Mir wurde gerade übermittelt, dass es bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Unmut darüber gab, dass sie nicht als Erste geredet hat. Als ich den Vorsitz im Präsidium übernommen habe, lag hier ein Wortmeldezettel, und zwar der des Kollegen Ehbrecht. Auch das ungeschriebene Gesetz, dass die einbringende Fraktion zuerst spricht, hebt nicht die Pflicht zur Abgabe eines Meldezettels auf. Der lag nicht vor.
Jetzt, auf Nummer zwei, kommt die Wortmeldung des Kollegen Schulz-Hendel. Jetzt hat er das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen, dass aus unserem Antrag nun eine interfraktionelle, geeinte Resolution geworden ist. Das entspricht unserer Zielvorstellung, die wir mit der Einbringung im Februar verbunden haben.
Sie alle wissen: Der Prozess bis zum heutigen Ergebnis war kein ganz einfacher. Ich bin aber sehr zufrieden, dass wir in der Summe ein gutes Ergebnis hinbekommen haben. Ich möchte allen beteiligten Fraktionen ausdrücklich dafür danken, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen sind.
Die Resolution ist auf Basis des Antrages der Grünen entstanden, ohne den es eine solche Entschließung des Landtages zu Waffen- und Rüstungsexporten nicht gegeben hätte. Meines Wissens ist es die umfangreichste Befassung mit dem Thema hier im Niedersächsischen Landtag. Ich bin sehr glücklich, dass wir an der Stelle die GroKo zu einer gemeinsamen Positionierung bringen konnten. Ohne uns hätte es eine so umfangreiche Debatte zu Rüstungsexporten hier im Landtag nicht gegeben.
Die Resolution, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein guter Kompromiss. Natürlich hatten wir weitergehende und schärfere Forderungen - nachzulesen in unserem Ursprungsantrag. Dort nennen wir u. a. explizit das niedersächsische Unternehmen Rheinmetall, welches in Unterlüß einen großen Produktionsstandort hat und immer noch im Gespräch ist, die Nachrüstung türkischer Leopard-2Panzer vorzunehmen, jetzt aber mit einem JointVenture-Projekt direkt in der Türkei. Das darf nicht sein. Und das darf auch ein NATO-Partner Türkei nicht.
Gerade bei der Frage der unternehmerischen Verantwortung haben wir um einen Kompromiss gerungen. Deshalb finden Sie den Namen Rheinmetall auch leider nicht mehr im Text des Änderungsantrages, über den wir heute abstimmen. Aber ich will nicht zu viel Wasser in den Wein gießen. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Von unserer Seite haben wir uns insbesondere dafür eingesetzt, dass der Titel weiterhin den Begriff „Fluchtursachen“ enthält.
Wir begrüßen, dass wir uns auf die Forderung an die Bundesregierung nach einem Rüstungsexportkontrollgesetz einigen konnten und uns einig sind, dass zivile Konfliktlösungsmechanismen zu stär
ken sind. Mittel der zivilen Konfliktlösung sind ein wichtiger Baustein der Fluchtursachenbekämpfung. Dazu gehört auch die Aussage, dass Rüstungsexporte in Konfliktregionen eine fluchtverstärkende Rolle spielen. Ich würde sogar sagen: Waffen- und Rüstungsexporte sind oft Fluchtursache Nummer eins, da sie Konflikte erst zum Eskalieren bringen.
Ich bin insbesondere zufrieden, dass wir uns darauf verständigen konnten, die Landesregierung aufzufordern, einen verstärkten Dialog zwischen Politik, Gesellschaft und Unternehmen auf allen Ebenen zu diesem wichtigen Thema zu initiieren. Dazu in der Begründung noch einmal folgende Konkretisierung - ich zitiere -:
„Die Regeln der Rüstungskontrolle bilden den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Wirtschaft unter Wahrung ihrer unternehmerischen und ethischen Verantwortung ihre Geschäfte tätigt. Diese Verantwortung begrenzt sich dabei nicht nur auf Standorte im Inland, sondern gilt auch für Tochter- und Partnerunternehmen im Ausland. Politik, Gesellschaft und Wirtschaftsverbände sind aufgefordert, ihren Beitrag dazu zu leisten, die Einhaltung dieser politischen, rechtlichen und ethischen Grenzen zu sichern und bei Verstößen aktiv zu werden.“
An all diesen Punkten, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen sich die Landesregierung und auch die niedersächsischen Unternehmen ab heute messen lassen. Darauf lässt sich aufbauen. Ich freue mich über diese Positionierung der breiten Mehrheit des Landtages und über das gute Ergebnis und sage noch einmal herzlichen Dank an alle beteiligten Fraktionen.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Emmerich-Kopatsch. Bitte sehr!
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Lieber Kollege Schulze-Hendel, auch wir freuen uns natürlich, dass es doch noch gelungen ist, eine gemeinsame Resolution auf den Weg zu bringen. Wir sind sicher, dass es ein gutes Zeichen aus Niedersachsen ist, Waffen eben nicht in Krisen- und Kon
fliktregionen zu liefern, auch nicht über Umwege, nicht über Tochtergesellschaften, und dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass es strengere Kontrollen gibt, dass man eben auch den Verbleib unabhängig überprüfen lässt: Sind die Waffen wirklich noch da, wo sie einmal angekommen sind, oder sind sie an Menschen und Organisationen weitergegeben worden, in deren Händen wir keine Waffen sehen wollen? Auch wenn die Amerikaner im Moment etwas schwierige Partner sind, haben offenbar selbst sie gestern Abend im Senat gegen weitere Waffenlieferungen an die Türkei gestimmt, sodass man auch sagen muss: Es ist insgesamt eine höhere Sensibilität entstanden, wie man mit solchen Geschäften umgehen will.
Wir haben natürlich auch vor, die Bundesregierung zu bitten, mit dem NATO-Partner Türkei ernsthafte Gespräche diplomatischer Art zu führen. Was wir natürlich nicht wollen, ist, dass dann auf Waffenkäufe aus Russland umgelenkt wird. Das würde nun niemandem weiterhelfen. Und zum Glück sind diese Bestellungen ja erst einmal storniert worden. Uns geht es genau wie Ihnen allen um eine zeitgemäße Anpassung der Waffenexportkontrollen, der Waffenexportlieferungen und der Richtlinien dazu. Sie müssen in einer immer schwieriger werdenden Sicherheitslage ständig aktualisiert werden. Alle uns bisher bekannten geopolitischen und geostrategischen Grundsätze haben sich verändert, und Gewissheit gibt es fast gar nicht mehr. Wir haben doch mehr Konfliktherde, als wir das in der Vergangenheit kannten.
Notfalls müssen auch Zusagen oder auch Verträge gekündigt werden können. Wenn sich die Lage verändert hat, weil die Zeit zwischen Bestellung, Genehmigung, Herstellung und Auslieferung oft sehr lang ist, darf nicht einfach gesagt werden: Wir haben da ja noch Altverträge von der VorVorgängerregierung. - Darauf müssen wir entgegnen: Nein, das geht nicht mehr. Es gibt veränderte Grundsätze,
Wir wollen strengere Beobachtungen der internationalen Entwicklung, einheitlich hohe EU-weite Standards, die auch gemeinsam getragen und immer wieder angepasst werden müssen. Wir finden es auch gut, dass es ein Rüstungsexportkontrollgesetz geben soll. Ich denke, unsere Lan
Die Exportrichtlinien sollen schärfer und nachvollziehbarer gefasst werden, ethische Aspekte müssen stärker berücksichtigt werden, wie schon eben von dem Kollegen der CDU gesagt wurde. Wir wollen uns mehr auf Diplomatie denn auf Kriegswaffen insgesamt verlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es gelungen ist, dies gemeinsam zu erreichen und einen gemeinsamen Einsatz für Frieden und Freiheit zu verstärken, ist wunderbar. Ich danke jedenfalls für die gemeinsame Anstrengung und freue mich auf weitere gemeinsame Texte.
Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen und Herren! Und wieder reden wir über „Fluchtursachen bekämpfen“. Am Antrag der Grünen hat sich nicht so wahnsinnig viel geändert. Nach wie vor zeigt dieser Antrag, liebe Kollegen von den Grünen, dass Sie ein sehr einfaches, man möchte fast sagen, schlichtes Weltbild haben. Jetzt hat sich auch noch die GaGroKo dieses Antrags angenommen und hat ihn leicht verändert. Das ändert aber nichts an den Fehlern in diesem Antrag.
Ja, Kriege lösen Flucht aus. Auch das bestreite ich nicht. Aber in aller Regel tritt jedoch zunächst etwas ein, was man Binnenflucht nennt. Man hofft, bald zurückkehren zu können - das ist ganz menschlich - und flieht deshalb nur so weit wie nötig. Massenwanderungsbewegungen über riesige Distanzen hat es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben - und das, obwohl es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gut 110 Kriege auf der Welt gab. Stellen Sie sich bitte auch einmal die Frage, warum es dieses Mal zu einer Massenwanderung gekommen ist und in den 110 Fällen davor nicht!
Den ersten Teil der Antwort darauf habe ich Ihnen im letzten Plenum geliefert, den zweiten Teil der Antwort liefere ich Ihnen gerne nach: Ich flüchte also aus meinem Land vor einem Krieg in die nächste sichere Zone. Dann bekomme ich dort auf einmal Nachricht von einem Land, in dem, so sagt man mir, Milch und Honig fließen. Ein Land, das so reich ist, dass die Menschen extra zu mir ins Flüchtlingscamp kommen, um mich einzuladen. Ein Land, in dem die Menschen Aufkleber herstellen, die mich willkommen heißen. Ein Land, in dem die Menschen auf die Bahnsteige kommen, um mich freundlich zu begrüßen.
Ein Land, das mir sofort alles bezahlt: Wohnung, Nahrung, Unterkunft, Medizin. Ein Land, in dem ich kostenlos Eisenbahn fahren kann. Ein Land, in dem es mir so gut geht wie nicht einmal vielen seiner Einwohner.
Ein Land, dem ich so wichtig bin, dass es sogar seine bestehenden Gesetze nicht anwendet oder sie sogar bricht. Ein Land, das von mir nicht einmal Papiere sehen will. Ein Land, in dem ich Märchen aus 1001 Nacht erzählen kann.
Ein Land, das mir glaubt, ich sei 14, dabei trage ich seit Jahren einen Vollbart. Ein Land, das sich weigert, das zu prüfen.
Ein Land, in dem Ämter zusätzlich Tausende Rechtsbrüche begehen, um mir selbst dann ein Hierbleiben zu ermöglichen, wenn ich eigentlich schon abgelehnt bin. Ein Land, in dem mittlerweile Tausende Einheimische gut und gerne davon leben, dass ich komme. Ein Land, dem vielleicht auch deshalb völlig egal ist, was ich hier tue. Ein Land, das klaglos hinnimmt, wenn Hunderte der einheimischen Frauen und Mädchen vergewaltigt oder sexuell genötigt werden.
Ein Land, das Millionen junge Männer aus einer Machokultur zu sich einlädt, die unter Frauenrechten nur eines verstehen: das Recht, als Frau geschlagen und unterdrückt zu werden - und wenn die Widerworte allzu groß werden: auch getötet.
Ein Land, das alles unternimmt, um nicht abschieben zu müssen, selbst wenn ich gemordet, geraubt oder vergewaltigt habe.