Protocol of the Session on October 25, 2018

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen ja nicht das erste Mal über das Thema Wolf. Wir sprechen schon seit vielen Jahren darüber. Das Thema ist ja auch höchst emotional. Es wird aber unterschiedlich diskutiert. In den Städten - insbesondere in den Großstädten - wird es anders diskutiert als in der Fläche, als im ländlichen Raum. Das ist natürlich auch ein brisantes Thema - machen wir uns an der Stelle nichts vor!

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diejenigen, die jetzt am lautesten rufen: „Schießt den Wolf ab! Nehmt ihn ins Jagdrecht auf!“, noch vor wenigen Jahren den Umweltminister gestellt und gerufen haben: „Herzlich willkommen, Wolf!“

(Zustimmung bei der SPD)

Klar ist auch: Der Wolf wird durch das Bundesnaturschutzgesetz und das Artenschutzrecht der EU geschützt. Für ihn gilt der höchste Schutzstatus. An dem kommen wir zunächst einmal rechtlich nicht vorbei. An dieser Stelle gilt unsererseits auch ein ausdrücklicher Dank den Wolfsberaterinnen und Wolfsberatern im ganzen Land Niedersach

sen, die im Übrigen eine hervorragende Arbeit machen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber ich sage auch: Der Titel dieser Aktuellen Stunde passt - insofern bin ich dem Antragsteller, der CDU, dafür dankbar -: „Für einen neuen Umgang mit dem Wolf“. Denn es bedarf in der Tat eines konsequenten Umgangs mit dem Wolf. Genau das tut Minister Lies!

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Draußen passiert doch nichts!)

Leider Gottes ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig geschehen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir sind für die Bundesratsinitiative wirklich dankbar; denn das Thema Wolf muss bundesweit betrachtet werden. Die Wolfspopulation verstärkt sich gerade in Niedersachsen enorm. Mittlerweile gibt es kein einziges deutsches Bundesland ohne Wolfssichtungen mehr.

Wir brauchen hier ein klares, konsequentes staatliches Handeln. Auf der einen Seite muss man unbedingt dieser streng geschützten Art gerecht werden. Auf der anderen Seite müssen Schäden für Nutztierhalter abgemildert werden, wozu auch gehört, Schäden schnellstmöglich auszugleichen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Ängsten in der Bevölkerung muss entgegengewirkt werden. Deswegen sage ich mit aller Deutlichkeit: Darum müssen problematische Tiere - und ja, gegebenenfalls auch ganze Rudel - entnommen werden können. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, sehr geehrte Damen und Herren.

Das kann und wird die Akzeptanz für den Wolf in der Bevölkerung stärken. Davon bin ich überzeugt. Aber dafür brauchen wir grünes Licht aus Berlin vom Bund und ein abgestimmtes Signal der Bundesländer. Die Akzeptanz ist dabei nach meiner Meinung der Schlüssel für einen erfolgreichen Artenschutz. Das Thema muss also bundesweit betrachtet werden.

Der Wolf hat eine enorm hohe Mobilität. Wir brauchen daher ein bundeseinheitliches Wolfsmanagement. Es müssen dringend übergeordnete Konzepte auf den Tisch gelegt werden. hier muss der Bund dringend handeln. Darum ist diese Initiative aus Niedersachsen - gemeinsam mit Brandenburg und Sachsen - überfällig gewesen. Ich bin davon überzeugt, dass viele andere Bundesländer mitgehen werden.

Kollege Bäumer hat es gesagt: Frankreich macht es uns vor. Es gibt Möglichkeiten im Rahmen eines Wolfsmanagementplans. Im französischen Managementplan Wolf ist geregelt, dass die Entnahme von 40 Tieren je Jahr möglich ist, und zwar ohne diese streng geschützte Art in irgendeiner Art und Weise zu gefährden. Auch das müssen wir betrachten. Wir können also durchaus auch mal zu unseren Nachbarn rüberschauen.

Wir müssen an der Stelle beides tun: Wir müssen den streng geschützten Wolf als Art in der Tat schützen. Aber wenn Wolfsindividuen problematisch sind, muss ein Tier oder zur Not auch ein ganzes Rudel entnommen werden können. Diese Möglichkeit muss geschaffen werden. Dann schaffen wir auch eine stärkere Akzeptanz in der Bevölkerung und können uns dieses Problems vielleicht endlich auch einmal auf einer vernünftigen Ebene nähern.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Jetzt spricht der Abgeordnete Wirtz von der Fraktion der AfD. Bitte sehr!

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten, Kollegen!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Für einen neuen Umgang mit dem Wolf“: An dieser Einleitung merkt man schon, dass sich das Verständnis von Begriffen geändert hat. Man fasst Begriffe, die man zuvor vielleicht anders verstanden oder sogar missverstanden hat, jetzt etwas anders auf.

Weiter wird getitelt: „Schutz für Menschen und Weidetiere“. Nun, ich hoffe, daran hat sich nichts geändert. Das sollte vernünftigerweise immer die oberste Maxime sein. Ich war mir dessen in der Vergangenheit allerdings nicht immer ganz so sicher.

Wir müssen aber sehen, was sich bei den anderen Begriffen geändert hat.

Hier wurde eben schon öfter der Wolfsberater erwähnt. Was ist eigentlich dessen Rolle? - Man hätte glauben können, dass eine neutrale Beratung der Betroffenen an oberster Stelle steht. Aber wie wir jetzt aus einer aktuellen Antwort der Regie

rung erfahren haben, soll der Wolfsberater sachlich begleiten und die Akzeptanz für den Wolf fördern. Er soll keine „Beurteilung von Wolfsverhaltensweisen bezüglich Gefährlichkeit und Handlungsrelevanz“ vornehmen. Wieso eigentlich nicht? Ich dachte, genau das soll er machen; denn das dürfte die größte Aufgabe des Wolfsberaters sein: auf die Gefahren hinweisen, die durch das Vordringen von Wölfen hier entstehen.

Ein anderer Begriff ist das Wort „Wolf“ selbst. Leider ist das mit einer Art von Wildtierromantik verbunden; das haben auch die Regierungsparteien bis vor Kurzem mitgetragen. Der Anklang von Freiheit und Abenteuer! Der Wolf wird auch gern als Firmen- und Vereinslogo verwendet. Das ist für uns sozusagen ein bisschen wie der Löwe, der zurückkehrt. So, wie der Löwe in Afrika in Gebiete zurückkommt, kommt der Wolf hierher zurück, ohne dass in letzter Konsequenz bedacht wurde, was das für uns in unserer Kulturlandschaft eigentlich heißt.

Noch ein Begriff ist der Artenschutz, der hier fleißig genannt wird. Wir haben aber in diesen Wolfsbeständen, die jetzt hier in Niedersachsen und in anderen Bundesländern ausgebreitet sind, schon eine unbekannte Zahl von Hybriden, von Mischlingen mit Hunden. Hybride sind auf jeden Fall Exemplare, auf die nicht der strengste Artenschutz angewendet werden kann. Der Minister sollte also beizeiten klarstellen, in welchem Umfang einzelne Rudel oder schon der gesamte Bestand in Hybride übergegangen ist. Denn eines ist klar: Tiere mit der Physis eines Wolfes, aber mit der Menschengängigkeit - so möchte ich es einmal nennen - eines Hundes sind noch wesentlich gefährlicher. Sie haben keine natürliche Scheu mehr vor Menschen und deren Weidetieren, und sie sind noch wesentlich schwieriger von unseren Herden fernzuhalten.

Dann gibt es natürlich - wir haben das jetzt ein paarmal gehört - das Wort „Entnahme“. Das klingt so nett, als würde man das Tier einfangen und irgendwo anders wieder freilassen. Aber wir müssen vielleicht auch einmal klarstellen: Entnahmen sind immer - oder fast immer - Abschüsse; denn es gibt keinen Platz, wo man gefährlich gewordene Wölfe einfach so wieder aus dem Hänger ausladen und freilassen kann.

Es handelt sich auch bei dem, was wir gerade vom Kollegen der SPD gehört haben, bei den 40 Entnahmen in Frankreich, um Abschüsse. Da muss man aber auch dazusagen - ich muss Herrn Bäumer ein bisschen überbieten -: Die Franzosen hat

ten zum Jahresende 430 Wölfe - Sie erinnern sich, Frankreich ist auch nicht ganz klein - und haben eine Zielvorgabe von 500 Wölfen, die sie bis zum Jahr 2023 maximal im Land haben wollen. Dann muss man den Minister natürlich auch fragen: Was ist eigentlich Ihr Ziel? Was ist eigentlich unser Ziel für Deutschland oder für Niedersachsen? Welchen Bestand wollen wir hier maximal erreichen, und zwar bitte nur von Wölfen und nicht von Mischlingen?

Das zieht dann natürlich auch Abschüsse nach sich. Diese Abschüsse sollten wir hier offen diskutieren. Denn durch die Abschüsse wird die Scheu des Wolfes vor dem Menschen noch gesteigert. Derjenige, den es trifft, ist dann natürlich tot, aber der Rest des Rudels wird dadurch effektiv vertrieben und bleibt vielleicht von unseren Herden fern. Zuletzt mussten das die Schäfer armwedelnd selbst vornehmen. Das sind gefährliche Situationen, die wir so nicht weiter hinnehmen können. Deshalb haben sich nun auch drei Bundesländer - darunter Niedersachsen - zu einer Initiative durchgerungen. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Gestern haben wir gehört: Man kann nicht das ganze Land einzäunen. - Natürlich nicht. Ich glaube, wenn Wölfe lachen könnten, dann würden sie sich königlich darüber amüsieren. Die Zäune sind mit einer Höhe von 1,20 m - teilweise mit Flatterbändern darüber - kein ernsthaftes Hindernis für Wölfe. Sie stoppen die Tiere, die betroffen sind, und wenn dann eine Schafherde von 40 Tieren tot am Rand des Zauns liegt, hat man genau das Gegenteil von dem erreicht, was man erreichen wollte.

In dieser Art gibt es also ein „Wolfsmanagement“. Das ist, glaube ich, der letzte unklare Begriff. Ich bin froh, dass mit dieser Aktuellen Stunde vielleicht das Wolfsmanagement in der Form wieder ernster genommen wird. Denn wir haben hier keine Schmusetiere oder sympathischen Wildtiere, die immer auf Distanz bleiben, sondern wir haben ein ernsthaftes Wolfsproblem in ganz Deutschland, und das sollten wir lösen.

Danke sehr.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wirtz. - Aus dem Plenum habe ich keine weiteren Wortmeldungen,

sodass jetzt die Landesregierung sprechen kann. Wer möchte? - Herr Minister Lies, bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zunächst einmal entschuldigen und auch bedanken für die Gelegenheit und Möglichkeit, gestern Abend - Herr Grupe, gestern war der Termin! - in Linsburg dabei zu sein. Das war sehr hilfreich, weil ich glaube, dass die Menschen dort vor Ort, die in hohem Maße betroffen sind - gerade im Landkreis Nienburg mit einer großen Zahl von Rissen -, auch den Anspruch haben, dass Politik Antworten gibt, wo es hingehen soll.

An dieser Stelle bitte ich um Verständnis: Die Kolleginnen und Kollegen und die Mitarbeiter des Hauses können die Antworten geben, die rechtlich abgesichert sind. Die Erwartung der Menschen von Politik ist, zu sagen, wo es eigentlich hingehen soll, also was wir verändern müssen, damit wir einen anderen Umgang haben. Deswegen ist es sicherlich auch dringend notwendig, dass - so wie gestern Abend - Politik da ist und Rede und Antwort steht. Ich finde, das war trotz einer ganz schwierigen Situation, in der sich dort viele befinden, eine sehr sachliche Diskussion, die dort stattgefunden hat. Von daher noch einmal herzlichen Dank, dass das möglich war!

Wir haben eine Situation, die im Moment wirklich schwierig ist, weil wir - das ist vorhin schon genannt worden - nicht alle Informationen haben, die wir brauchen, um handeln zu können. Wir können ja sehr wohl handeln. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht ja Ausnahmen vor bei Gefahren für den Menschen oder bei erheblichen Übergriffen auf Weide- und Nutztiere.

Wir haben nicht mehr alle Informationen - das ist vorhin gesagt worden -, weil tatsächlich ein Teil der Weidetierhalter das lieber gar nicht weitermeldet.

Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Wir sind auf alle Informationen angewiesen, damit wir am Ende auch eine Schwelle erreichen, um handeln zu können. Das habe ich gestern Abend auch gesagt. Das ist ganz wichtig. Wir müssen wissen, was passiert, um damit zu klären, inwieweit wir handeln müssen. Dann lässt sich auch relativ schnell vor Ort klären: Sind es Mutmaßungen, die sich am Ende nicht bestätigen - die gibt es nämlich auch; das ist völlig normal -, oder ist es ein realer Vorfall, dem wir am Ende begegnen müssen?

Was nicht hilft, sind Scheindebatten. Und eine solche - auch das will ich noch einmal sagen - war die Debatte gestern, und eine solche ist die Debatte, die Sie heute führen, Herr Grupe. Das Jagdrecht hilft nicht und ist keine Lösung. Das ist übrigens eine abgestimmte Haltung des Umwelt- und des Landwirtschaftsministeriums. Damit werden Erwartungen geweckt, den Wolfsbestand aktiv zu regulieren, die mit der Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht überhaupt nicht erfüllt werden. Denn die Aufnahme in das Jagdrecht bedeutet eben nicht, dass der Schutz des Wolfes und damit eben auch der Schutzstatus verändert werden. Also: Was soll diese Debatte?

(Beifall bei der SPD)

Verunsichern wir doch die Menschen nicht, sondern reden wir über das, was wirklich möglich ist! Ich glaube, davon haben wir alle mehr, und ich glaube auch, dass ansonsten die Verunsicherung, die wir mit solchen Debatten erzeugen, für die Menschen schwieriger ist, als wenn wir Klarheit schaffen und sagen, was geht und woran wir arbeiten, um etwas zu ändern. Das möchte ich Ihnen gerne darstellen, weil ich glaube, dass das ganz entscheidend ist.

Handlungsfähigkeit ist an den Stellen gegeben, die uns das Bundesnaturschutzgesetz eröffnet. Die Möglichkeiten sind eingeschränkt; das wissen wir. Aber wir müssen und werden die Spielräume, wo immer sie vorhanden sind und wo immer es notwendig ist, nutzen.

Wichtig ist aber, den Menschen in unserem Land zu zeigen, wohin wir wollen. Vorhin kam die berechtigte Frage: Wie viele Tiere werden wir am Ende in Deutschland haben? - Deswegen ist es eine der ersten Forderungen, die ich schon Anfang des Jahres gestellt habe: Wann und wie stellen wir eigentlich fest, dass dieser sogenannte günstige Erhaltungszustand erreicht wird, der dann übrigens möglicherweise - - -

(Zuruf von Hermann Grupe [FDP])

- Das sagen Sie, Herr Grupe! Aber noch reicht es nicht aus, wenn das Herr Grupe sagt. Wir brauchen also noch mehr Bestätigung.

(Beifall bei der SPD)