Protocol of the Session on June 19, 2019

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe acht Nichten und sieben Neffen. Am letzten Samstag haben wir den 82. Geburtstag meines Vaters gefeiert, und alle kamen zusammen. Dabei konnte ich ein Gespräch zwischen meiner kleinen Nichte und meinem kleinen Neffen mitbekommen. Beide unterhielten sich darüber, was sie einmal werden möchten, und es kam die Frage auf, ob denn mein Neffe auch die Möglichkeit hätte, Bundeskanzler zu werden oder Bundesvorsitzender. Meine Nichte erklärte ihm gleich, dass das nicht ginge, das wäre ein Job, den nur Frauen ausüben könnten, es gebe nur eine - weibliche - Bundeskanzlerin und eine - weibliche - Bundesvorsitzende. Nein, er könne nicht Bundeskanzler werden und diesen Beruf nicht ausüben. Mein Neffe entschied sich dann sogleich, stattdessen Lokomotivführer zu werden.

(Heiterkeit - Beifall bei der CDU)

Einem kleinen Jungen aus einem FDP-Haushalt kann das sicherlich nicht so gehen.

(Zuruf: Der wird Steuerberater!)

Er hat das Problem nicht, der kann vielleicht Bundesvorsitzender werden. Oder wie viele - weibliche - Bundesvorsitzende hatten Sie so?

(Sebastian Zinke [SPD]: Wir brauchen mehr Lokführer als Kanzler!)

Meine Damen und Herren, in Deutschland leben 42 Millionen Frauen und 41 Millionen Männer. Im

Niedersächsischen Landtag haben wir nur einen Frauenanteil von 27 %. Das ist sicherlich zu wenig. Und in unseren Parteien sieht es noch schlimmer aus. Selbst bei den Grünen sind deutlich weniger als 40 % Frauen aktiv.

(Zuruf: Aha!)

Die Frage, die sich natürlich stellt, ist: Brauchen wir eine Enquetekommission? - Aktuell tagt regelmäßig die Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung. 14 Termine haben schon stattgefunden, 14 weitere sind geplant. Eine Enquetekommission ist zeitintensiv, kostet den Steuerzahler Geld und bindet große Personalressourcen des Landtages. Natürlich ist sie in diesem Zusammenhang sehr notwendig. Jetzt fragen wir uns: Was würde eine Kommission für ein Paritätsgesetz bringen? - Nicht nur nach Auffassung der CDU-Fraktion, sondern auch nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung wäre jede Art von Paritätsgesetz verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Ich habe zu meiner letzten Rede zum Paritätsgesetz meine Tochter mitgebracht. Auch sie hat mir berichtet, dass man eine mündliche Prüfung in dem entsprechenden Bereich nicht besteht, wenn man etwas anderes annimmt. Da gibt es große Bedenken.

(Imke Byl [GRÜNE]: Deshalb eine Enquetekommission!)

Mit einem Paritätsgesetz würden wir in die wichtigen Wahlrechtsgrundsätze aus Artikel 38 des Grundgesetzes und Artikel 8 der Landesverfassung eingreifen. - Wir würden in wichtige Parteienrechte eingreifen. Das kann ohnehin nur der Bund machen.

Ich erinnere noch einmal an die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes und an die Vorstellungen, die sie von Repräsentation hatten. Repräsentation bedeutet Handeln für das Volk und Verantwortlichkeit gegenüber dem Volk. Repräsentation verlangt keine Abbildungsgleichheit zwischen dem Parlament und dem Volk.

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Limburg zu?

Bitte!

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen zur befürchteten Verfassungswidrigkeit frage ich Sie, ob Sie das Landeswahlgesetz in Brandenburg für verfassungswidrig halten und ob Ihre Kollegen der CDU-Fraktion dagegen klagen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen sagen, dass ein solches Gesetz allgemein für verfassungswidrig gehalten wird. In den mündlichen Prüfungen, von denen ich eben gesprochen habe, ist es ganz klares Ergebnis, dass ein solches Gesetz verfassungswidrig ist. Was meine Kollegen in Brandenburg machen, weiß ich nicht, aber ich halte es für verfassungswidrig. Das ist richtig.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung von Klaus Wichmann [AfD])

Wir haben jetzt schon die unausweichliche Erkenntnis, dass wir ein Paritätsgesetz nicht verfassungskonform hinbekommen. Wir sollten also nicht Zeit, Geld und Personalressourcen des Landtages für ein Ergebnis verschwenden, das jetzt schon feststeht. Meine Kollegin Mareike Wulf hat zum Thema „100 Jahre Frauenrecht“ ausgeführt: Wir müssen Wege schaffen, dass sich mehr Frauen dafür motivieren können, sich zu engagieren, in den Parteien mitzuwirken und sich wählen zu lassen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Davon kann man auch noch in 20 Jahren reden!)

Mit einem Gesetz - das muss man immer bedenken - ändern wir nur die Symptome, aber nicht die Ursachen der mangelnden Vertretung von Frauen im Parlament. Wir alle müssen unsere Parteien attraktiver für Frauen machen. Ohne Zweifel müssen wir etwas tun. Aber weder eine Enquetekommission noch ein Parité-Gesetz sind hierfür der richtige Weg.

(Lebhafter Beifall bei der CDU sowie Zustimmung von Klaus Wichmann [AfD])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt nimmt für die Fraktion der SPD die Vorsitzende Frau Johanne Modder das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat Anfang dieses Jahres mit dem Vorschlag, die Einführung eines Parité-Gesetzes in Niedersachsen voranzubringen, aus meiner Sicht einen wichtigen Aufschlag gemacht und dadurch natürlich wieder eine längst überfällige und - wie soll es anders sein? - kontroverse Diskussion ausgelöst. Das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)

Dabei war uns von Anfang an klar, dass es keine vorschnellen Entscheidungen geben kann - allein schon deswegen, weil wir mehrere Modelle in der Diskussion haben. Die Autonomie der Parteien bei der Kandidatenaufstellung wird berührt. Eine Wahlkreisreform hätte tiefgreifende Eingriffe in die Wahlordnung. Dies will gut überlegt und auch in den Parteien diskutiert sein, meine Damen und Herren. Zumindest in meiner Partei will man diskutieren und diskutiert man aktuell sehr munter darüber.

Wir haben aus meiner Sicht keine Erkenntnisdefizite, die eine Enquetekommission rechtfertigen würden. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, vielfältige Modelle und entsprechende juristische Ausarbeitungen dazu.

Ich will auch hier noch einmal auf die juristischpolitische Fachtagung unserer Landtagspräsidentin, Frau Dr. Gabriele Andretta, im September 2018 aus der Veranstaltungsreihe „Offenes Plenum“ hinweisen. Sie haben dazu ein Heftchen bekommen. Lesen Sie es einfach mal durch!

(Anja Piel [GRÜNE]: Ich war da, Frau Modder! Waren Sie auch da?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns doch weitgehend darüber einig - ich nehme die AfD dabei aus; denn es hat keinen Sinn, zumindest mit Frau Guth eine Diskussion darüber zu führen -, dass der Frauenanteil dringend erhöht werden muss und dass alle Parteien daran arbeiten müssen, wie wir mehr Frauen für die Politik begeistern können.

Unsere parteiinternen Strukturen stehen auf dem Prüfstand. Ja, wir müssen klären: Sind Familie, Beruf und Ehrenamt miteinander vereinbar? Wie

schaffen wir Partizipationsformen, von denen möglichst viele Menschen angesprochen werden?

Ich nehme allerdings zur Kenntnis - Frau Piel, jetzt sollten Sie ein bisschen zuhören -,

(Anja Piel [GRÜNE]: Ich höre die gan- ze Zeit zu, Frau Modder! Das ist eine Unverschämtheit! Das ist wirklich eine Unverschämtheit!)

dass sich die FDP in Niedersachsen für die Einrichtung einer Enquetekommission und damit für ein Parité-Gesetz stark macht.

(Christian Grascha [FDP]: Das haben wir nicht gesagt! Da haben Sie nicht zugehört!)

Das finde ich klasse. Sie heben sich von der Bundesebene ab. Super!

(Christian Grascha [FDP]: Da haben Sie nicht zugehört! - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Das war ein Lob! Dann können Sie auch mal Dan- ke sagen! - Unruhe)

- Ich komme noch dazu.

Ich darf um Ruhe bitten!

Ich zitiere den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP auf Bundesebene, Herrn Ruppert:

„Der Vorschlag, eine Frauenquote einzuführen, ist aber die falsche Schlussfolgerung und aus verfassungsrechtlicher Perspektive höchst bedenklich. Denn so wird der Bürger als Souverän stark in seiner Wahlfreiheit eingeschränkt. Die Forderung nach einer Frauenquote ist also kein tauglicher Vorschlag für mehr Demokratie, sie bewirkt sogar das Gegenteil.“

Oder nehmen wir die Generalsekretärin der FDP aus Brandenburg - das ist noch interessanter -:

„Wer glaubt, ein Geschlecht zu fördern,“

(Anja Piel [GRÜNE]: Frau Modder, lassen Sie uns doch hier im Landtag bleiben! Sie sollen sich doch ent- scheiden! Wir reden jetzt doch nicht über andere Landtage! - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Hören Sie doch zu!)

„indem ein anderes diskriminiert wird, findet sich nicht zu gleichen Teilen im Parlament wieder, sondern vor dem Verfassungsgericht.“

Jetzt komme ich zu der FDP in Niedersachsen. Ich habe dem Wortbeitrag der Kollegin Bruns im Fachausschuss entnommen - - -

(Zurufe von Anja Piel [GRÜNE] und Gegenrufe von Wiard Siebels [SPD])