Meine Damen und Herren, es geht am Ende darum, dass wir mehr Ärzte ausbilden, dass wir mehr Medizinstudienplätze schaffen. Das tut diese Koalition, und das ist der einzige Weg, der uns aus dieser Misere heraushilft.
Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Für die Landesregierung nimmt jetzt die Ministerin Frau Dr. Carola Reimann das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Eine gute und sichere Gesundheitsversorgung ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Heute werden Sie noch über die Novellierung des Krankenhausgesetzes für mehr Patientenschutz
abstimmen. Außerdem befindet sich - das ist schon gesagt worden - ein Antrag zur hausärztlichen Versorgung zur Beratung im Sozialausschuss, bei dem sich eine Einigung zwischen den Fraktionen bei wesentlichen Forderungen abzeichnet.
Sehr geehrte Abgeordnete, eine Herausforderung besteht darin, zukünftig genügend niedergelassene Ärztinnen und Ärzte für die Versorgung im ländlichen Raum zu haben. Das betrifft insbesondere die Versorgung mit Hausärztinnen und Hausärzten. Unser Ziel bleibt dabei klar: eine möglichst wohnortnahe, möglichst hochwertige gesundheitliche Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen - egal, wo sie wohnen.
Es ist zunächst Auftrag und Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, KVN, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Die hierfür dringend notwendige Überarbeitung der Bedarfsplanung ist auf der Bundesebene aktuell auf einem guten Weg. Mit der überarbeiteten Bedarfsplanung sollen Versorgungslücken zukünftig besser als bislang abgebildet werden.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus den Entwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes - kurz: TSVG - vorgelegt. Auch dieser enthält Ansätze zu einer verbesserten Versorgung von Patientinnen und Patienten.
Hierfür ist auch eine gute Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhaus und Pflege wichtig. Deshalb arbeiten wir als Land in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur sektorenübergreifenden Versorgung mit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir nehmen auch in Niedersachsen die Herausforderungen auf und machen uns Gedanken über geeignete Maßnahmen. Vieles konnten wir schon auf den Weg bringen. Einiges werden wir nachjustieren oder neu entwickeln. Die Landesregierung ist auf Grundlage der Gemeinsamen Erklärung zur Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Land - eine strategische Partnerschaft mit der KVN - laufend in Gesprächen mit der KVN, um geeignete Themen für ein gemeinsames Vorgehen herauszuarbeiten.
Das Programm zur Stipendienförderung läuft bereits erfolgreich. Wir haben aufgrund der Nachfrage den Finanzierungsrahmen erhöht. Damit können nun deutlich mehr Stipendien als bislang vergeben werden.
Die Landesregierung plant außerdem im Rahmen der Unterstützung des Masterplans Medizinstudium 2020 eine deutliche Anhebung der Zahl der Medizinstudienplätze um bis zu 200 neue Studienplätze für Humanmedizin.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag haben wir darüber hinaus verabredet, nach zwei Regierungsjahren zu bewerten, ob unsere aktuellen Anstrengungen und die Maßnahmen der KVN genügen oder ob wir neue Instrumente benötigen.
Als verantwortliche Gesundheitsministerin nehme ich sehr ernst, dass sich maßgebliche Partner wie der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund und sogar die Kassenärztliche Vereinigung selbst für eine Landarztquote aussprechen. Ich persönlich halte die Landarztquote für einen hilfreichen Baustein zu einer flächendeckenden Versorgung.
Eine solche Quote bietet den Vorteil, bereits bei der Auswahl der Studierenden deren Bereitschaft abzufragen, später im ländlichen Raum tätig zu sein. Ich finde, dass junge Erwachsene diese Entscheidung durchaus zu diesem Zeitpunkt treffen können. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass sich die immer wieder geäußerten rechtlichen Bedenken ausräumen lassen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein wichtiges Vorhaben der Landesregierung. Neben der allgemeinen Digitalisierung in Krankenhäusern, in Praxen und im Rettungsdienst fördern wir mit dem Sondervermögen Digitalisierung drei Schwerpunkte: Unterstützungssysteme für ein selbstbestimmtes Alter, die landesweite Einrichtung des Krankenhausinformationssystems IVENA und Projekte in der Telemedizin. Ein Modellprojekt ist z. B., die ambulante Versorgung von Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum zu verbessern, indem bestimmte ärztliche Leistungen mit digitaler Unterstützung auf einen ambulant tätigen Pflegedienst delegiert werden.
Insgesamt bietet die Digitalisierung gerade in einem Flächenland wie Niederachsen große Chancen. Ich werde aber auch darauf achten, dass diese zum Wohl der Patientinnen und Patienten eingesetzt werden und nicht zulasten der Selbstbestimmung gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Ziel bleibt die hochwertige und flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Niedersachsen. Dazu werden wir die fachlich erforderlichen Maßnahmen umsetzen und auch neuen Entwicklungen gegenüber offen sein.
Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Reimann. - Meine Damen und Herren, zu diesem Punkt der Aktuellen Stunde liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Aktuelle Stunde für heute insgesamt schließen kann.
Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes und weiterer Vorschriften - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/908 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - Drs. 18/1863 - Schriftlicher Bericht - Drs. 18/1921 - dazu: Stärkung der Patientensicherheit - Stationsapothekerinnen und Stationsapotheker bei der Refinanzierung berücksichtigen - Antrag gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 GO LT der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1924
Nach § 36 unserer Geschäftsordnung beschließt der Landtag über den Antrag auf Annahme einer Entschließung, der der Sache nach zu dem Gesetzentwurf gehört, nach der Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Aber der Reihe nach: Wir treten zunächst zu Tagesordnungspunkt 3 in die Beratung ein. Eine erste Wortmeldung liegt aus der Fraktion der SPD vor. Herr Kollege Schwarz, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am kommenden Dienstag beginnt vor dem Landgericht Oldenburg ein Prozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel wegen 100-fachen Mordes an Patientinnen und Patienten in den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg. Högel ist bereits wegen mehrerer Morde lebenslang verurteilt.
Wir wissen aus dem hier im Landtag 2015 und 2016 eingesetzten Sonderausschuss, dass die Anzahl der ermordeten Patienten bzw. Menschen vermutlich mehr als doppelt so hoch ist, dass dies aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr nachgewiesen werden kann. Es handelt sich jedenfalls um den größten Massenmörder unseres Landes, der ohne Opferprofil wahllos tötete.
Wer in ein Krankenhaus muss, tut dies in der Regel nicht mit Begeisterung, sondern damit ist meistens eine gehörige Portion Angst verbunden. Schon deshalb muss ein Krankenhaus ein Ort sein, dem der Patient vertrauen kann, wo er Sicherheit und Hilfe erhofft und erwarten kann.
Högel ist nicht nur für die Kliniken Oldenburg und Delmenhorst ein nachwirkendes Problem, sondern für die gesamte Krankenhauslandschaft. Wir wollten daher im Krankenhaus-Sonderausschuss klären, ob landespolitische Regelungen geschaffen werden können, die die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Verbrechen wiederholen, für die Zukunft deutlich minimieren.
In einem Gesundheitswesen, das immer stärker ökonomisiert wird, in dem die Gewinnmaximierung und die Abschottung der Sektoren im Vordergrund stehen, in dem Högel lieber mit einem super Zeugnis weggelobt als Anzeige erstattet wird - in einem solchen System gibt es offensichtlich auch systemrelevante Probleme. Es war relativ schnell klar, dass auch in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst früh Hinweise darauf vorhanden gewesen sind, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.
Aus den Erkenntnissen des Sonderausschusses hat Niedersachsen mehrere gesetzliche Konsequenzen gezogen. Eine weitere ziehen wir heute:
Erstens. Seit dem 1. Januar 2016 müssen alle Krankenhäuser in Niedersachsen Patientenfürsprecher haben, an die sich Patientinnen und Patienten sowie Angehörige vertrauensvoll wenden können. Zwischenzeitlich ist das fast flächendeckend umgesetzt. Mir ist nur ein einziges Haus in Niedersachsen bekannt, dem das Sozialministeri
Zweitens. Seit dem 1. Juli 2016 hat Niedersachsen als zweites deutsches Flächenland einen Landesbeauftragten für Patientenschutz. Herr Dr. Wüst hat gerade in der vergangenen Woche seinen aktuellen Jahresbericht im Fachausschuss vorgestellt und dabei deutlich gemacht, dass die Inanspruchnahme seiner Person innerhalb eines Jahres um über 10 % gestiegen ist. Vor allem die von ihm im Fachausschuss vorgestellten Fälle machen deutlich, wie wichtig und notwendig die Einrichtung dieser Stelle gewesen ist.
Drittens. Am 19. Juni dieses Jahres haben wir das Bestattungsgesetz geändert. Wir haben die Meldetatbestände für die den Tod feststellenden Ärzte deutlich erweitert, die Leichenschau neu geregelt und im Übrigen festgelegt, wann und durch wen eine klinische Leichenöffnung außerhalb der gerichtsmedizinischen Obduktion vorzunehmen ist.
Meine Damen und Herren, heute nun wird das Krankenhausgesetz verändert. Es ist im Rahmen der Ausschussberatungen gegenüber dem vorgelegten Entwurf noch einmal deutlich verschärft worden.
Wir stellen fest, dass es eine Unterschreitung von Mindestmengen bei bestimmten Operationen in niedersächsischen Krankenhäusern nicht geben wird. Wir lehnen das aus Gründen des Patientenschutzes und der Patientensicherheit ausnahmslos ab.
Die Position der Patientenfürsprecher wird auf Vorschlag des Landespatientenschutzbeauftragten nochmals gestärkt. In allen Krankenhäusern führen wir obligatorisch ein anonymes Meldesystem, das sogenannte Whistleblowing, ein. Dieses ermöglicht Beschäftigten, eventuelle Verdachtsmomente für Fehlverhalten oder sogar kriminelles Handeln innerhalb des Krankenhausbetriebs an eine neutrale Stelle zu melden, ohne dass dabei Rückschlüsse auf deren Identität gezogen werden können. Uns ist bewusst - im Fachausschuss und sicherlich auch hier -, dass wir damit juristisches Neuland betreten und es daher auch verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Aber, meine Damen und Herren, gerade der Fall Högel hat bewiesen, dass bei Vorhandensein des Whistleblowings Menschenleben hätten gerettet werden können.
Wir werden darüber hinaus an allen niedersächsischen Krankenhäusern bis spätestens zum 1. Januar 2022 Stationsapothekerinnen und Stations
apotheker haben. Das dauert drei Jahre, weil die Ausbildung so lange dauert. Die Apothekenkammer hat bereits entsprechende Vorsorge getroffen und wird Ausbildungskurse anbieten. Auch hier betreten wir Neuland, und auch hier gibt es verfassungsrechtliche Bedenken.
Aber ich weise darauf hin: Eine eigene Krankenhausapotheke gibt es bei uns nur noch in 28 von 182 niedersächsischen Krankenhäusern. Dadurch erhöht sich die Schwierigkeit, ungewöhnliche Verwendungsweisen von Medikamenten frühzeitig zu entdecken. Stationsapotheker sind auf den Stationen beratend tätig, um dort die Medikamentenabgabe begleitend zu unterstützen. Ergänzend haben SPD und CDU einen Entschließungsantrag vorgelegt, der den Bund auffordert, die Refinanzierung von Stationsapothekern im SGB V zu verankern.
Und: Wir werden Krankenhäuser verpflichten, klinikinterne Arzneimittelkommissionen einzusetzen. Diese dienen künftig als Schnittstelle zwischen den Arzneimittelbelieferungen und der jeweiligen Krankenhausstation.
Ferner muss jedes Krankenhaus einen Plan erstellen, wie Beschäftigten bei berufsbezogenen Belastungen geholfen werden kann.
Und zu guter Letzt: Krankenhäuser gehören unstrittig zum Kernelement der staatlichen Daseinsvorsorge. Unsere Landkreise haben den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag. Wenn es Probleme mit und in einzelnen Krankenhäusern gibt, gehen Menschen selbstverständlich davon aus, dass Aufsichtsbehörden vorhanden sind, die hier einschreiten. Dem ist aber nicht so. Zumindest in Niedersachsen ist das ein Trugschluss. Das Land Niedersachsen hatte bisher keinerlei aufsichtsrechtliche Kompetenzen.
Mit diesem Gesetzentwurf erhält das Land erstmalig aufsichtsrechtliche Kompetenzen zur Durchsetzung der hier vorgestellten Gesetzesänderungen einschließlich Vollstreckungskompetenzen. Wir sind uns allerdings in der Koalition auch einig, dass insbesondere das Thema der Landesaufsicht noch einmal verstärkt durchleuchtet und gegebenenfalls nachjustiert werden muss.