Meine sehr geehrten Damen und Herren, was Sie hier machen, ist nicht lächerlich, es ist ein Armutszeugnis im Blick auf europarechtskonformes Verhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Vergaberichtlinien auf EU- und nationaler Ebene sind ständig im Umbruch und müssen beachtet werden. Niedersachsen hat darüber hinaus schon lange ein eigenes Vergabegesetz, das politisch mal mehr, mal weniger heftig diskutiert wird.
Um es klar zu sagen: Ich bin der Meinung, dass es richtig ist, in einem Gesetz die Tariftreue zu regeln, um Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken. Das von der schwarz-gelben Regierung und den Fraktionen von CDU und FDP 2008 geschaffene und 2012 überarbeitete Landesvergabegesetz war ein schlankes, ein praktikables Gesetz. Nach der Überarbeitung durch Rot-Grün ist daraus ein Bürokratiemonster geworden; mit sachfremden Kriterien wie ILO-Kernarbeitsnormen, Sozial- und Umweltkriterien sowie einer landesgesetzlichen Mindestlohnregelung.
Meine Damen und Herren, der von Ihnen vorgelegte Gesetzestext ist in großen Teilen identisch mit dem Gesetzestext aus NRW, also durch und durch ein rot-grünes Papier.
Wie Sie wissen, wurde das Landesvergabegesetz aus NRW vor dem EuGH beklagt. Mit Urteil vom 18. September 2014 wurde zu der Frage Stellung genommen, ob der vorgesehene Mindestlohn auch für Nachunternehmer aus anderen Mitgliedstaaten der EU anwendbar ist. Dem Urteil zufolge kann bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgeschriebenes Mindestentgelt nicht auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Nachunternehmers erstreckt werden, wenn diese den betreffenden Auftrag ausschließlich in diesem Staat durchführen. Das Urteil ist also eine Klatsche für Rot-Grün sowohl in NRW als auch in Niedersachsen.
Dieses Urteil war eine der Hauptursachen für die Novellierung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes, über die hier abzustimmen sein wird.
Zusammenhang mit den Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz gelten den ILO-Kernarbeitsnormen sowie den Sozial- und Umweltkriterien, die kaum eingehalten werden können.
Wir erinnern uns an die damalige Diskussion über die Frage einer Soll- oder Kannregelung. Was ist daraus geworden? - Mit der Ministerverordnung vom 30. April 2015 haben Sie, Herr Minister Lies, dafür gesorgt, dass nun die ILO-Kernarbeitsnormen hier eingehalten werden müssen. Ein Beispiel: Da kein Unternehmen Kinderarbeit will, aber diese nicht ausschließen kann, wird oft auf ein Angebot verzichtet. Die Unternehmen in Niedersachsen haben Sorge davor, dass ebenso eine Ministerverordnung für Sozial- und Umweltkriterien droht. Und Sorgen, Herr Minister - Sie wissen das genau -, sind Gift für die Wirtschaft.
Rot-Grün hat erkannt, dass das misslungene Tariftreue- und Vergabegesetz überarbeitet werden muss. Eine Evaluation ist mit viel Aufwand durchgeführt worden, und eine Gesetzesänderung wurde von Rot-Grün angekündigt.
Meine Damen und Herren, wer muss sich eigentlich an das Tariftreue- und Vergabegesetz halten? - Die FDP-Fraktion hat dazu einen Antrag in den Landtag eingebracht. Grund waren die Delegationsreisen des MP Stephan Weil im Mai und November 2014 in die Türkei und in die Volksrepublik China. Die Fraktionen von FDP und CDU haben eine Akteneinsicht durchgeführt und festgestellt, dass das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz nicht eingehalten wurde. Die einzelnen Kritikpunkte zu nennen, würde hier heute den Rahmen sprengen. Aber es bleibt festzustellen, dass sich die Niedersächsische Landesregierung nicht an ihr eigenes Gesetz, also nicht an das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz, gehalten hat. Ein Trauerspiel.
Meine Damen und Herren, der Entwurf eines niedersächsischen Landesvergabegesetzes der FDPFraktion wurde zusammen mit dem Antrag der FDP-Fraktion und einer Kleinen Anfrage im Ausschuss beraten. Rot-Grün hat daraufhin erklärt, dass es eine Evaluierung des Gesetzes geben werde, um weiter beraten zu können.
Im Januar 2015 hat uns die Landesregierung einen Entwurf zur Änderung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes vorgelegt, in dem jedoch lediglich die Knackepunkte aus dem EuGH
Urteil und die Einführung des Mindestlohns auf Bundesebene berücksichtigt wurden. Die Fragen des Mindestlohns sowie die Anwendbarkeit in anderen Mitgliedstaaten wurden herausgenommen.
Die laufenden Ermittlungen zur Evaluierung des Gesetzes - unterschieden nach Auftragnehmern und Auftraggebern - wurden nicht berücksichtigt.
Im Ausschuss gab es eine Anhörung zu den drei Gesetzentwürfen der Landesregierung, der FDPFraktion und der CDU-Fraktion. Leider wurden die Kritikpunkte bei den weiteren Beratungen nicht berücksichtigt. Rot-Grün kündigte jedoch an, dass es im Herbst eine weitere Gesetzesinitiative zur Evaluierung dieses Gesetzes geben werde. Ich bin gespannt, ob das dann ein großer Wurf wird. Allzu optimistisch bin ich nicht. Ich muss sagen: Das glaube ich nicht.
Meine Damen und Herren, wir haben parallel einen eigenen Gesetzentwurf in die Beratungen eingebracht, den wir gern im Zusammenhang mit der großen Novelle der Landesregierung beraten wollen.
Ich gehe jetzt kurz auf die wichtigsten Punkte des Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion ein: die Rechtssituation unterhalb des Schwellenwertes, damit Rechtssicherheit besteht, Geltungsbereich des Gesetzes erst ab einem Auftragswert von 20 000 Euro und nicht schon ab 10 000 Euro sowie Ausnahmeregelungen für Leistungen aus dem Ehrenamt, z. B. bei Sportvereinen.
Wir fordern in unserem Gesetzentwurf aber auch mehr verpflichtende Kontrollen z. B. beim Nachunternehmereinsatz, beim Einsatz von Zeitarbeitskräften und bei Abweichungen von mehr als 10 % zum nächsthöheren Angebot.
Meine Damen und Herren, leider waren die Regierungsfraktionen nicht bereit, von Kannkontrollen auf Pflichtkontrollen überzugehen. Dazu heißt es lediglich: Die öffentlichen Auftraggeber sind gehalten, Kontrollen durchzuführen. - Meine Damen und Herren von Rot-Grün, das reicht nicht. Wenn man es ernst meint, müssen Kontrollen verpflichtend sein, um Missbrauch zu verhindern.
Ein weiteres Problem sehen wir bei den Vorschriften zum ÖPNV sowie im Zusammenhang mit weiteren Verschärfungen für freiberufliche Leistungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da es eine weitere Überarbeitung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes geben soll, haben wir unseren Gesetzentwurf zurückgestellt. Er soll al
lerdings in die Beratungen des nächsten Gesetzentwurfs von Rot-Grün nach der großen Evaluierung einfließen. Allerdings lehnen wir es ab, den Gesetzentwurf und den Entschließungsantrag der FDP-Fraktion als erledigt zu betrachten, wie von Rot-Grün gewünscht. Meine Damen und Herren, so geht das nicht!
Im Zusammenhang mit dem Mehrheitsbeschluss durch Rot-Grün im Ausschuss bezüglich des Inkrafttretens ist es wohl zu einer Verfahrenspanne gekommen. Der Versuch unserer Ausschussvorsitzenden, eine Sondersitzung während der Ausschussreise nach Norwegen abzuhalten, um das Inkrafttreten des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes neu zu beschließen, ist fehlgeschlagen, weil die Regierungsfraktionen nicht die Mehrheit hatten, sondern ein Patt bestanden hat.
Heute Morgen war ein Änderungsantrag in der Post - davon habe ich aber heute noch nichts gehört -, wonach für das Inkrafttreten der 1. Juli 2016 vorgesehen ist. Wir lehnen das Gesetz auch mit diesem Zeitpunkt für das Inkrafttreten ab.
Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat das Wort nun Herr Wirtschaftsminister Lies. Bitte! - Ich darf noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eines vorweg sagen. Das niedersächsische Landesvergabe- und Tariftreuegesetz ist ein gutes Gesetz, ein richtiger Schritt und ein Beleg für konsequente rot-grüne Landespolitik. Angesichts der Kritik, die immer wieder kommt, könnte man meinen, die Wirtschaft würde am Boden liegen und die Unternehmen hätten keine Aufträge mehr.
Es gibt keine Probleme mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz, sondern - im Gegenteil - breite Unterstützung aus der Wirtschaft dafür. Man kann gern über Details streiten, aber der grundsätzliche
Versuch, etwas zu diskreditieren, was Sinn macht und gefordert wird, ist der falsche Weg. Eine sachliche Debatte hingegen ergibt Sinn.
Es gibt einige Punkte, die wir verabschieden können und die inhaltlich notwendig sind, weil es zwischenzeitlich Änderungen infolge der Bundesgesetzgebung und neuer Rechtsprechung gab. Deswegen ist es sinnvoll und klug, auch an dieser Stelle konsequent die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, damit wir weiterhin ein funktionsfähiges und rechtssicheres Gesetz haben.
Was haben wir geändert? - Der vergabespezifische Mindestlohn entfällt. Die Lohnuntergrenze bleibt durch den Verweis auf das Mindestlohngesetz erhalten. Das ist ein vernünftiger und kluger Weg. Dadurch wird das Gesetz entschlackt und bringt uns auf jeden Fall unserem Ziel näher. Das Ziel will ich noch einmal beschreiben, meine Damen und Herren. Das Ziel ist, dass die Menschen in Deutschland nicht für weniger als 8,50 Euro arbeiten, und das erst recht nicht bei öffentlichen Aufträgen. Dies haben wir schon vor dem gesetzlichen Mindestlohn erreicht.
Die zweite Änderung betrifft den öffentlichen Personennahverkehr. Die Vorgabe zur Entlohnung nach dem repräsentativen Tarifvertrag bleibt bestehen, wird aber dadurch ergänzt, dass dies auch für Unteraufträge gilt. Sie haben das ja sozusagen im Alltagsbetrieb erlebt. Es macht schließlich wenig Sinn, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, die Tarifverträge einzuhalten, aber dann, wenn Aufträge an Subunternehmen weitergegeben werden, zu sagen, dass die Tarifverträge nicht mehr gültig sind.
Es geht ferner um die freigestellten Schülerverkehre. Bisher waren sie mit dem öffentlichen Personenverkehr gleichgestellt. Das ist künftig nicht mehr der Fall, sondern es muss der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz gezahlt werden. Die Mindestentgelte werden künftig nur noch bei Aufträgen, die ausschließlich im Inland durchgeführt werden, angewandt. Ihre Kritik haben Sie geäußert. Wir haben die notwendigen Veränderungen vorgenommen.
Klargestellt worden ist auch, dass für Verleihunternehmen bei auftragsbezogener Arbeitnehmerüberlassung die gleichen Regelungen gelten wie für Nachunternehmen. Das muss doch klar sein. Hier darf es kein Schlupfloch geben, durch das man
Auch die entsprechende Anpassung der Verweisungen im Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz an das ab 18. April gültige Bundesvergaberecht bringt Vereinfachungen mit sich. Dinge, die an einer Stelle geregelt sind, müssen nicht noch einmal an anderer Stelle geregelt werden.
Ich glaube, dass wir hier schon einen großen Schritt nach vorn gemacht haben. Wir befinden uns gleichwohl mitten in der Evaluierungsphase. Die Daten sind erhoben. Ich denke, dass der Bericht zum Herbst, zum Ende dieses Jahres vorliegen wird. Darüber wird es dann auch eine Debatte geben.
Rot-Grün hat bei der Einbringung und der Verabschiedung des Gesetzes gesagt, dass wir es evaluieren werden. Wir werden uns anhören, was die Kommunen dazu sagen, aber eben auch, was die Unternehmen, die Betriebe und die Handwerksunternehmen dazu sagen. Anhand der Daten, die wir dann haben, werden wir eine Diskussion führen. Man sollte diese Diskussion nicht aufgrund eigener Stimmungen führen, sondern wir sollten die Daten, die wir unter sehr intensiver Beteiligung aller erhoben haben, als Grundlage nutzen.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir hiermit Erleichterungen für die Vergabestellen, aber auch für die kleinen und mittelständischen Unternehmen und insbesondere für das Handwerk erzielt haben. Jetzt müssen nur noch die bundesgesetzlichen Regelungen beachtet werden. Damit sind dann automatisch auch die einfachen Möglichkeiten der Kontrollen gegeben.