Protocol of the Session on October 8, 2020

(Jörg Bode [FDP]: Unglaublich!)

Was zeigt die Beantwortung der Frage? Sie zeigt, dass wir aktuell eine Unterkapazität im Maßregelvollzug von 101 Plätzen haben, die eigentlich belegt werden müssten. Gegen 58 dieser Personen laufen Ermittlungsverfahren, bzw. diese Personen haben Straftaten begangen. Dennoch redet die Landesregierung immer noch davon, dass irgendwann im Laufe des Jahres 2021 - man könne aber den Menschen in Niedersachsen noch nicht sagen, wann genau - 32 Plätze geschaffen werden.

Wir alle wissen, weil wir in Mathematik, wie ich glaube, gut genug aufgepasst haben, dass es nicht ausreichen wird, nur 32 zusätzliche Plätze zu schaffen. Damit nimmt man eben doch billigend in Kauf, was nach Aussagen der Justizministerin auf der Hand liegt, nämlich dass diese Menschen erneut Straftaten begehen.

Der Maßregelvollzug erfüllt zwei Aufgaben.

Er erfüllt zum einen natürlich die Aufgabe, Opfer zu schützen, indem er dafür sorgt, dass die Straftäter im Maßregelvollzug keine weiteren Straftaten begehen können. Das ist auch Sinn und Zweck; deswegen werden sie verurteilt und weggesperrt.

Die zweite Aufgabe ist, den Maßregelvollzug in Verbindung mit einer entsprechenden Behandlung durchzuführen, damit diese Menschen von ihrer Suchterkrankung befreit werden und in der Folge keine weiteren Straftaten mehr begehen. Beidem wird Niedersachsen aktuell nicht gerecht.

Wir erwarten von der Landesregierung, dass hier deutlich schneller gehandelt wird, um die Menschen in Niedersachsen zu schützen. Die Justizministerin hat es ausgeführt: Es geht um Betäubungsmitteldelikte, es geht um Wohnungseinbrüche, es geht um Raubdelikte, es geht um Vergewaltigung. Diese Menschen sind nach wie vor ein Sicherheitsrisiko, wenn wir sie nicht im Maßregelvollzug unterbringen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben die Aufgabe, die Menschen zu schützen. Die Landesregierung muss dieser Aufgabe endlich gerecht werden! Sie darf den Menschen nicht erklären - wie es der Staatssekretär versucht hat -: Da ist nichts passiert; das können wir uns nicht vorstellen!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Es ist etwas passiert! Es gab Opfer durch diese Straftaten. Wir haben die Aufgabe, die Opfer zu schützen, und die Landesregierung hat die Aufgabe, diese Problematik endlich ernst zu nehmen und ihre Geschäftsbereiche in Ordnung zu bringen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Ich rufe jetzt den Kollegen Volker Meyer von der CDUFraktion auf. Herr Meyer, Sie haben das Wort. Auf geht’s!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei unserer Justizministerin Barbara Havliza bedanken. Endlich ist einmal deutlich geworden, wie sich die Situation mit denen, die draußen sind, wirklich darstellt. Ich glaube, das ist für uns alle hilfreich, um zu sehen, wie notwendig Veränderungen im Maßregelvollzug sind, und zwar nicht erst seit 2018, sondern schon viel früher.

Wenn wir uns das Thema Unterbringung anschauen, stellen wir fest, dass es gerade im niedersächsischen Maßregelvollzug überdurchschnittlich hohe Verweildauern gibt. Der Ländervergleich ist im Sozialausschuss mehrfach dargestellt worden.

Woran liegt das? Worin besteht das Problem? Das liegt daran, wie beide Redner vorhin bereits dargestellt haben, dass wir Schwierigkeiten haben, die Stellen im Maßregelvollzug zu besetzen. Nur wenn wir ausreichend Pflegekräfte und therapeutisches Personal haben, kann uns das gelingen, was wir alle hier gemeinsam erreichen wollen, nämlich dass diejenigen, die entweder psychisch krank sind oder Abhängigkeitserkrankungen haben, von diesen Erkrankungen geheilt werden und damit keine weiteren Straftaten begehen.

Daher kann ich nur an uns alle appellieren, gemeinsam zu versuchen, zu Verbesserungen zu kommen. Das ist auf der einen Seite die Schaffung neuer Plätze im Maßregelvollzug; das ist völlig unstreitig. Da ist die Landesregierung auch dran; die 32 Plätze sind angesprochen worden. Ich sage auch selbstkritisch, dass das nicht ausreichen wird, wie wir an den Zahlen sehen. Wir werden uns daher noch einmal deutlich mit dem Sozialministerium darüber auseinandersetzen müssen, wie wir in den nächsten Jahren zu mehr Plätzen kommen.

Nichtsdestotrotz brauchen wir auf der anderen Seite auch mehr therapeutisches Personal in diesem Bereich, um für die Plätze, die wir heute haben und die wir in Zukunft haben werden, adäquate Therapien anbieten zu können.

Ein weiterer Punkt, der uns immer wieder vor Probleme stellt, ist die Frage der Prognostizierung von Fallzahlen. Wir haben zwar in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Fallzahlen jährlich um etwa 5 % steigen. Wie sich die Rechtsprechung in diesen Bereichen entwickelt, können wir nicht weiter voraussagen. Nichtsdestotrotz wird auch an dieser Zahl deutlich, dass wir zu Veränderungen kommen müssen.

Wir alle haben gemeinsam den Auftrag, auf Veränderungen, auf Erweiterungen der Kapazitäten, auf mehr Personal hinzuwirken. Hieran sollten wir weiter mit Nachdruck arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Meyer, der Kollege Dr. Birkner möchte Ihnen gern noch eine Zwischenfrage stellen.

Natürlich, gern. Das habe ich nicht gesehen.

Die Wortmeldung kam auch ganz spät.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Meyer, wie bewerten Sie denn die Auskunft der Sozialministerin, dass das Justizministerium das Sozialministerium nicht über die weiteren Strafverfahren unterrichtet habe und deshalb der Staatssekretär die Öffentlichkeit falsch unterrichtet hat?

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Danke. - Herr Meyer, bitte!

Über die internen Abläufe innerhalb der Landesregierung bin ich nicht unterrichtet. Dafür bin ich dann leider doch zu weit entfernt. Wenn dem so ist, wie die Ministerin sagt, ist das sicherlich nicht gut. Das will ich hier so offen und ehrlich sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Nächster Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Ulf Prange. Herr Abgeordneter Prange, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es fehlen Plätze im Maßregelvollzug. Das ist aber keine neue Erkenntnis, sondern ein Thema, das den Landtag schon lange beschäftigt. Die Situation

ist unbefriedigend, und es besteht Handlungsbedarf. Ich will das nicht kleinreden, aber ich warne ausdrücklich davor, hier Ängste zu schüren und Panik zu verbreiten.

(Zuruf von der FDP)

Da appelliere ich ein bisschen an die Kollegen der FDP-Fraktion. Herr Kollege Försterling, Sie sind in der Debatte immer sehr leidenschaftlich. Aber ich glaube, bei einem solch sensiblen Thema wäre etwas mehr Zurückhaltung geboten gewesen.

Sie haben angesprochen, dass es hier um Sicherheitsbelange der Allgemeinheit und den Opferschutz und natürlich auch darum geht, dass die Menschen, die im Maßregelvollzug untergebracht sind, eine gute medizinische Betreuung und Therapieangebote bekommen. Beides müssen wir besser machen. Ich glaube, darin sind wir uns weitestgehend einig.

Das ist aber kein niedersächsisches Phänomen. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Problemlagen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass sich die angespannte Situation im Maßregelvollzug aus Aspekten ergibt, die auch in anderen Bundesländern auftreten. Wir haben gehört, dass die Fallzahlen zunehmen. Suchterkrankungen nehmen zu, es nehmen psychische Auffälligkeiten und Erkrankungen zu. Demzufolge kommt es vermehrt zu Unterbringungen entweder nach § 63 StGB, in dem es darum geht, dass jemand nicht schuldfähig ist, aber eine Gefahr darstellt, oder nach § 64, in dem es um Suchterkrankungen geht.

Parallel haben wir die Entwicklung zu verzeichnen, dass weniger Menschen aus den Maßregelvollzugsanstalten wieder zurück in die Gesellschaft kommen. Das hängt mit höheren gesetzlichen Anforderungen zusammen. Wir haben es aber auch mit dem Problem zu tun, das der Kollege Meyer angesprochen hat. Der angespannte Arbeitsmarkt für Pflegekräfte spielt hier eine große Rolle. Gerade im Maßregelvollzug ist es eine große Herausforderung, Pflegekräfte zu bekommen. Die Errichtung von Neubauten oder Erweiterungsgebäuden ist in der Anwohnerschaft schwierig zu vermitteln. Ich erinnere daran, dass es im Zusammenhang mit solchen Vorhaben immer wieder Ängste und Vorbehalte in der Bevölkerung gibt. Das muss man natürlich lösen. Man muss die Menschen mitnehmen.

Schließlich haben wir es auch noch - zumindest habe ich das so verstanden - mit den CoronaAuswirkungen zu tun, die dazu geführt haben,

dass in diesem Bereich weniger Entlassungen stattgefunden haben.

Das ist die Situation, die wir vorfinden. Sie führt zu einem Handlungsbedarf, den ich für die SPDFraktion sehr deutlich klarstellen will. Eines fällt mir dabei auf: Nicht nur im Maßregelvollzug haben wir zu wenige Plätze, sondern auch im Justizvollzug haben wir das Phänomen, dass wir zu wenige Haftplätze haben. Wenn ich mir anschaue, wie viel Zeit wir in Niedersachsen für öffentliche Bauvorhaben brauchen, dann geht mein Blick auf die andere Seite der Regierungsbank - der Finanzminister ist leider nicht da. Wir müssen wirklich darüber nachdenken, wie wir die Verfahren beschleunigen könnten.

Herr Kollege Prange, der Herr Kollege Försterling möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Ich möchte den Gedanken kurz Ende bringen. Danach gern. - Das gilt allgemein und grundsätzlich für öffentliche Bauvorhaben, aber insbesondere für die sicherheitssensiblen Bereiche wie Haft und Maßregelvollzug. Das ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam angehen müssen. Wir sind bereit, uns hier einzubringen.

Jetzt möchte ich gern die Zwischenfrage zulassen.

So machen wir das. Bitte sehr, Herr Försterling!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Kollege Prange. Ich möchte Ihren Gedanken aufgreifen, dass es schwierig ist, öffentliche Bauvorhaben in der gebotenen Kürze voranzubringen. Würden Sie der Landesregierung empfehlen, private Anbieter in diesem Bereich mit der Aufgabe des Maßregelvollzugs zu beleihen?

(Beifall bei der FDP)

Bitte sehr!

Die Frage hatte ich, als ich das Thema angesprochen habe, erwartet. Ich will das nicht ausschließen, würde mir aber wünschen, dass wir zunächst einmal an den Verfahren arbeiten, um sie zu optimieren und zu Beschleunigungen zu kommen, weil

die Projekte mit privaten Partnern, die Sie angesprochen haben, auf der Kostenseite durchaus Nachteile haben können. Aber alles, was es an Ideen gibt, gehört auf den Tisch, um zu Verbesserungen zu kommen.