„dafür Sorge zu tragen, dass die App so weiterentwickelt wird, dass sie auch auf älteren Endgeräten funktioniert. Nutzerinnen und Nutzer einer zu alten Version eines Smartphones - häufig Seniorinnen und Senioren oder Menschen, die sich ein neueres Handy nicht leisten können und gegebenenfalls zu einer Risikogruppe gehören - werden vom Schutz durch die App faktisch ausgenommen.“
Wir sollten uns darum zu kümmern, dass möglichst alle Zugang dazu haben. Daher verwundert es mich, dass die CDU sagt: Es ist uns egal, wenn ältere Menschen ein altes Handy haben, auf dem die App nicht läuft! Dann sollen sie sich doch ein neues kaufen! Wenn sie sich das nicht leisten
Natürlich gib es Benachteiligungen. Wir wollen einen Schutz haben; denn es gibt Fälle - die findet man im Bundestag, beim Bundesdatenschutzbeauftragten -, in denen Unternehmen, in denen Firmen die App zur Voraussetzung machen. Es ist eine Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppen, wenn ein Unternehmen sagt: „Du kannst nur mit einer Corona-App in meinen Laden kommen!“ Deshalb brauchen wir ein Begleitgesetz, damit diese Freiwilligkeit eine echte Freiwilligkeit ist.
Frau Modder, Sie haben im Gegensatz zum Ministerpräsidenten die Themen Schlachthöfe, Werkverträge und Unterkünfte im Zusammenhang mit Corona angesprochen. Ich finde es nur erstaunlich, dass diese GroKo einen Entwurf für ein Gesetz zum Schutz von Wohnraum vorgelegt hat, in dem Arbeitnehmerunterkünfte und Sammelunterkünfte von den Schutzstandards ausgenommen werden.
Das heißt, die Menschen, die in den Schlachthöfen malochen, brauchen nicht 10 m2 Platz, sie brauchen keine Einzelunterbringung, sie brauchen keine sanitären Einrichtungen. Dazu habe ich von der CDU noch gar nichts gehört. Solch einen Gesetzentwurf haben Sie hier eingebracht.
Ich würde mich freuen, wenn auch die CDU ein klares Bekenntnis dazu abgeben würde, dass wir auch diese Unterkünfte in das Wohnraumschutzgesetz einbeziehen. Menschenwürde ist unteilbar. Wir können doch nicht mit zweierlei Maß in Niedersachsen sagen: Wenn es ein Werkvertragsarbeiter ist, der im Schlachthof malocht, gelten diese Wohnraumstandards nicht, und für andere sollen sie gelten.
Auch insoweit würde ich etwas erwarten. Dann bringt es nichts, Krokodilstränen zu vergießen und über Verhandlungen von 2013 zu reden. Es war ja das Spannende, dass wir damals beim Fleischgipfel nach zwei Gesprächen mit dem Kollegen Lies abgebrochen haben. Das ist etwas anderes als die momentane Kuschelrunde hier. Danach bekomme ich immer Erklärungen von Herrn Ripke, dass es mit den Werkverträgen schwierig ist. Die Agrarministerin erklärt, die Industrie würde in das Ausland
abwandern. - Das Gegenteil ist der Fall! Die belgische und die niederländische Schlachtindustrie sind nach Niedersachsen abgewandert. Die
Schweine und Hühner kommen aus dem Ausland hierher, um hier geschlachtet zu werden, weil Deutschland der Billigschlachthof geworden ist. Dagegen müssen wir wirklich angehen.
Der Ministerpräsident hat anscheinend immer noch einen Streit in der Koalition. Er hat zum Thema Werkverträge nichts gesagt. Wir verlangen als Niedersachsen, dass man ein klares Bekenntnis abgibt, dass man nicht nur grundsätzlich - so heißt es nämlich in der Erklärung; das bedeutet nämlich wieder Ausnahmen für die Fleischindustrie -, sondern wirklich Werkverträge in Schlachthöfen, in der Fleischindustrie, verbietet. Herr Ripke und Frau Breher - sie ist, glaube ich, Ihre stellvertretende Bundesvorsitzende - erklären in der NOZ gemeinsam mit Frau Connemann, dem, was Herr Heil vorlege, könne man nicht zustimmen. - Wir werden also noch eine ganz spannende Auseinandersetzung haben.
Herr Kollege Birkner, natürlich brauchen wir mehr Tests. Das hat das, was wir in der Fleischindustrie hatten, gerade gezeigt. Dort gab es vorher Tests, aber man muss immer wieder testen. Man muss aber auch wissen, dass dies keine absolute Sicherheit bietet. Wir haben als Grüne einen Antrag eingereicht, dass gerade in den sensiblen Bereichen - in Krankenhäusern, in der Pflege - solche Tests ermöglicht werden sollen, weil sie ein Zusatzbaustein einer wirksamen Strategie sind.
Ein letzter Punkt: Einer Autoprämie hinterherzulaufen - wir müssen in die Zukunft investieren und nicht in fossile Verbrenner! Mit Benziner und Diesel werden wir in Zukunft keine Exportmärkte erobern. Deshalb wollen wir ein ökologisch-soziales Konjunkturprogramm in Höhe von 10 Milliarden Euro, um die Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen, um in sie zu investieren und nicht in alte Arbeitsplätze, die wegfallen werden, und in alte Technologien, zu denen anscheinend die CDU zurück will.
Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Meine Damen und Herren, mir liegen zur Regierungserklärung und zu der Debatte über sie keine weiteren Wortmeldungen vor. - Das sehe ich offenbar richtig.
Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wir gegenüber der Tagesordnung fast eine Stunde Zeitvorsprung haben. Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführer, abzuklären, ob wir aus dem Nachmittagsprogramm vielleicht einen Tagesordnungspunkt zwischen den Tagesordnungspunkten 4 und 5 platzieren können. Aber das müssen Sie entscheiden.
Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion der AfD und der Fraktion der CDU und morgen die Anträge der anderen drei Fraktionen behandelt werden sollen.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus.
a) Grenzenlose Solidarität? Zusammenhalt in Zeiten von Corona unter besonderer Berücksichtigung finanzieller Aspekte - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/6868
Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Aktuelle Stunde passt eigentlich viel besser in die Diskussion, als ich das beim Erstellen des Titels angenommen habe. Denn ich möchte mich mit Ihnen über Solidarität unterhalten. Damit ist ja im Rahmen der Regierungserklärung und im Zusammenhang mit dem Haushalt schon begonnen worden.
Solidarität ist so eine Sache. Gerade in der Krise werden Solidarität, Gemeinsamkeit, Zusammenhalt auf die Probe gestellt. Das ist auch in der CoronaKrise nicht anders und auf allen Ebenen zu beobachten. Denken Sie nur an die Familie!
Mich betrifft die Corona-Krise finanziell gar nicht. Bei meinem Bruder, der selbstständig ist, sieht das schon anders aus. Meine Tochter leidet besonders
Fakt ist: Die Menschen sind unterschiedlich stark betroffen. Somit stellt sich die Frage, wie eine Gemeinschaft solidarisch damit umgeht.
Diese Frage stellt sich natürlich nicht nur in der Familie, sondern beispielsweise auch zwischen Dörfern und zwischen Bundesländern. Niedersachsen ist vergleichsweise wenig betroffen, Mecklenburg-Vorpommern fast gar nicht, Nordrhein-Westfalen deutlich mehr, und auch dort gibt es regionale Unterschiede.
Ich möchte eines vorwegnehmen: Wenn ich von Solidarität und Zusammenhalt rede - ich werde gleich auf den Bereich der europäischen Solidarität zu sprechen kommen; denn darum soll es mir heute besonders gehen -, dann ist eines für mich unstrittig und nicht verhandelbar: Immer dann, wenn es um Leib und Leben, also um die Gesundheit von Menschen, geht, gibt es im Grunde genommen einen anderen Maßstab, der an Solidarität angelegt werden muss. Ich halte es als Mensch, der ich nun einmal auf dieser Welt bin, für völlig richtig, anderen Menschen bei Gefahr für Leib und Leben, ungeachtet ihrer Ausrichtung, Anschauung, Religion usw., zu helfen.
Das haben wir als Deutsche auch gemacht. Ich weise darauf hin, dass es in grenznahen Regionen, beispielsweise an der Grenze von Deutschland zu den Niederlanden, Krankenhäuser gab, die im Rahmen freier Kapazitäten selbstverständlich Notfallpatienten aufgenommen haben. Das ist für mich über nicht verhandelbar und gar keine Frage. Das ist quasi die eine Grenze der Solidarität. Die andere ist, dass man sich natürlich nicht selbst aufgibt. Das, was man hier benötigt, beispielsweise Beatmungsgeräte, verwendet man natürlich zunächst einmal, um die eigene Bevölkerung zu retten, wenn man denn so viele Patienten hat. Das ist für mich auch keine Frage. Nur, was ist mit dem dazwischen, mit dem quasi verhandelbaren, dem dispositiven Bereich der Solidarität?
Da muss ich schon sagen: Wir verzichten im Moment - ab dem 15. Juli wahrscheinlich auch in Gesetzesform - auf ein Stück Zukunftsgestaltung. Wir beraten einen Nachtragshaushalt, der sagt: Wir wollen jetzt mit unseren Raum- und Zeitgenossen solidarisch sein, indem wir die Wirtschaft fördern usw. Inhaltlich werden wir uns darüber weiter austauschen; das ist gar keine Frage. Wir verlegen die Haftung dafür in die Zukunft, indem wir Schulden aufnehmen. Der Zusammenhalt ist für uns also so
wichtig, dass wir uns auf Kosten unserer Kinder verschulden. Es ist ja schon auf die Zeitschiene gelegt worden. Ich persönlich glaube nicht, dass eine Tilgung innerhalb von 25 Jahren in die Realität umgesetzt werden kann, aber das ist im Moment der Tilgungsplan. Das muss man im Moment glauben und so hinnehmen. Allerdings verschieben wir die Haftung für diese Schulden auf jeden Fall in die Zukunft. Das kann man machen, wenn man stark genug ist, um so etwas zu tun.
Schauen wir uns einmal die momentane wirtschaftliche Situation Deutschlands an! Ich nenne zunächst eine Zahl des ifo-Instituts aus dem Mai. Ihr zufolge - man kann auch noch dramatischere Zahlen finden; das wissen sie - gibt es 7,3 Millionen Beschäftigte, die sich in der sogenannten Kurzarbeit befinden - dies ist im Übrigen ein herausragendes Instrument, auch mit Alleinstellungsmerkmal, ein typisch deutsches Instrument, würde ich fast sagen - und die erhebliche Gehaltseinbußen zu verzeichnen haben, auch nach der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes.
Dem Bund liegen Anträge in Höhe von fast 50 Milliarden Euro auf die KfW-Notkredite vor. Diese Zahl stammt vom Bundesministerium für Wirtschaft.
Im ersten Quartal 2020 haben wir einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 2,2 % zu verzeichnen. Das ist, europaweit gesehen, relativ wenig, aber dennoch der stärkste Rückgang des BIP in den letzten zehn Jahren. Das letzte Mal war er in den Nachwehen der Finanzkrise so stark.
Das bedeutet für mich jedenfalls, dass wir in den nächsten Jahren und Monaten jeden Euro brauchen, um unsere eigene Wirtschaft hier in Deutschland wieder auf die Beine zu bringen. Über die Ausgestaltung kann man streiten. Ich sehe die Energiemaßnahmen so ähnlich, wie dies hier schon vorgetragen worden ist, nämlich sehr kritisch. Andere Maßnahmen unterstützen wir. Jedenfalls werden wir das Geld für uns brauchen. Ich glaube, wir haben nicht die Kraft, auch noch andere Ökonomien in Europa wieder auf die Beine zu stellen.
Schauen Sie sich beispielsweise einmal die italienische Wirtschaft an! Sie hat ganz andere Rahmenbedingungen. In Italien ist z. B. das BIP im ersten Quartal um 10 % gesunken. Die Staatsverschuldung ist nach den neuerlichen Kreditmaßnahmen, die es auch in Italien gab, auf 159 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. - Das ist jenseits aller Maastricht-Kriterien!
Wer jetzt glaubt, in Italien sei ein Schuldenschnitt möglich - das schwingt ja immer mit -, der muss wissen, bei wem sich Italien verschuldet hat. Das hat es in erster Linie bei sich selbst über seine Nationalbank, aber auch in Höhe von 280 Milliarden Euro bei französischen Kreditgebern getan. Wer meint, dass die auf ihr Geld verzichten, der ist mit dem Klammerbeutel gepudert.
Ich will gar nicht auf die geplanten italienischen Maßnahmen eingehen. Die haben ja auch ein Dreisäulenmodell. Ich halte es für richtig, das anderen zu überlassen. Wer also meint, er kann seine Wirtschaft mit einem Modell, wie es Italien vorhat, retten, soll das tun. Es wäre anmaßend, als Deutscher einzugreifen und zu sagen: Ihr macht das falsch!
Ich finde, diese Bevormundung anderer Staaten spaltet Europa, spaltet Nationen, spaltet Gesellschaften viel mehr als andere Dinge. Wir haben das ja im Rahmen dieser Troika-Geschichte erlebt, als immer wieder auf Griechenland gezeigt wurde. Ich halte das für verfehlt und für nachteilig für den europäischen Einigungsprozess, der ja uns allen wichtig ist.
Ich glaube - um ein Zitat von der EU-Kommission aufzugreifen -, wir sollten jetzt wirklich unsere Probleme hier lösen und Perspektiven für die nächste Generation in Deutschland eröffnen.