Meine Damen und Herren, wer soll die Aufräumarbeiten zu Dieselgate finanzieren? - Das kann nicht durch einen massiven Arbeitsplatzabbau auf der Arbeitnehmerseite einerseits und durch ungekürzte Boni für Vorstände andererseits erreicht werden. Übrigens wird, wie so oft, Leiharbeit zuerst abbestellt, und die betroffenen Arbeitnehmer bleiben auf der Strecke. Ich will die Feststellung unterstreichen, die Minister Lies getroffen hat: Die Leiharbeitnehmer haben den gleichen Stellenwert wie die Stammbelegschaft. Sie haben einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens in der Vergangenheit geleistet. Auch für diese Arbeitnehmer und deren Arbeitsplätze lohnt es sich zu kämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen allerdings nicht nur die wirtschaftliche Perspektive für das Unternehmen VW. Wir brauchen auch einen neuen Kodex, eine neue Unternehmenskultur, wie man seine wirtschaftlichen Ziele in Zukunft erreichen will: mit mehr Transparenz, um neues Vertrauen zu schaffen, aber auch mit mehr Engagement in der technologischen Entwicklung zukünftiger Mobilität.
Meine Damen und Herren, wir sind davon überzeugt, dass sich sowohl Herr Ministerpräsident Weil als auch Herr Wirtschaftsminister Lies mit aller Kraft für die Zukunftsfähigkeit des größten niedersächsischen Unternehmens einsetzen.
Um den Ministerpräsidenten zu zitieren, will ich darauf hinweisen, dass er eine umfassende Neuausrichtung als Vorzeigeunternehmen nicht nur in wirtschaftlicher Sicht gefordert hat. Das können wir nur unterstreichen.
Meine Damen und Herren, die Fragestellungen und Feststellungen der Opposition - auch in den Medien - zielen leider auf Kosten des Unterneh
mens und der Arbeitsplätze darauf ab, die Arbeit der Aufsichtsräte, die diese Landesinteressen vertreten, zu diskreditieren. Nicht jede Information ist öffentlich zugänglich - wir haben das heute Morgen gehört -, weil das Aktienrecht dies verbietet und weil es dem Unternehmen nur noch mehr schaden würde. Das von Ihnen hierzu beantragte Thema für die Aktuelle Stunde befeuert - wie schon bisher - leichtfertig die Gerüchteküche. Dabei ist Ihnen jeder Vorwurf, auch wenn er noch so abwegig ist, recht.
Sie wissen genau, dass sowohl Landesinteressen als auch Zukunftsperspektiven für den VWKonzern von den beiden Vertretern im Aufsichtsrat und in seinen weiteren Gremien mit Nachdruck vertreten werden.
Die Opposition schadet VW wissentlich, obwohl man es als Ex-Regierungsmitglieder besser wissen müsste.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Will, da Sie ja gerade die neue Unternehmenskultur, die durch den Aufsichtsrat und maßgeblich auch durch die Vertreter des Landes Niedersachsen, Ministerpräsident Weil und Minister Lies, so eingeführt worden ist, und den Wandel so gelobt haben, will ich Ihnen einmal sagen, wie andere Außenstehende diese neue Kultur bei Volkswagen eigentlich empfinden. Ich zitiere dazu aus dem Kommentar von Thomas Fromm, den wir vor zwei Tagen lesen durften. Zitat:
„Manager, Betriebsräte - sie alle sitzen wieder flötend auf dem Oberdeck und spielen ihren Sound. Es ist der Sound der alten VWKonzernkultur: Boni, Pfründe, das Verteilen von Einfluss, Macht und Geld. Kurios ist: Eigentlich sprechen Manager und Betriebsräte seit Monaten von einer neuen Unternehmenskultur, davon, dass in diesem Konzern alles anders werden muss, damit der Konzern überleben kann. Doch irgendwie hat man die neuen Melodien noch nicht einstudiert.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts von dem, was der Ministerpräsident gefordert hat und was Herr Will hier gerade so gelobt hat, ist tatsächlich eingetreten. Die Vertreter der Landesregierung tun auch nichts, um wirklich eine offene und transparente Aufklärung voranzubringen.
Herr Weil, Sie haben eben in Ihrer Regierungserklärung auf die brennenden Fragen, auf Unrechtsbewusstsein, das in der Luft liegt, gar nicht reagiert.
Wie kann es eigentlich sein, dass ein Unternehmen, an dem ein Land beteiligt ist, in den USA in Verdacht gerät, Beweismittel in einem laufenden Ermittlungsverfahren vernichtet zu haben? Wie kann es sein, dass der Verdacht besteht, dass die Stellungnahme, die Volkswagen gegenüber dem Landgericht Braunschweig abgegeben hat, schlicht und ergreifend unvollständig und falsch ist? Wie kann es sein, dass Sie dies alles so hinnehmen?
Wie kann es sein, dass Sie die Ungleichbehandlung der Kunden tatsächlich hinnehmen? Wie kann es sein, dass Sie nichts dafür unternehmen, dass aufgeklärt wird, wie Aktionäre durch fehlerhafte, falsche und zu späte Ad-hoc-Mitteilung tatsächlich geschädigt worden sind, damit ihnen zum Recht verholfen wird?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben diesen rechtsstaatlichen Fehlern, die Sie gemacht haben, gibt es aber auch handwerkliche Fragestellungen, die Sie sausen und laufen lassen, die aber elementar zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens Volkswagen gehören. Das betrifft nämlich die Kernmarke VW. Die Kernmarke VW hat ein Kostenproblem. Die Kernmarke VW - so wurde es gerade einmal ausgerechnet - produziert doppelt so teuer wie beispielsweise Conti. Derjenige, der
sich diesen Aufgaben widmen sollte, der extra von BMW als Markenvorstand geholt worden ist, hat nun nicht etwa die Unterstützung vom Aufsichtsrat, sondern erfährt gerade genau das Gegenteil.
Wenn Herr Diess als Verantwortlicher hier in die Gespräche geht und auf Herrn Osterloh trifft, ist schon einmal die Frage, warum man solche Diskussionen dann tatsächlich in die Öffentlichkeit zerrt,
Wenn man dann aber Herrn Diess als Vorstandsmitglied einen Aufpasser an die Seite stellt - eigentlich sind es sogar zwei, nämlich Herr Müller und Herr Blessing -, dann ist er in seiner gesamten Aufgabenwahrnehmung komplett entmachtet, und Sie müssten sich die Frage stellen, wie lange sich Herr Diess das überhaupt noch antun will. Das wäre ja nichts anderes, als wenn Sie künftig bei Aufgaben, die der Wirtschaftsminister Lies hat, sagen: Da will ich als Ministerpräsident immer dabei sitzen, und ich lasse ihn nicht mehr allein reden und verhandeln.
(Lachen bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Aber, Herr Bode! - Johanne Modder [SPD]: Und Sie waren einmal Wirtschaftsminister? Das ist ja aben- teuerlich!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in der letzten Woche ebenfalls erfahren müssen, dass es neben der eben dargestellten Einschätzung der Kultur der Boni und der Pfründe auch eine Kultur der Angst und der Herrschaft der IG Metall gibt,
Ein Mitarbeiter sagt, er habe einmal nicht verstanden, dass es ein Befehl war und kein Hinweis der IG Metall, und damit sei seine Karriere bei Volkswagen beendet gewesen.
Es muss uns doch sorgenvoll stimmen - insbesondere auch die Vertreter des Landes -, wenn solche Zustände nach intensiver Recherche angeprangert werden.
(Gerd Ludwig Will [SPD]: Abenteuer- lich! - Christian Grascha [FDP]: Was sagen Sie denn eigentlich dazu, Herr Will? - Gerd Ludwig Will [SPD]: Von nichts eine Ahnung!)
Was macht eigentlich die Landesregierung, um hier tatsächlich Aufklärung zu bekommen und auch einmal zu hinterfragen, ob sich Volkswagen auch arbeitsrechtlich bei allen Mitarbeitern an die Gesetze hält?
Es kann nicht sein, dass wir ein Kronzeugenprogramm nur im Abgasfall haben, aber wenn es hier um Verfehlungen, um eine Kultur der IG Metall geht, gar nichts unternommen wird.
(Johanne Modder [SPD]: Herr Bode, ganz vorsichtig! Was sind denn das für Angriffe auf die IG Metall!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt Baustellen über Baustellen bei Volkswagen. Es ist erforderlich, hier sofort und aktiv zu handeln, insbesondere einen Chefaufklärer nach vorn zu stellen, der neutral, unabhängig und nicht vorbelastet ist,