Die katholische Kirche hat darauf hingewiesen, dass die Reformation für die Spaltung des Christentums steht und daher für sie wahrlich kein Grund zum Feiern ist.
Die Gewerkschaften - Herr Watermann, das haben Sie eben noch einmal angeführt - haben in der Tat für einen Feiertag gestimmt, aber sie haben zugunsten eines weltlichen Feiertages argumentiert; denn einen solchen halten sie für geeigneter.
Gleiches gilt für zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Petitionen an diesen Landtag gewandt haben.
Die Humanistische Union will keinen Feiertag - ich finde, das ist ein starkes Argument -, der nach Konfessionen oder anderen Merkmalen trennt. Wir haben eben Alptekin Kirci gehört, der gesagt hat, dass das ein Signal gewesen wäre.
Selbst die Wissenschaft hat deutlich gemacht, dass der Reformationstag nicht als Feiertag taugt; denn die Reformation war nicht Auftakt einer europäischen Freiheitsgeschichte, sondern vielmehr in weiten Teilen eine gewalthafte Konfliktgeschichte.
Und - auch das ist Ihnen allen hier bekannt -: Nicht zuletzt den jüdischen Gemeinden stoßen Sie mit dem Reformationstag auf pietätlose Weise vor den Kopf.
Zählt man alle diese Gruppen zusammen, kann man nur zu einem Ergebnis kommen: Der Reformationstag wird für viele Menschen in Niedersachsen kein Feiertag, sondern nur ein weiterer freier Tag sein, und für manche von ihnen wird er eine Zumutung sein.
Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass all diese Einwände für Sie nicht zählen. Die Anhörung schien in erster Linie eine Beruhigungspille für die Verbände zu sein, damit diese die Entscheidung des Parlamentes am Ende mittragen, wenn man ihnen mit einer Anhörung die Möglichkeit von Beteiligung vorgaukelt.
Überzeugt und mitgenommen haben Sie mit dieser Vorfestlegung auf den Reformationstag - wie wir heute deutlich sehen konnten - nicht einmal die eigenen Fraktionen, die eigenen Parlamentarierinnen und Parlamentarier, wie dies die Anträge zum Buß- und Bettag sowie zum Tag des Grundgesetzes deutlich machen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Beteiligung ist Voraussetzung, Bestandteil und zugleich wesentliches Merkmal einer Demokratie.
Wir haben mit unserem Änderungsantrag den Europatag und den Internationalen Frauentag vorgeschlagen, zwei weltliche Feiertage, die für Menschen in Niedersachsen die Chance bieten, sich auf gemeinsame Werte zu besinnen; denn auch mit zwei weiteren Feiertagen kommt Niedersachsen im Bundesvergleich gerade einmal im Mittelfeld an.
Weder mit dem Frauentag noch mit dem Europatag würde irgendjemand brüskiert. Mehr noch: Wir würden den Anforderungen gerecht werden, die in der Anhörung mehrheitlich an den neuen Feiertag
Ich appelliere daher an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Überlassen Sie die Entscheidung über das Feiertagsgesetz nicht einer Nordländerkonferenz! Holen Sie die Entscheidung in die Herzkammer der Demokratie - so hat es Norbert Lammert einmal gesagt - zurück, nämlich in dieses Parlament!
Stimmen Sie für den Internationalen Frauentag als deutliches Zeichen für mehr Gleichstellung, oder stimmen Sie für den Europatag, und setzen Sie damit ein Zeichen, das in diesen bewegten Tagen wichtiger und notwendiger denn je erscheint! Wir geben Ihnen gleich die Möglichkeit, über die einzelnen Anträge namentlich abzustimmen.
Gestatten Sie mir am Schluss noch ein persönliches Wort: Zu dem sensiblen Thema der Islamverträge, Herr Weil, haben wir eine ganze Reihe von interfraktionellen Gesprächen geführt, weil wir damals in der Koalition mit der SPD der Meinung waren, dass es bei so wichtigen gesellschaftlichen Themen auch eine gesellschaftliche Mehrheit geben muss, die beteiligt wird. In einer Großen Koalition, Herr Weil, sind Sie sich offensichtlich selbst genug. Das ist nicht nur an Herrn Weil gerichtet, sondern auch an die Kollegin Modder. Die Sätze „Es soll mal von den Bäumen heruntergekommen werden“ oder „Die Kirche im Dorf lassen“ haben auch mich ein bisschen enttäuscht. Ich frage mich, von welcher Kirche Sie da geredet haben: Von der katholischen? Von der evangelischen? Oder von den Synagogen der jüdischen Gemeinden? - Ich halte das an dieser Stelle für einen etwas schwierigen Satz.
Statt eines Oscars hätten Sie für diese Performance, die wirklich enttäuschend ist und Ihren schlechten Politikstil widerspiegelt, die Goldene Himbeere bekommen.
Von uns bekommen Sie heute die Goldene Brechstange; denn die steht für die Politik, die Sie hier offensichtlich betreiben.
(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Anja Piel [GRÜNE] überreicht Minis- terpräsident Weil eine goldene Brech- stange - Jens Nacke [CDU]: Peinli- cher Klamauk! - Weitere Zurufe)
Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Es gibt nun auf Sie eine Kurzintervention des Kollegen Watermann. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Piel, ich halte es für eine Unverschämtheit,
dass Sie denjenigen, die sich hier in freier Abstimmung entscheiden werden, unterstellen, dass sie etwas mit der Brechstange machen wollten oder nicht das repräsentierten, was in der Bevölkerung diskutiert wird. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das, was Sie hier gemacht haben, ist anmaßend. Ich bitte Sie, das zurückzunehmen.
Denn ich werde hier in freier Abstimmung entscheiden und verwahre mich dagegen, hier in dieser Art und Weise eingestuft zu werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Auf diese Kurzintervention antwortet Herr Kollege Limburg. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe und Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Watermann, der Begriff „Brechstange“ bezieht sich in der Tat nicht darauf, wie Sie gleich in freier Abstimmung abstimmen werden. Ich bitte Sie aber, hier keine Geschichtsklitterung zu betreiben. Der Beginn dieser Debatte war nämlich ein anderer. Diese Debatte begann, als sich der Herr Ministerpräsident schon im Landtagswahlkampf festgelegt hat, dass er den Reformationstag als Feiertag wolle.
Die nächste Stufe war, dass sich der Herr Ministerpräsident mit seinen Ministerpräsidentenkolleginnen und -kollegen getroffen - Frau Piel hat es gerade angesprochen - und mit ihnen gemeinsam festgelegt hat: Wir sind für den Reformationstag als Feiertag - und jetzt beginnt die freie, offene Debatte!
Herr Watermann, das ist doch - - - Das ist doch völlig unglaubwürdig! Ich muss aufpassen, welche Worte ich an dieser Stelle verwende. Es ist doch völlig unglaubhaft, wenn Sie nach solch einem Beginn, nachdem sich der Landesvorsitzende der niedersächsischen SPD, der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, öffentlich festgelegt hat, dass wir jetzt alle für den Reformationstag sind, behaupten und so tun, als sei anschließend eine offene Debatte in diesem Parlament möglich. Das entspricht einfach nicht den Tatsachen.
Fakt ist, dass es die FDP und die Grünen waren, die als Erste in diesem Hause die Debatte mit Anträgen und ähnlichen Initiativen genau hierhin an dieses Redepult geführt haben. Herr Watermann, das war weder die Große Koalition noch die Landesregierung oder jemand anderes.
Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Wir fahren nun in der Beratung fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Calderone.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt versuchen, in dieser emotionalen Frage wieder mehr Sachlichkeit ins Haus zu holen; denn ein Feiertag ist ein Tag zum Feiern. Doch wie feiern wir in einer heterogenen Gesellschaft? Wie finden wir einen Tag, an dem es sich tatsächlich zu feiern lohnt? - In Artikel 140 des Grundgesetzes steht:
„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“
Doch je vielfältiger die Gesellschaft ist, desto verschiedener sind die Ansichten darüber, was mit „Erhebung“ gemeint sein könnte.
Meine Damen und Herren, ich möchte weniger eingehen auf die Debatten und die Überlegungen der vergangenen Wochen und Monate, die wir in dieser Frage geführt und angestellt haben, weniger eingehen auf die Frage der Sinnhaftigkeit einer norddeutschen Lösung, wenn doch die längste Grenze Niedersachsens die mit dem Bundesland Nordrhein-Westfalen im Süden ist mit all den Herausforderungen, die zwei aufeinanderfolgende
Feiertage in Niedersachsen und in NordrheinWestfalen mit sich bringen, weniger eingehen auf die Frage der Bedeutung der Reformation, die unbestritten ist, von Wissenschaftlern und Historikern aber auch unterschiedlich beurteilt wird, weniger eingehen auf die Ergebnisse der Anhörung. Stattdessen möchte ich auf die Frage eingehen, welcher Tag es lohnt, heute als neuer Feiertag beschlossen zu werden.
Meine Damen und Herren, wenn wir an den jüngsten deutschen Feiertag denken, nämlich den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober, dann erinnern wir uns vielleicht nicht nur an die deutsche Wiedervereinigung, sondern auch an einen europäischen Aufbruch. Was wurde von einem weltweiten Siegeszug der Demokratie, der Freiheit, der Rechtsstaatlichkeit geträumt! - Aber an die Stelle der geordneten Welt ist eine Weltunordnung getreten, geprägt von Fundamentalismus und Nationalismus, geprägt von Terrorismus und Protektionismus. Kriege, Bürgerkriege und Konflikte prägen das Weltgeschehen mit Terroranschlägen, mit einer neuen politischen Dialogunfähigkeit zwischen den großen Lenkern der westlichen Welt, mit einer neuen Rechten und mit religiöser Radikalisierung in Teilen der islamischen Welt, die uns säkulare Europäer ganz sprachlos zurücklässt.
Was ist die Antwort auf diese Sprachlosigkeit? Haben wir 95 Antworten, wie sie Martin Luther vor 500 Jahren an die Tür der Pfarrkirche von Wittenberg geschlagen hat? Haben wir diese Antworten, oder sind wir nicht vielmehr in einer Zeit der Suche, der Orientierung, in der wir uns auch als Nation in Zeiten des Wandels in Demografie, Bevölkerung, Klima, Arbeitswelt und Kommunikation auf neue Zeiten einstellen müssen?