b) Demokratie und Ehrenamt schützen und stärken - entschlossen eintreten gegen Hass und Hetze - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/5670
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Demokratie und Ehrenamt zu schützen und zu stärken sowie entschlossen gegen Hass und Hetze einzutreten, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, und ist es doch nicht. Wie beschämend für uns alle!
Ich stelle mir in letzter Zeit oft die Frage, ob wir die Gefahren der schleichenden Entsolidarisierung und der Ausgrenzung wirklich erkennen. Warum schreitet die Verrohung der Sprache ungehemmt weiter voran und geht einher mit offen artikuliertem Hass und offen artikulierter Hetze bis zu Morddrohungen und Übergriffen? Wann setzen wir endlich Grenzen, und wie setzen wir diese Grenzen? Wer schützt unsere Demokratie eigentlich in den sogenannten sozialen Netzwerken? - Dabei ist die Verschiebung des Sagbaren nicht nur in den Echokammern einzelner Internetforen festzustellen, sondern auch im alltäglichen Diskurs angekommen. Wie formulierte es die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium Margaretha Sudhof? - „Erst gehen die Worte spazieren, dann die Messer.“
Die Arbeit der freien Presse als Säule der Demokratie wird vermehrt diskreditiert, und es kommt zu Anfeindungen und Bedrohungen von Journalistinnen und Journalisten. Ehrenamtliche wie auch hauptamtliche Kommunalpolitiker werden be
schimpft und bedroht; viele von ihnen ziehen sich zurück. Vielleicht sollten wir uns wieder den wesentlichen Fragen unseres demokratischen Miteinanders stellen: Wie wollen wir eigentlich leben und miteinander umgehen?
Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag zur Aktuellen Stunde möchten wir ein deutliches Zeichen setzen: Wir lassen es nicht zu, dass sich Hass und Hetze als Normalität etablieren.
Meine Damen und Herren, wie weit ist unser gesellschaftlicher Diskurs eigentlich gesunken, dass sich Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Be
drohungen aussetzen müssen - oft nur, weil die Täter eine ganz alltägliche politische Entscheidung nicht mehr akzeptieren wollen?
Wie kommt es Menschen in den Sinn, Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte beim Retten von Menschenleben zu blockieren, zu begaffen, zu beschimpfen - und das alles ohne jede Spur von Empathie oder gar Schuldgefühl?
Wir müssen klare Grenzen setzen und unsere ehrenamtlich Tätigen schützen, damit sich diese nicht aus den verantwortungsvollen Aufgaben zurückziehen oder sich erst gar nicht bereiterklären, Verantwortung zu übernehmen!
Ich finde die Initiativen unseres Innenministers Boris Pistorius daher richtig, klare Kante gegen Hass und Hetze zu zeigen. Zum Schutze aller ehrenamtlich Tätigen müssen deswegen Beleidigungen oder sogar Morddrohungen konsequent zur Anzeige gebracht werden. Nur so kann auch mit öffentlichem Druck eine Verhaltensveränderung erzeugt werden.
Ich begrüße es sehr, wenn vonseiten der Bundesebene die Betreiber von Internetplattformen dazu verpflichtet werden, User zu melden, die in ihren virtuellen Räumen die geltenden Gesetze nicht einhalten.
Meine Damen und Herren, Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement sind die tragenden Säulen eines solidarischen und gut funktionierenden Gemeinwesens. Sie sind der Kitt unserer Gesellschaft. Deshalb brauchen sie nicht nur unseren Schutz, sondern es gilt auch, dieses ehrenamtliche Engagement zu stärken.
Meine Fraktion hat dazu ein paar Vorschläge gemacht, die uns immer wieder auch aus dem Ehrenamt heraus erreichen. Dabei geht es um politische Unterstützung, um verbesserte Rahmenbedingungen und flexiblere Freistellungsregelungen, um eine moderne und gute Ausstattung, um Schutz und Respekt, aber auch um Anerkennung, und zwar nicht nur mit warmen Worten, sondern auch mit echten Angeboten und Vergünstigungen.
Ich finde, es wäre ein tolles Signal aus diesem Landtag heraus, wenn wir uns mit diesem Thema „Schutz und Stärkung des Ehrenamtes“ etwas stärker und tiefer befassen würden - vielleicht sogar im Rahmen einer Kommission.
Ich möchte meine Ausführungen mit den Worten unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier schließen:
„Jetzt leben wir seit 30 Jahren in Einheit, Freiheit und Demokratie. Nur: Nehmen wir das bitte nicht als selbstverständlich! Wir brauchen die Demokratie - aber ich glaube: derzeit braucht die Demokratie vor allem uns!“
Vielen Dank, Frau Modder. - Als Nächstes spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollegin Susanne Menge. Frau Menge, bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Demokratie und Ehrenamt schützen und stärken - entschlossen eintreten gegen Hass und Hetze! - Wer die Demokratie und das Ehrenamt schützt und stärkt, schafft dies in einer Gesellschaft, die die positiven Werte des Zusammenlebens im Staat kennt und das auch verstanden hat.
Heute brauchen wir eine starke Gegenbewegung für gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt. Ich hätte mir als junger Mensch nicht vorstellen können und mögen, dass so etwas noch mal notwendig ist.
Ein Großteil von uns verlangt nach schärferen Gesetzen angesichts der zunehmenden Verrohung. Sicherlich, das, was in der realen Welt verboten ist, darf der Staat auch im Internet nicht durchgehen lassen. Aber die Verschärfung unserer Gesetze bedeutet immer auch die Einschränkung demokratischer Rechte und erfordert deshalb einen sensiblen Umgang.
Wir müssen bei der notwendigen rechtlichen Diskussion auch unsere gesellschaftliche Verantwortung tragen und diese beachten. Ein Kommunalpolitiker in Sachsen hat nach jahrelangem Engagement für seine Gemeinde das Ratsmandat wegen rechter Hetze zurückgegeben. Er halte es einfach
nicht mehr aus. Nach der Rückgabe seines Ratsmandats passierte das, was einige von uns sicherlich kennen, was uns aber eher wütend macht. Das ehemalige Gemeinderatsmitglied erhielt Zuschriften, in denen das Bedauern über seinen Rücktritt ausgedrückt wurde. Der Ratsherr habe sich doch so sehr für den Jugendtreff und das internationale Café engagiert. Man brauche doch solche mutigen Menschen im Rat. Der Ratsherr erwiderte: Das hätte man mir vielleicht mal vorher sagen sollen und sich gegen rechten Hass an meine Seite stellen sollen. Das hat aber niemand getan.
Anders in Themar und Ostritz, Thüringen: Zivilgesellschaft, Polizei und Politik haben dort den Neonazis angesichts eines geplanten Rockkonzerts ordentlich die Stimmung vermasselt. Einwohnerinnen und Einwohner kauften in einer gemeinsamen Aktion sämtliche Biervorräte des lokalen Supermarkts auf. Um die Versorgung aus einer anderen Quelle zu verhindern, mietete die Polizei eine Tankstelle neben dem Festivalgelände, die vorher Neonazis als Nachschublager gedient hatte. Darüber hinaus wurde das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole konsequent verfolgt.
Wenn Behörden, Kommunen, Zivilgesellschaft und Politik zusammenarbeiten, kann es gelingen, Neonazis ihre Wohlfühlzonen zu nehmen und das Gefühl, sich uneingeschränkt breitmachen zu können. Das Festival-Desaster wird wahrscheinlich nicht dazu führen, dass man sich aus dieser rechten Szene herausbewegt, aber willkommen werden sich die Nazis nicht mehr fühlen.
Shalom Rollberg schafft interkulturelle Begegnungen in einem sozialen Brennpunkt in BerlinNeukölln. Die meisten Kinder sind aus Migrantenfamilien mit arabischen und türkischen Wurzeln; die meisten Betreuerinnen und Betreuer sind jüdische Israelis. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass sich dieses Projekt inmitten des Problemstadtteils durchsetzen könnte.
Schalom Aleikum - ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Juden und Muslimen auf der Suche nach gemeinsamen Antworten auf Angriffe von rechts.
In Hannover stand beim Modellprojekt „Werte leben - online“ des JUUUPORT e. V. die OnlineBeratung durch Jugendliche für Jugendliche bei Problemen im Netz im Mittelpunkt. Ziel war es, negativen Phänomenen im Online-Alltag kritisch und selbstbewusst begegnen zu können. Gleichzeitig wurde ein Bewusstsein für eigenverantwortli
ches Online-Verhalten geschaffen und die Eigeninitiative für Respekt und Toleranz im Netz gefördert.
Das Bündnis für Demokratie und Toleranz und ein Podcast zum Thema Menschenrechte an einer IGS - wir brauchen diese Initiativkraft für Liberalität, für ein würdiges Leben und für ein mutiges Wiederaufstehen gegen rechts.
Warum die Bundesregierung nun das Bundesprogramm „Demokratie leben“ stark kürzt, ist gerade in unseren Zeiten und angesichts der Herausforderungen an Polizei, Politik und Zivilgesellschaft eher unverständlich. Sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für ein demokratisches Miteinander zu engagieren, ist und bleibt öffentlicher Auftrag. Ich zitiere die Amadeu Antonio Stiftung:
„Dass sich das Ministerium gerade jetzt einer seiner größten Erfolgsgeschichten beraubt, ist für die zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich in einem gemeinsamen offenen Brief an das Ministerium wenden, nicht nachvollziehbar. Denn die Absagen stehen in eklatantem Widerspruch zu aktuellen Herausforderungen. Im Angesicht der Bedrohung durch rechtsextremen Terror ist es ein fatales Zeichen, an Demokratieförderung zu sparen. Vielmehr muss die demokratische Zivilgesellschaft geschützt und gestärkt werden.“
„ist leider wieder populär. Er befördert den Hass, der sich Bahn bricht, ohne eingehegt zu werden durch Tabus.“
Viele schätzen die Freiheit und Liberalität nicht, als wäre die Sehnsucht nach trügerischer Sicherheit stärker als die Versprechen einer offenen Gesellschaft. Wir wissen alle, was daraus folgt. Aufgabe aller ist es, Demokratieverachtung die Stirn zu bieten.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Ehrenamt in Niedersachen und die Leistung derer, die sich jeden Tag vielfältig in unserem Lande engagieren, sind gar nicht zu überschätzen. Es sind die Johanniter, die DLRG, die Feuerwehr, die Flüchtlingshelfer, die Sportvereine, es sind die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker, die unsere Demokratie ganz wesentlich am Leben erhalten und sich jeden Tag engagieren, sich einbringen.
Deswegen: Auch ich weiß nicht, Herr Birkner, was in unserer Gesellschaft verrutscht ist, dass wir es mittlerweile mit der nahezu perfiden Situation zu tun haben, dass gerade diese Menschen jetzt Bedrohungen, Beleidigungen, teilweise sogar Gewalt ausgesetzt sind - bis hin zu der Situation, dass Rettungssanitäter, die Menschen retten wollen, bedroht und beschimpft werden. Das ist ein Zustand - den können und werden wir nicht dulden!