Sie hat sich nämlich gegen eine Rückführung, orientiert an den Ländern, ausgesprochen, weil davon ja Nordrhein-Westfalen profitieren würde. Die baden-württembergische Landesregierung sagt: Wenn man es 1:1 tut, würde insbesondere Nordrhein-Westfalen profitieren. Was für eine Vorlage, Frau Ministerin, jetzt endlich zu sagen: Das sind die Interessen NordrheinWestfalens, und diese setze ich durch! – Ich erwarte Ihren Beitrag in diese Richtung. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Thoben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorwegstellen: Man soll das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er geschossen ist, und das erst recht nicht,

(Beifall von CDU und FDP)

wenn es sich um einen so komplizierten Problembären wie den Emissionshandel handelt.

(André Stinka [SPD]: Daran ist schon Herr Stoiber gescheitert!)

Darüber hinaus sollte man keine Anträge schreiben und stellen, wenn man von der Materie nichts versteht.

(Beifall von CDU und FDP – Johannes Remmel [GRÜNE]: Sie sollten vielleicht schon eine Bärenfalle aufstellen! – Norbert Römer [SPD]: Aber Sie werden es uns jetzt erklären!)

Ich komme nun zu den Inhalten des Antrags. Was, meine Damen und Herren von der SPD, wollen Sie erreichen? Zum einen wollen Sie unsere Industrie vor negativen Folgen des Emissionshandels schützen. Das ist lobenswert. Das will die Landesregierung auch, und daran arbeiten wir unter Hochdruck.

Sie machen jedoch auf halbem Weg Halt. Sie fordern eine Vollausstattung der energieintensiven Branchen auf Benchmark-Basis. Das tut die Landesregierung bereits seit langem intensiv. Warum