Protocol of the Session on January 29, 2020

Herr Kollege, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, egal aus welcher Fraktion: Bitte keine Zwischenrufe, und provozieren Sie den Redner auch nicht!

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Ihr „Kampf gegen rechts“ ist ein Kampf gegen erlaubte Meinungen geworden. Beabsichtigt oder nicht: Er ist damit längst ein Kampf geworden, der die Demokratie schädigt.

Sie sollten aber eines begreifen: Sie werden uns nicht kleinbekommen; denn wir haben etwas, das uns Kraft gibt, auch die allerschlimmsten Angriffe und Gemeinheiten auszuhalten - etwas, das Sie gar nicht kennen, etwas, das Ihnen sogar unheimlich ist: Und das ist die Liebe zu unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Lachen bei der SPD - Anja Piel [GRÜNE]: Unglaub- lich! - Dr. Christos Pantazis [SPD]: Unmöglich! Eine Schande für dieses Haus! - Doris Schröder-Köpf [SPD]: Peinlich! Tiefer geht es nimmer! - Christian Grascha [FDP]: Eine widerli- che Truppe!)

Meine Damen und Herren, wenn jetzt Ruhe einkehrt, können wir die Debatte fortsetzen. Ich rufe Herrn Ministerpräsidenten Weil zu diesem Punkt auf. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie viele andere von Ihnen, die auch dabei gewesen sind, stehe ich immer noch unter dem Eindruck eines tief bewegenden Gedenkkonzerts für die Opfer des Holocausts am Montagabend in Hannover. Dieses Erlebnis hängt mir immer noch nach. Es war ein herausragendes Beispiel für die Erinnerungsarbeit, die in Niedersachsen geleistet wird.

Lassen Sie mich eingangs all denjenigen meinen tief empfundenen Dank aussprechen, die seit langer Zeit beharrlich und überall in Niedersachsen immer wieder diese notwendige Erinnerungsarbeit leisten. Unsere ganze Gesellschaft ist ihnen zu Dank verpflichtet.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das ist eine immer wieder notwendige, häufig auch undankbare Arbeit, die immer wieder Selbstüberwindung voraussetzt, aber die in einer Gesellschaft unverzichtbar ist, in der viele Menschen den Wunsch nach einem Schlussstrich haben - entweder ausdrücklich oder insgeheim.

Aber ein solcher Schlussstrich ist nicht möglich. Der Holocaust, die Schoah, war buchstäblich das größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, was die Zahl der Opfer angeht, die Zahl der zerstörten Seelen, was die beispiellose Grausamkeit und was auch die industrielle Perfektion angeht, mit der die Vernichtung von Millionen Menschen betrieben wurde. Dieses größte Verbrechen in der Menschheitsgeschichte - daran können wir nichts ändern - wird für immer und ewig mit dem deutschen Namen verbunden sein.

Sehr geehrter Herr Wichmann, Sie haben eben in Ihrem Beitrag, wenn ich es recht verstanden habe, kein einziges Wort den Opfern dieses größten Verbrechens in der Menschheitsgeschichte gewidmet.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Wi- ard Siebels [SPD]: So ist es!)

Sie haben nicht über die Opfer des Holocausts gesprochen, sondern über Ihre Partei. Das empfinde ich als tief beschämend; lassen Sie mich das so persönlich sagen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Es fällt einem da automatisch das Wort Ihres damaligen Parteivorsitzenden und immer noch prominenten Parteifreundes Alexander Gauland ein, der im Hinblick auf viele helle Momente der deutschen Geschichte meinte, die Schoah als „Vogelschiss“ bezeichnen zu dürfen.

(Zurufe von der AfD)

Ein Tiefpunkt in der politischen Debatte in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Nein, Antisemitismus und Rassismus in unserer Gesellschaft sind nicht tot, sie sind noch lebendig. Durch die Ehrung der Toten schützen wir uns auch selbst.

Ich finde es sehr gut, dass in der Aktuellen Stunde der Begriff der wehrhaften Demokratie angesprochen worden ist. Genau das ist es, was wir brauchen.

Was ist eine wehrhafte Demokratie? - Eine wehrhafte Demokratie zeichnet sich durch einen starken Staat und durch eine starke Gesellschaft aus. Als Staat sind wir in Niedersachsen sehr engagiert, und wir wollen womöglich mit noch größerer Intensität, wo immer das möglich ist, repressiv und präventiv alle Möglichkeiten nutzen, damit Hass, Rassismus und Antisemitismus in unserem Land keine Chance haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Aber das alleine wird womöglich nicht reichen. Wir brauchen überall in unserem Land zahllose Bürge

rinnen und Bürger, die sich zur Demokratie, zu den Grundrechten, zu den Menschenrechten bekennen, die immer und überall dafür eintreten, dass wir eine offene, eine freiheitliche Gesellschaft repräsentieren, in der auch Minderheiten geschützt werden, indem wir uns vor Gruppen stellen, die angefeindet werden. Auch deswegen bin ich dankbar, dass in Niedersachsen, beispielsweise in Braunschweig und Hannover im letzten Jahr, immer wieder Tausende von Menschen genau das zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Keiner von uns trägt persönlich Verantwortung für die Vergangenheit, aber alle von uns, jede und jeder ganz persönlich, trägt Verantwortung für die Gegenwart.

In Niedersachsen - lassen Sie uns das im Anschluss an die richtigen und wichtigen Worte des Bundespräsidenten sagen - sind wir uns dieser Verantwortung sehr bewusst. Wir wollen gemeinsam den Antisemitismus in unserem Land so gut bekämpfen, wie es nur irgendwie geht. Das ist die Lehre aus dem Holocaust.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Grundsätzlich haben alle Fraktionen bereits zu dieser Aktuellen Stunde gesprochen, aber die Landesregierung in Person des Ministerpräsidenten hat die ihr zugedachte Redezeit etwas überschritten. Die CDU-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich gewähre Ihnen zwei Minuten, Herr Kollege Nacke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wichmann, es wird Ihnen nicht gelingen, eine Debatte wie diese dazu zu verwenden, sich selber als Opfer zu gerieren.

(Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

Es geht nicht darum, dass Sie eine andere Meinung vertreten. Wenn jemand in diesem Land eine andere Meinung vertritt - auch das hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sehr deutlich gemacht -, muss das in

einer Demokratie ertragen werden. Der politische Diskurs ist zu schützen und zu erhalten.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Worum es aber Ihnen von der AfD geht, ist, dass Sie gerade nicht in der Lage sind, eine andere Meinung zu ertragen, dass Sie gerade nicht in der Lage sind, den politischen Diskurs zu führen. Was Sie permanent tun, ist, dass Sie politische Akteure diskreditieren, dass Sie all diesen Abgeordneten, den Menschen, die in den Parteien aktiv sind, unlautere Beweggründe zusprechen wollen,

(Zustimmung von Wiard Siebels [SPD] - Widerspruch von Klaus Wichmann [AfD])

indem Sie sagen: Die sind alle in einer ganz großen Verschwörung. - Die Medien nehmen Sie dann gleich mit dazu.

(Widerspruch von Klaus Wichmann [AfD])

Sie stellen den Medien in Abrede, dass sie offen und frei in diesem Land berichten, sondern erklären, dass sich diese in einer ganz großen Verschwörung mit diesen Parteien und den Menschen befinden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Das gilt, Herr Wichmann - und auch das müssen Sie sich jetzt anhören -, für alle Medien, aber in ganz besonderem Maße für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem Sie das besonders unterstellen. Dagegen muss sich eine streitbare Demokratie wehren.

Sie nutzen Internetforen für Unwahrheiten und Lügen, um diesen Staat und diese Gesellschaft zu diskreditieren. Das wird sich die Mitte dieser Gesellschaft nicht gefallen lassen. Sie sind der rechtsradikale Rand, und Sie gehören nicht in ein deutsches Parlament!

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke.

Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt der Aktuellen Stunde liegen mir nicht vor.

Ich darf sodann die Besprechung zur Aktuellen Stunde der SPD-Fraktion eröffnen.

b) Demokratie und Ehrenamt schützen und stärken - entschlossen eintreten gegen Hass und Hetze - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/5670