Protocol of the Session on December 8, 2020

Welche Anreize geben wir also Kommunen mit diesem Haushalt, ihren Flächenverbrauch zu reduzieren? Gar keine. Denn es bekommt auch die Kommune Mittel für Investitionen, die rundherum Gewerbegebiete ausweist - z. B. für immer größere

Online-Lagerhallen. Dass sie damit einen Großteil der zusätzlichen Lkw-Verkehre und das Aussterben innerstädtischen Gewerbes befördert, wird quasi belohnt. Ein Kurort, der Naturfläche schützt, ist da entschieden im Nachteil. Unsere Kleine Anfrage dazu hat bestätigt, dass der Landesregierung dieses Problem zwar bekannt ist. Die Notwendigkeit, hier zu handeln, wird aber nicht gesehen.

Zweitens. Emissionen sollen 2030 um 40 % bis 42 % gesenkt werden. Das 2020er-Ziel lag bei minus 34 %. Verkehr und Landwirtschaft reißen dieses Ziel gerade rigoros bei nur minus 0,2 %. Was bieten wir also Kommunen, wenn sie sich an die Veränderung der Mobilität und ihrer Landwirtschaft machen? Bezüglich ihrer Mobilität scheitern sie schon an eigenen Konzepten, weil Landes- und Bundesstraßen nach Straßenverkehrsordnung

z. B. ganz andere Maßstäbe setzen. Bezüglich ihrer Landwirtschaft haben sie eventuell eine Chance, weil sich regionale Produkte und Bioprodukte immer besser verkaufen lassen. Was aber tun, wenn im Ort kaum noch jemand wohnen will und Nahversorgung, Arztbesuche, Sportvereine oder Kitas Mangelware sind?

Welche Landwirtin oder welcher Landwirt baut einen Stand dort auf, wo kaum noch jemand wohnt und wo man mit dem Supermarkt im nächsten Ort sowieso nicht konkurrieren kann? Modellkommunen, die übrigens auch gemeinsam versuchen, all das zu entwickeln, wären ein wichtiges Angebot gewesen. - Fehlanzeige.

Wir gefährden die politische Handlungsfähigkeit unserer Kommunen, die ihre Infrastruktur und das Gemeinwesen in diesen Tagen selbst haushaltspolitisch diskutieren. Die Gewerkschaften haben gerade ihre Forderungen, die für unsere Kommunen essenziell sind, benannt: Investitionen, öffentlicher Dienst, Wertschätzung und Zusammenhalt.

Gucken wir uns die Vereine und den Sport an! Der finanzielle Druck führt dazu, dass viele freiwillige Angebote gekürzt werden müssen. Vereinszuschüsse werden reduziert, es fehlen die Mittel für nicht organisierten Sport. Schwimmbäder und Kinderbüchereien werden geschlossen, und viele weitere Bereiche sind von Einschnitten betroffen, die die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten zusammen mit den Räten in den Kommunen demnächst auf den Weg werden bringen müssen.

Digitalisierung: Alle Kommunen, die von der Kommunalprüfung zu ihrem IT-Managementsystem befragt wurden, waren von Cyber-Attacken betroffen. Gerade kleinere Kommunen sind hier im

Nachteil und können die Chancen der Digitalisierung überhaupt nicht nutzen. Datenschutz ist ein hohes Gut, und er schützt auch unseren Rechtsstaat. Auch wenn die niedersächsische Datenschutzbehörde die Beratungs- und Kontrolltätigkeit für Kommunen durch besondere Angebote gestärkt hat, steigt die Zahl der Anfragen an das Landesamt und damit auch der Personalbedarf. Für die IT-Begleitung und datenschutzrechtliche Prüfungen von Unternehmen und Kommunen fordern wir daher weitere Stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Migration: Im migrationspolitischen Teil des Haushaltsplanentwurfes wird auch dieses Jahr wieder die Ignoranz der Großen Koalition gegenüber dem weiterhin großen Bedarf an Integrationsleistungen offenbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, es ist doch mitnichten so, dass wir und die Kommunen angesichts sinkender Zuwanderungszahlen weniger Integrationsleistungen

bräuchten. Integration ist eine langfristige Aufgabe. Die deutsche Sprache lernt man nicht in ein oder zwei Jahren, auch Teilhabe an unserem gesellschaftlichen und politischen System nicht. Selbst die Aufnahmegesellschaft lernt nicht im Handumdrehen, mit gesellschaftlicher Vielfalt umzugehen. Bei ihr sind schnell antidemokratische und fremdenfeindliche Tendenzen zu erkennen, sobald die Situation fordernder wird. Das können wir ganz unabhängig vom Migrationspaket an der CoronaSituation beobachten.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Wir fordern deshalb, die Kürzung der Mittel für die Förderung der Teilhabe zugewanderter Menschen und der Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt zurückzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier geht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der gerade in diesen Zeiten so wichtig ist. Machen Sie nicht den Fehler, ihn aufs Spiel zu setzen, um ein paar Hunderttausend Euro zu sparen, wo an anderer Stelle mit Milliarden nicht gegeizt wird.

Beim Sonderfonds zur Unterstützung und Förderung des lebenslangen Lernens wird im Haushaltsplanentwurf ebenfalls seit Jahren gekürzt. Die Landesregierung ignoriert auch in diesem Jahr wieder die Lage und versucht, sie zu beschönigen. Dass hier Mittel deutlich angehoben werden müs

sen, um dem Bedarf in Höhe von 30 Millionen Euro gerecht zu werden, ist uns allen klar.

Ebenso sind weiterhin Mittel für die Fortsetzung der Förderung bürgerschaftlichen Engagements in der Flüchtlingshilfe erforderlich. Wir können doch allesamt froh sein, dass sich Menschen in den Kommunen hier so stark engagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie engagieren sich übrigens auch in der Kommission für Migration und Teilhabe. Seit einem Jahr arbeitet diese Kommission des Landes intensiv an der Auseinandersetzung mit Rassismus. Der Aktionsplan gegen Rassismus ist ein großartiges und längst überfälliges Angebot an uns alle. Einstimmigkeit in der Kommission über den Aktionsplan - Sie alle haben ihn mitgetragen. Breite und zustimmende Unterstützung der Fraktionen. Und was passiert? Sie beteuern zwar einmütig, dass Sie den Aktionsplan total wichtig und notwendig finden, aber die Mittel in Höhe von knapp 1 Million Euro haben Sie im Haushalt nicht veranschlagt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Un- fassbar!)

Im Rahmen der Studie zu Polizeiarbeit und Rechtsextremismus soll untersucht werden, wie sich der Alltag der Polizei auf das Verhalten und die Einstellung der Polizeibeamtinnen und -beamten auswirken kann. Auch unser Innenminister wirbt für eine Polizeistudie, die auch Extremismus in den Fokus nimmt. Wir greifen die Initiative der SPD-Landtagsfraktion auf und unterstützen im Haushalt 2021 das Programm „Polizeischutz für die Demokratie“ zur Stärkung einer offenen und dialogorientierten Bürgerpolizei mit weiteren Haushaltsmitteln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zielführender ist es, wenn wir dabei darauf achten, dass Rassismus und Rechtsradikalismus auseinandergehalten werden sollten. Ich wiederhole mich: Rassismus betrifft uns alle.

(Beifall bei den GRÜNEN - Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Katastrophenschutz: Wir sehen einen Zuschussbedarf für Investitionen an die im Katastrophenschutz mitwirkenden Hilfsorganisationen in Höhe von rund 4,3 Millionen Euro. Dieser Betrag ist dringend erforderlich für die Erfüllung des landeseinheitlichen Konzeptes für die Anschaffung von Spezialfahrzeugen und des hier bestehenden Nachholbedarfs. Der Landesbeirat Katastrophenschutz

hat bereits 2018 einen jährlichen Betrag von 6 Millionen Euro hierfür eingefordert.

Ich möchte eine grundsätzliche Kritik an unseren Haushaltsplänen - und ich schließe mich ausdrücklich ein - üben, weil wir uns in einem Paradigmenwechsel befinden. So, wie wir es machen, können sie für die nächsten zehn Jahre nicht mehr die Grundlage sein.

So, wie wir diese Haushalte gestalten und verabschieden, gehorchen wir einem nach meiner Ansicht völlig veralteten Prinzip, das fein trennt in Sektoren und den Geldbedarf pro Sektor errechnet. Wir gucken nämlich nicht, was interdisziplinäres Zusammenarbeiten bedeutet, welche Zusammenhänge und Chancen eigentlich notwendig sind und wie wir das sektorübergreifend bewerten müssen.

Wir wissen, dass sich die Welt verändert und mit ihr die Produktion, der Handel, die Arbeit, die Arbeitsplätze usw. Die uns nachfolgende Generation wird herausgefordert sein, unsere Hinterlassenschaften - und dazu zähle ich auch festgefahrene Systeme und Strukturen - zu bewältigen, und zwar so, dass es eine Chance gibt, ein Weiterleben mit dem Klimawandel zu gestalten.

Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Menge. - Es geht weiter mit der SPD-Fraktion. Ich rufe den Kollegen Ulrich Watermann auf. Herr Watermann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der wir einer großen Herausforderung begegnen. Wir sind ihr schon einmal begegnet, und zwar im Zusammenhang mit der großen Welle der Schutzsuchenden, die zu uns kamen. Das ist eine Situation, in der wir Politik gestalten, die verlässlich ist, die grundsolide sein muss, die Probleme aufgreift und dafür Lösungen bietet.

Ich rede über einen Innenhaushalt, der dies mit 2,7 Milliarden Euro und einer Steigerung um 41 Millionen Euro ganz solide tut. In Zeiten wie diesen tut es, glaube ich, gut, wenn auf der einen Seite nicht überschwänglich Dinge gelobt werden, auf der anderen Seite aber auch in der Kritik ein bisschen Mäßigung geübt wird.

Denn ich glaube, dass diejenigen, die unsere Politik von außen begleiten, es gut finden, wenn sie sich auf Solides verlassen können. Und solide verlassen kann man sich auf diesen Innenhaushalt. Denn er stellt dar, dass die Polizei ein wichtiger Faktor ist. Die 2017/2018 650 neu eingestellten Anwärter werden im nächsten Jahr ihren Dienst aufnehmen. Wir reden also über mehr Polizei - über die meisten Polizeistellen, die wir je hatten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir investieren bei der Polizei in Ausbildung und in die Entwicklung des IT-Bereichs. Ich sage ganz deutlich: Wir gehen auch respektvoll mit den Sicherheitskräften um. Wir skandalisieren nicht, sondern wir stecken viel in die Ausbildung und in die bestehenden Fragestellungen vor dem Hintergrund verschiedener Studien, um diese Sicherheit darzustellen und die gute Ausbildung noch zu stärken.

Wir bemühen uns auch um das Thema CyberKriminalität. Wir versetzen unser LKA in die Lage, Projekte entwickeln zu können, um ihr Herr zu werden.

Wir haben also einen Innenhaushalt, der Sicherheit durch die Polizei darstellt.

Über die mittelfristige Finanzplanung ist die Ausstattung des Katastrophenschutzes mit Fahrzeugen abgebildet. Bei den Rettungskräften, bei den Blaulichtorganisationen greifen wir gerade wieder auf Menschen zurück, die uns in der aktuellen Zeit helfen. Sie haben uns auch damals geholfen, als die Schutzsuchenden kamen. Dafür möchte ich mich recht herzlich bei ihnen bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir geben trotz angespannter Finanzsituation auch nach wie vor viel Geld für den Sportbereich aus. Wir stützen die Vereine, die ihren Betrieb aktuell nicht aufrechterhalten können. Aber wir geben auch dem Landessportbund immense Mittel, um diese Arbeit zu begleiten.

Wir haben eine halbe Million Euro zusätzlich für die Integration im Sport zur Verfügung gestellt. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger Bestandteil, den Vereinen eine Perspektive für die Zeit nach Corona zu geben.

Meine Damen und Herren, man kann die kommunale Seite so betrachten, wie das eben geschehen ist - aus einer defizitären Perspektive. Ich neige nicht so sehr dazu, weil ich glaube, dass die Kom

munen den bestehenden Herausforderungen gerecht werden. Und wir werden unserer Verantwortung gerecht. Wir werden das tun, was wir tun können. Ich glaube, auch die kommunale Seite muss im Rahmen einer Aufgabenkritik bestimmte Dinge umsteuern - so, wie wir das mit diesem Landeshaushalt auch machen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden also über etwas Grundsolides - nicht über neue, sprudelnde Ideen. Aber in Zeiten wie diesen, in denen wir uns einer solchen Situation ausgesetzt sehen, ist es, glaube ich, auch einmal ganz angenehm, solide Politik zu machen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns beschäftigt noch etwas, was uns auch in diesem Landtag schon oft beschäftigt hat: nämlich unsere Kommunikation. Wir setzen uns über die richtigen Ideen auseinander und stellen die Frage, ob man hier oder dort noch einen anderen Akzent setzen kann. Ich glaube, dass es auch denen, die draußen in Verantwortung sind - den Sicherheitskräften, den Kräften in den Pflegeinrichtungen, aber auch in den Krankenhäusern und in vielen anderen Bereichen -, viel besser ginge, wenn es von uns nicht jeden Tag eine weitere Zuspitzung gäbe. In Corona-Zeiten müssen wir als Demokraten aufpassen, dass wir nicht weiter an dieser Schraube drehen und nur noch den Skandal in den Mittelpunkt stellen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)