Protocol of the Session on October 24, 2018

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Wie angekündigt, hat nun ebenfalls für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz das Wort. Bitte!

Danke schön. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine der Lösungen, um dem Ärztemangel auf dem Land zu begegnen, könnte ja schon in der Ausbildung liegen - in unseren Augen aber weniger in einer Quote bei Studienplät

zen, die wir für keine gute Idee halten, sondern in einem weiteren Ausbau von Stipendien und vor allem im Kennenlernen des Berufes Landarzt schon im Studium.

Damit sind wir beim Thema: Wie sind die praktischen Anteile im Studium gestaltet? Wie lernen Studenten die Arbeit in kleinen Praxen und nicht nur den sicher auch sehr faszinierenden Alltag in großen Krankenhäusern kennen? Wie sollen sie denn wissen, ob sie eine kleine Praxis auf dem Land haben wollen, wenn sie das gar nicht kennen?

Einen entsprechenden Versuch gibt es in Niedersachsen an der European Medical School in Oldenburg. Für mich klingt das, was die Universität Oldenburg da entwickelt hat und jetzt noch als Modellstudiengang durchführt, nach dem richtigen Weg dorthin. Die Studenten gehen schon ab dem ersten Semester in Lehrpraxen. Sie lernen echte Patienten und die tägliche Arbeit von Medizinern schon von Beginn an auch in kleinen Praxen kennen, auch und gerade auf dem Lande. So weckt man Interesse.

In den letzten Tagen ist seitens des Landesrechnungshofs Kritik an der nachhaltigen Finanzierung dieses Studiengangs geäußert worden - passend zum Besuch des Wissenschaftsrats in Oldenburg. Der Wissenschaftsrat evaluiert den Studiengang jetzt. Das Land muss dann mit realistischen Zahlen für die Finanzierung arbeiten. Bisher ist hier eher wenig investiert worden - vielleicht logisch; denn das Ganze ist noch in der Modellphase. Wenn man es mit dem Medizinstudium in Oldenburg aber ernst meint, müssen jetzt belastbare Zahlen auf den Tisch.

Zur Deckung des Bedarfs an Ärzten werden in unseren Augen zwei Studienstandorte nicht ausreichen. Und hier ist noch ein weiterer Standort entstanden - mit einer guten Antwort auf die Frage der Landärzteversorgung.

Danke.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nun hat für die AfDFraktion Herr Kollege Bothe das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen! „Ärztliche Ver

sorgung“ im ländlichen Raum „flächendeckend sichern“ - eine Aktuelle Stunde, die durchaus Berechtigung hätte, wenn, ja wenn Sie nicht exakt dieses Thema vor rund zwei Monaten in diesem Plenum schon diskutiert hätten.

Liebe Frau Dr. Wernstedt, Ihr Vortrag hat doch Verwunderung bei mir ausgelöst. Ich dachte, vielleicht komme jetzt etwas Neues. Es kam aber nicht. Frau Kollegin Bruns hat auch schon angedeutet, dass wir dieses Thema erst letzten Donnerstag im Sozialausschuss behandelt haben. Was die genaue Intention Ihres Fachvortrages war, bleibt also ein Rätsel.

Verwundert bin ich auch, dass Sie, werte Sozialdemokraten, dieses für Sie ach so wichtige Thema im Ausschuss nicht mit einer Verbandsanhörung verknüpft haben. Aber sei es drum! Sie werden Ihre Gründe haben.

(Vizepräsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Da von Ihnen, Frau Dr. Wernstedt, nichts Neues kam, möchte ich jetzt einfach einmal die Zeit nutzen und Ihr persönliches Lieblingsthema, die Landarztquote, aufs Tableau bringen. Der WeserKurier berichtete am 22. Oktober 2018:

„Angesichts von mehr als 400 unbesetzten Arztsitzen in Niedersachsen hat der Städte- und Gemeindebund seine Forderung nach einer Landarztquote erneuert. Mit so einer Quote könnte ein Teil der Medizinstudienplätze ausschließlich an Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, nach ihrem Abschluss einige Jahre auf dem Land zu arbeiten.“

Wahrscheinlich dürfte das der wahre Grund sein, warum Sie, liebe SPD-Fraktion, dieses Thema heute auf die Agenda gesetzt haben. Weil sich endlich ein Akteur erbarmt hat, Ihr persönliches Lieblingsthema hervorzuholen, musste diese Aktuelle Stunde wahrscheinlich von Ihnen beantragt werden.

Ich verstehe Sie auch, liebe Genossen. Sie haben ja derzeit nicht viele positive Meldungen auf Ihrer Seite.

(Beifall bei der AfD)

Doch auch der Kommentar des Städte- und Gemeindebundes ändert nichts daran: Die Landarztquote ist ein illusorisches Konzept. Wie alle Quotenregelungen scheitert auch sie an der Realität.

Denn sozialistischer Zwang wird junge Ärzte nicht dazu bringen, sich auf dem Land niederzulassen.

Nein, es braucht keine Gesellschaftsexperimente à la DDR, sondern Anreize und Förderung. Der Beruf des Landarztes muss wieder attraktiv gemacht werden.

Hätten Sie, liebe SPDler, Ihrer Sozialministerin vor rund zwei Monaten richtig zugehört, wüssten Sie, dass die Landarztquote erst dann wieder aufs Tableau kommt, wenn alle anderen Maßnahmen, die bereits in dem GroKo-Antrag festgehalten worden sind, nicht fruchten. Und jetzt planen Sie ja sogar mit Ihren Freunden der Grünen und der FDP einen GaGroKo-Antrag. Das kann doch nur ein Erfolg werden.

Meine Damen und Herren, werte SPD-Fraktion, an dieser Stelle frage ich Sie aber, weil Sie dieses Thema heute schon wieder aufs Tableau setzen: Gehen Sie eigentlich davon aus, dass Ihr Antrag in der Umsetzung scheitert? Und wenn ja: Warum haben Sie ihn dann so gestellt? Fragen über Fragen!

Oder beantworten Sie doch einmal den Bürgern zum Thema Landarztquote folgende Fragen: Wie viele Landarzt-Medizinstudenten würde denn die SPD zulassen? Und was ist, wenn der LandarztMedizinstudent nach dem abgeschlossenen Studium doch nicht aufs Land geht? Muss er dann seine Studienkosten zurückzahlen oder seine frische Approbationsurkunde zurückgeben? Oder wird die Approbation nur für die Zulassung im ländlichen Raum erteilt?

Sei es drum! Alle Experten sind sich heute einig: Wir brauchen kein Mehr an Ärzten, sondern wir brauchen eine bessere Strukturierung und Organisierung des bestehenden Hausarztsystems.

Meine Damen und Herren, auch wenn Herr Dr. Trips jetzt noch einmal die Landarztquote eingefordert hat, warne ich eindringlich davor, über sozialistische Zwangsmaßnahmen und über eine Bestrafung für unwillige Mediziner nachzudenken.

Was wir stattdessen brauchen, sind finanzielle und strukturelle Anreize, um junge Ärzte zu einer freiwilligen Niederlassung im ländlichen Raum zu bewegen. Dies und nichts anderes ist einer freiheitlichen Gesellschaft würdig.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bothe. - Jetzt folgt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Jörg Hillmer. Bitte sehr, Herr Hillmer! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Morgen ist schon viel über Bundespolitik gesprochen worden - über Verantwortung, die andere wahrzunehmen haben, und darüber, dass etwas angeblich nur ein bisschen besser organisiert werden muss. Ich möchte einmal fragen: Was ist denn eigentlich unsere Verantwortung als Land Niedersachsen?

Als großes Land sollten wir uns doch nicht darauf verlassen, dass andere für uns die Ärzte ausbilden, sondern zumindest den Anspruch haben, dass wir die Ärzte, die wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten brauchen, auch selber ausbilden. Ich kenne kein Land in Deutschland, das über seinen eigenen Bedarf hinaus ausbildet, aber ein paar Länder, die gar keine Ärzte ausbilden.

Deshalb habe ich einmal eine Anfrage gestellt. Sie ist vor ungefähr sechs Wochen in der Drucksache 18/1562 beantwortet worden. Daraus einige Zahlen:

Zurzeit sind in Niedersachsen 32 365 Ärztinnen und Ärzte tätig. Bis zum Jahr 2030 werden davon 10 790 - diese Zahl müssen Sie sich merken - 65 Jahre alt und wahrscheinlich aus dem Dienst ausscheiden. Im Augenblick haben wir 675 Studienanfängerplätze. Wir haben uns vorgenommen, diese Zahl um 200 - immerhin um 30 % - zu erhöhen. Aber selbst wenn diese 875 Studienplätze sofort verfügbar wären, könnten wir damit in zwölf Jahren gerade einmal 10 500 Ärztinnen und Ärzte ausbilden. Ich erinnere an die noch größere Zahl von 10 790 Ärztinnen und Ärzten, die in den nächsten zwölf Jahren ausscheiden werden.

Das heißt: Die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, ist dringend geboten. Das hätte schon viel früher umgesetzt werden müssen, Frau Janssen-Kucz. Denn die Ausbildung dauert mindestens elf Jahre. Die Zahlen zeigen aber, dass unsere Kapazitäten dann nur bestenfalls numerisch die eigenen niedersächsischen Bedarfe abdecken können.

Meine Damen und Herren, noch mehr Studienplätze über diese 875 hinaus scheitern nicht am Geld, nicht an Hörsälen und nicht an Professoren, sondern am Flaschenhals klinischer Ausbildungskapa

zitäten. Wir müssen deshalb darauf hinwirken, dass möglichst viele Absolventen der sehr aufwendigen Medizinerausbildung am Ende auch Ärztin oder Arzt werden.

Längst nicht alle Absolventen unseres Medizinstudiums tun das. Wie hoch ist die Quote derer, die nicht Ärztin oder Arzt werden? Was machen die anderen? Darauf habe ich leider noch keine Antwort. Aber es ist interessant, der Frage nachzugehen, wo die Medizinstudiumabsolventen bleiben, die am Ende doch nicht Arzt werden. Damit müssen wir uns beschäftigen. Denn vielleicht ist für diese ein anderer Ausbildungsgang oder ein abgezweigter Ausbildungsgang interessanter, der den Flaschenhals „klinische Ausbildung“ nicht belastet.

Eine weitere interessante Frage ist: Füllen alle Ärzte eine volle Arztstelle aus? - Die Teilzeitquote beträgt laut KVN schon heute 20,3 %. In niedersächsischen Krankenhäusern liegt die Teilzeitquote bei männlichen Beschäftigten bei 6,5 %, bei weiblichen bei 40 %. Wissen wir, dass in unseren Hörsälen zurzeit zu mehr als zwei Dritteln Frauen sitzen, deren Berufswunsch eher nicht „niedergelassene Ärztin mit 70-Stunden-Woche“ ist, dann können wir daraus ersehen, dass wir heute drei Ärzte ausbilden müssen, um zwei zu ersetzen.

Nun konzentriert sich die öffentliche Debatte und Diskussion - so auch heute - doch sehr auf die Landärzte oder - etwas allgemeiner - auf die Hausärztinnen und Hausärzte. Zurzeit sind 365 Hausarztsitze nicht besetzt. Die Zahl liegt seit Jahren konstant in dieser Größenordnung. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen, KVN, werden bis 2030 immerhin 3 184 von den derzeit 5 150 niedergelassenen Hausärzten 65 Jahre alt. 3 184 junge Mediziner ließen sich unter den theoretisch angenommenen 10 500 Absolventen, die wir in den nächsten zwölf Jahren ausbilden, natürlich leicht finden, wenn man den Beruf attraktiv genug ausgestalten würde; das ist eine Aufgabe der Gesundheitspolitik. Unter den Hausärzten in Niedersachsen Anreize dazu zu setzen, in vermeintlich unattraktivere Bereiche zu gehen, ist hingegen Aufgabe der KVN; sie hat schließlich den Sicherstellungsauftrag.

Meine Damen und Herren, hilft uns eine Landarztquote? - Durch eine Landarztquote gibt es keinen einzigen Arzt mehr. Ich habe Ihnen eben schon vorgerechnet: Wir bilden in der Summe schon zu wenig Ärzte aus. Der gewonnene Landarzt fehlt an irgendeiner anderen Stelle im Gesundheitssystem.

Wenn die Decke zu kurz ist, wird es einem immer irgendwo kalt.

(Glocke des Präsidenten)

Der erste Quotenlandarzt würde frühestens 2030 fertig. Und Sie dürfen nie vergessen: Für jeden Studienanfänger im Rahmen der Landarztquote müsste ein Abiturient mit einer Durchschnittnote von 1,0 oder 1,1 oder vielleicht 1,2 auf einen Studienplatz verzichten. Wäre das verfassungskonform?

(Glocke des Präsidenten)

Letzte Frage: Wie steht es mit dem Freikauf, wenn man dann doch nicht Landarzt wird?

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Werden die Landarztstudienplätze zur Alternative für Reiche werden? Eltern, die es sich leisten können, ihr Kind freizukaufen oder es im Ausland studieren zu lassen, werden sich wahrscheinlich für den Freikauf entscheiden.

Herr Kollege, letzter Satz!