Protocol of the Session on October 23, 2019

Zugleich dürfen wir die zuvor von mir schon geschilderten Probleme des Landes mit seiner archaisch geprägten Gesellschaft nicht vergessen. Hiervor darf die Landesregierung ihre Augen nicht verschließen. Das wird sie auch nicht tun. Sie spricht diese Themen gerade auf Delegationsreisen an. Sie prüft auch regelmäßig, ob die wirtschaftlichen Beziehungen zu Katar aufrechtzuerhalten sind.

Dass dies keine leeren Worthülsen sind, hat bereits das Einwirken des Wirtschaftsministers

Dr. Althusmann hinsichtlich der Beziehungen zur Türkei gezeigt: VW wird dort momentan nicht investieren.

Meine verehrten Damen und Herren der AfDFraktion, wir wollen die Wirtschaft aus niedersächsischer Sicht weiterhin fördern. Daran hängen auch Arbeitsplätze in Niedersachsen. Wir wollen CO2 einsparen. Wir wollen damit die Energiewende voranbringen. Es geht um Menschenrechte, die wir natürlich auch bei diesen Delegationsreisen ansprechen wollen. Das alles können wir bei diesen Reisen und auch im Rahmen des Besuchs des Ministerpräsidenten in diesem Land mit umsetzen. Deshalb wünsche ich ihm dort viel Erfolg.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ehbrecht. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun der Kollege Helge Limburg gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch für Bündnis 90/Die Grünen steht ohne jeden Zweifel fest, dass Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und natürlich auch Reisen von Regierungsmitgliedern und Reisen des Landtages immer wertegeleitet sein müssen. Die Zielrichtung darf nie einseitig das Verfolgen tatsächlicher oder vermeintlicher wirtschaftlicher Interessen sein. Die Verteidigung unserer Werte - Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit - muss immer ein wichtiger Aspekt jeglichen Auslandskontakts sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Christos Pantazis [SPD])

Dieses Thema ist in diesem Landtag nicht neu. Wir Grüne haben es häufiger thematisiert. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir auf Initiative der FDP-Fraktion eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der wir dies ausdrücklich zum Maßstab für Reisen des Landtages, aber auch für Reisen der Landesregierung gemacht haben.

Nun kann man eine solche Thematik aber nicht von denjenigen trennen, die sie hier aufwerfen. Sie selber, Frau Kollegin Guth, haben - ohne näher darauf einzugehen - die Syrien-Reise der AfDAbgeordneten angesprochen. Sie haben aber einige Reisen vergessen - es gab ja noch mehr. Sie haben vergessen, auf die Reise Ihres brandenburgischen Spitzenkandidaten Kalbitz nach Russland hinzuweisen, die von einem wegen Rechtsterrorismus gesuchten Mann organisiert worden ist. Sie haben vergessen, auf den Besuch von AfDAbgeordneten auf der Krim hinzuweisen, die völkerrechtswidrig von Russland annektiert wurde. Dass bei diesem Besuch Menschenrechte angesprochen wurden, ist zumindest nicht öffentlich bekannt geworden. Sie haben vergessen, auf die Reise eines AfD-Bundestagsabgeordneten nach Südafrika hinzuweisen, wo er mit weißen Rassisten an einem Schießtraining teilgenommen hat usw. usf.

Frau Guth, Sie sind in der Frage internationale Durchsetzung von Menschenrechten in keiner Weise glaubwürdig!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Kollege Limburg. - Jetzt hat sich der Kollege Jörg Bode für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die von Frau Guth aufgeworfenen Fragestellungen in Bezug auf die in Katar vorhandenen Probleme, die wir alle kennen, z. B. hinsichtlich der Gleichstellung der Frau, hinsichtlich Arbeitsschutz, Minderheitenrechte und auch Antisemitismus, sind durchaus richtig. Diese Fragestellungen ergeben sich übrigens in ähnlicher Form in Bezug auf ganz viele andere Staaten auf der Welt genauso. Die Probleme dort müssen genauso kritisch hinterfragt werden, übrigens beispielsweise auch in Bezug auf Russland.

Diese Fragestellungen sind in der Tat nicht neu. Das sind auch keine Erfindungen der AfD. Der Kollege Limburg hat es schon gesagt: Wir haben diese Fragen in den vergangenen Jahren in diesem Plenum oft diskutiert; denn es gibt darauf keine einfachen Antworten. Es stellt sich die Frage, wie man mit diesen Staaten umgeht, damit sich das gesellschaftliche Verständnis in diesen Staaten einem Wandel unterzieht und eine Annäherung an unsere Werteorientierung erfolgt und diese irgendwann hoffentlich auch erreicht wird.

Da gibt es nicht den einen idealen Weg, auf dem das tatsächlich erreicht werden kann. Ich kann Ihnen aber eines sagen: Ich bin der festen Überzeugung, dass man, wenn man gar nicht mehr mit den Menschen in diesen Staaten und den Staatsführern redet, gar nichts erreichen wird.

Wir müssen auch so ehrlich sein und zugeben, dass politische Gespräche allein nicht so schnell so viel werden verändern können. Da Katar und die Arabischen Emirate konkret angesprochen wurden: Wir müssen auch ehrlich sein bei der Diskussion über sportliche Großereignisse, die dort stattfinden, wie beispielsweise die Fußball-WM, oder auch über die Formel-1-Standorte, die es dort gibt. Die Diskussion ist nicht immer so einfach, wie sie in der Gesellschaft in Deutschland geführt wird. Beispielsweise gibt es durchaus positive Aspekte bei den Entwicklungen in den Arabischen Emiraten mit Blick auf die dort stattfindenden Formel-1Rennen. Diese immer wiederkehrenden Sportereignisse wirken nachhaltig, weil man sich manchen Erfordernissen, die der Sport mit sich bringt, tatsächlich anpasst. Deshalb ist auch die Diskussi

on über Sportereignisse in diesen Ländern nicht so einfach. Denn diese bringen tatsächlich mehr als beispielsweise politische Gespräche allein.

Deshalb ist es richtig, in jedem Einzelfall zu schauen, wie man das Ziel erreichen kann, idealerweise zu einer Werteveränderung in den Gesellschaften dieser Nationen zu kommen. Ich begrüße es sehr, dass sich Ministerpräsident Weil dort einbringt und Gespräche auch mit Nichtregierungsorganisationen und entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen führt - so wie es die Regierungschefs vor ihm auch getan haben. Auf diesem Weg werden wir den Wandel tatsächlich hinbekommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich glaube auch nicht, dass der Ministerpräsident in seinen Werten und Überzeugungen beispielsweise hinsichtlich Minderheitenrechte und Antisemitismus wankelmütig ist. Und er wird schon gar nicht wankelmütig dorthin fliegen, wie es die AfD geschrieben hat. Die größere Gefahr scheint mir darin zu liegen, wie er wieder zurückkommt. Aber ich bin mir sicher, dass er und auch die Delegationsteilnehmer nicht meinungsflexibel reisen und nicht meinungsflexibel zurückkommen werden. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich frage mich, warum sich die AfD gerade dieses Thema aussucht. Sie hat ja beispielsweise keine Probleme, komplett wertflexibel mit Russland und Putin umzugehen, obwohl man dort die gleichen Fragen stellen muss wie bei Katar.

Für Russland und Putin gilt für mich das Gleiche wie für Katar: Ohne Gespräche wird man dort nicht zu Veränderungen kommen. Deshalb finde ich es richtig, dorthin zu fahren. Verwerflich finde ich es allerdings, dass eine Fraktion in diesem Hause das eine selbst tut, aber andere, weil die das andere tun, mit Dreck beschmeißt. Das gehört sich schlicht und ergreifend nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich finde, man muss immer schauen, welche Wege im Einzelfall angezeigt sind und wie man damit umgeht.

Lassen Sie mich noch einen durchaus kritischen Punkt nennen, der in der letzten Zeit auch immer wieder öffentlich diskutiert worden ist: Wie geht

man damit um, wenn sich ein Land, das bereits auf dem richtigen Weg war, um in unser Wertesystem zu kommen, auf einmal zurückentwickelt? Ich meine die Türkei und das Erdogan-Regime. Wenn man sieht, dass die sehr positive Entwicklung in der Türkei durch das Erdogan-Regime wieder komplett umgedreht wird, muss man tatsächlich auch einmal zu anderen Maßnahmen greifen. Daher finde ich es beispielsweise nicht gut, wie sich die Vertreter im Aufsichtsrat von Volkswagen bei der Frage der Ansiedlung eines Werkes in der Türkei oder in einem Land der Europäischen Union bisher verhalten haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist es!)

Dort könnte eine klare Kante vielleicht zu einer Umkehr führen und zu einem Wertegerüst, das uns näher liegt.

Wir sollten immer jeden einzelnen Staat individuell in den Blick nehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und von Dirk Toepffer [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregierung hat sich nun Herr Ministerpräsident Weil gemeldet. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Seit vielen Jahrzehnten fahren Mitglieder der diversen Landesregierungen immer wieder mit großen Delegationen von niedersächsischen Unternehmen und auch mit Delegationen aus dem Niedersächsischen Landtag auf Auslandsreise. Das sind Reisen, die sich anhaltend hoher Beliebtheit erfreuen.

(Dana Guth [AfD]: Schon klar!)

Auch zu der Reise nach Katar haben sich diesmal wieder Repräsentantinnen und Repräsentanten von niedersächsischen Unternehmen angemeldet: von 44 - eine durchaus ungewöhnlich hohe Zahl. Ich freue mich auch, dass bei dieser Reise wieder vier Landtagsfraktionen vertreten sind. Die Vertreter der Wirtschaft knüpfen neue Kontakte, und es gibt auch neue Geschäfte, und für die Vertreterinnen und die Vertreter aus der Politik gilt: Man erweitert den Horizont, und man kann tatsächlich, so wie es Kollege Bode eben gesagt hat, im Ge

spräch die eigenen Positionen klarmachen, auch in der Hoffnung, dass man damit Denkprozesse auslöst.

Wohin wir in den vergangenen Jahren gefahren sind, hing dabei nicht davon ab, ob wir der konkreten Politik vor Ort zustimmen. Beiläufig gesagt: Das würde die Zahl der Länder, die man unter diesen Umständen noch besuchen könnte, auch drastisch reduzieren.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das wird einsam!)

Bei der Aufzählung, die die Kollegin Guth eben vorgetragen hat, ist mir z. B. aufgefallen: In die Vereinigten Staaten dürfte unter diesen Umständen niemand mehr fahren - ein Gedanke, den ich für völlig abwegig halte.

(Dana Guth [AfD]: Bitte?)

- Dort gilt die Todesstrafe, Frau Guth!

Ich glaube, wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es nur wenige Länder auf der Welt gibt, die so eine freiheitliche und rechtsstaatliche Ordnung haben wie wir. Wir müssen die Welt so nehmen, wie sie ist, aber wir dürfen sie nicht so lassen - das muss das Ziel solcher Reisen sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Es gibt tatsächlich überall viele wunde Punkte. Dabei geht es um Menschenrechte, um Umweltschutz, um Rechtsstaatlichkeit und übrigens auch um Antisemitismus, über den wir ja heute Morgen diskutiert haben.

Ich nenne einmal ein praktisches Beispiel, damit Sie sich das vorstellen können: Im Jahr 2016 war ich mit einer größeren Unternehmerdelegation im Iran. Dort gab es in einem Gespräch mit dem ehemaligen Staatspräsidenten Rafsandschani eine lebhafte Auseinandersetzung über die Haltung des Irans zu Israel - mit dem sehr klaren Statement von deutscher Seite, dass die Existenzberechtigung Israels niemals und von niemandem infrage gestellt werden darf. Das vielleicht als ein kleiner Hinweis darauf, dass die von Ihnen unterstellte Meinungsflexibilität vielleicht in Ihren Köpfen vorhanden sein mag, aber nicht in der Realität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir waren 2015 schon einmal in Katar. Seinerzeit ist es genauso gewesen, und auf der nächsten Reise

wird es wieder so sein. Es geht uns darum, die niedersächsische Wirtschaft zu unterstützen und als weltoffenes Land in Kontakt mit unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Ordnungen auf der Welt zu bleiben.