Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Polat, Sie haben selber von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gesprochen. Der Ministerpräsident hat im Kanzleramt gemeinsam mit seinen Amtskollegen, der Bundeskanzlerin, dem Bundesinnenminister und weiteren Vertretern der Bundesregierung intensiv verhandelt. Am Ende der Verhandlungen hat er, wie wir den Medien entnehmen konnten, das Ergebnis dieser Verhandlungen in der Summe gelobt, hat sich erfreut ge
zeigt und von einem guten Kompromiss gesprochen. Inzwischen signalisieren nach weiteren Nachverhandlungen einzelne von SPD und Grünen regierte Bundesländer zum Glück, diesem Gesetzespaket im Bundesrat zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung fordert vom Bund Unterstützung finanzieller Art in einem erheblichen Umfang - und der Bund kommt dem nach. Sie fordert Unterstützung in einem erheblichen Umfang im Bereich der Administration - und der Bund kommt dem nach. Alle wesentlichen Forderungen, die dieser Ministerpräsident und dieser Innenminister in die Verhandlungen eingebracht haben, werden erfüllt.
Aber Sie, Frau Polat, stellen sich hier im Niedersächsischen Landtag hin und erklären im KleinKlein, warum Sie - ich spreche Sie persönlich an, weil ich glaube, dass Sie hier eine große Verantwortung innerhalb Ihrer Fraktion tragen -
(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie spricht für ihre Frakti- on!. Das ist die grüne Fraktion! Das ist nicht ihre Einzelmeinung!)
von Ihrer Landesregierung eine Enthaltung einfordern und damit einen Beitrag leisten, dass diese Landesregierung, dass dieser Ministerpräsident seiner gesamtgesellschaftlichen Aufgabe nicht gerecht werden kann. Finden Sie es richtig, den Ministerpräsidenten hier in diesem Landtag bis aufs Blut zu blamieren?
Herr Nacke hat vorhin deutlich gemacht, welche Rechte die Opposition hat und dass das Parlament eine wichtige Kontrollfunktion innehat.
Es ist das gute Recht einer Fraktion - und da spreche ich wirklich für die Fraktion -, deutlich zu machen, welche Punkte sie bei dem Gesetzentwurf sehr kritisch sieht.
Ich möchte noch einmal hervorheben: Gaukeln Sie nicht vor, dass dieses Gesetzespaket - und das unterschreiben auch viele in Ihrer Partei, auch auf Bundesebene - ein Beitrag zur Lösung der Flüchtlingskrise ist.
Und sprechen Sie uns bitte nicht das Recht ab, uns hier inhaltlich zu positionieren. Wir haben auch schon im letzten Jahr bei dem Thema sichere Herkunftsstaaten unterschiedliche Positionen gehabt. Das ist in einer Koalition ganz normal. Das haben der Ministerpräsident und der Innenminister immer deutlich gemacht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Polat, als Sie gerade Ihre Rede gehalten haben, habe ich mich gefragt, ob Sie sich tatsächlich in der Realität bewegen, wie sie sich in Deutschland im Oktober 2015 darstellt.
Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass die Landesvorsitzende der Grünen, Frau JanssenKucz, am 26. September, also zwei Tage nach dem Flüchtlingsgipfel, der Zusammenkunft der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten - in der NWZ gesagt hat: „Ich bin entsetzt.“
Ich will Ihnen ganz offen sagen: Ich bin auch entsetzt - aber über das derzeitige Verhalten der Grünen in Deutschland und insbesondere über das der Grünen in Niedersachsen.
Der niedersächsische Innenminister hat gestern hier im Landtag von einem „Unterbringungsnotstand“ in Niedersachsen gesprochen. Wir haben zurzeit eine Notstandssituation in Deutschland, meine Damen und Herren. Wir laufen auf ein Staatsversagen zu. In einer solchen Situation bedarf es staatspolitischer Verantwortung - gerade bei einer Regierungsfraktion.
politisch schwierigen Phase die Maßnahmen von einer breiten Mehrheit getragen werden müssen. CDU und FDP sind dieser ihrer Verantwortung gerade erst am gestrigen Tag gerecht geworden: Unter Zurückstellung eigener Bedenken und auch eigener Vorschläge haben wir am gestrigen Tag dem Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung zugestimmt, meine Damen und Herren.
Auch mir - das will ich ganz offen in Richtung von Frau Polat sagen - gefällt nicht alles, was am 24. September in Berlin beschlossen worden ist. Ich hätte mir gewünscht, dass man beim Thema Arbeitsmarkt weiterkommt und einen niedrigschwelligen Arbeitsmarktzugang schafft. Wir werden darüber sprechen müssen, ob das Mindestlohngesetz in der Form, in der es heute in Kraft ist, in Zukunft für die Flüchtlinge funktionieren kann.
Ich halte es auch für falsch, dass für Flüchtlinge für 15 Monate ein Zeitarbeitsverbot gelten soll. Ich halte es ebenso für falsch, dass bislang noch nicht geregelt ist, dass sie für die Zeit der Ausbildung einen sicheren Aufenthaltsstatus haben.
Ich halte es für falsch, dass der Deutsche Bundestag noch kein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht hat mit dem Ziel, die Einwanderung nach Deutschland vernünftig zu steuern. Das Wort „steuern“, meine Damen und Herren, muss man an dieser Stelle auch ernst nehmen. Das heißt auch, dass wir den Zuzug nach Deutschland zurzeit steuern müssen, auch im Interesse der Bundesrepublik. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Ich will einen weiteren Punkt anfügen: Ich habe es für völlig richtig gehalten - das ist eine langjährige bzw., wie man in dieser kurzlebigen Zeit besser sagen müsste, eine langmonatige Forderung der Freien Demokraten -, dass Albanien, der Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Alles andere wäre doch ein Treppenwitz der Geschichte. Schließlich handelt es sich bei diesen Staaten um EU-Beitrittskandidaten. Also, wenn das nicht sichere Herkunftsstaaten sein sollen, dann frage ich mich, welche Staaten überhaupt sicher sind.
Ich würde mir wünschen, dass die Bundesregierung mit den anderen europäischen Ländern einen Schritt weitergeht. Angesichts dieser Situation
macht nichts anderes Sinn als eine Wiedereinführung der Visumspflicht für die sechs Balkanstaaten, meine Damen und Herren. Das ist das Gebot der Stunde, um das ganz klar zu sagen.
Meine Damen und Herren, trotz all der Dinge, die man gern zusätzlich hätte und die wir gestern gern auch zusätzlich in den Haushalt eingestellt hätten - dieses Paket bringt Deutschland in die richtige Richtung. Es bringt Fortschritte an dieser Stelle. Es ist richtig, über Sachleistungen in Erstaufnahmeeinrichtungen zu sprechen. Es ist richtig, die Asylverfahren zu beschleunigen und mittelfristig auf drei Monate zu verkürzen. Es ist richtig, über die Aufweichung von Standards bei Neubauten zu sprechen: Die Energieeinsparverordnung und die ganzen Ausschreibungsrichtlinien der Länder machen an dieser Stelle doch keinen Sinn mehr, meine Damen und Herren, um auch das ganz klar zu sagen. Hier müssen wir nach vorne kommen.
Ich will Ihnen, Frau Kollegin Polat, einmal ans Herz legen, was der grüne Oberbürgermeister Boris Palme aus Thüringen vorgestern in der Süddeutschen Zeitung gesagt hat:
„Deshalb sein Rat: Die Grünen sollten bei aller Parteinahme für die Flüchtlinge mehr die Deutschen in den Blick nehmen. Wie viel Zuwanderung wollen wir? Wie viel ist verkraftbar? Man muss den Menschen vom Balkan signalisieren: Sie sollen nicht kommen.“
Ich will Ihnen ganz offen sagen: Ich wäre in meiner Wortwahl nicht so weit gegangen wie Herr Palme. Ich halte auch nichts von einer Debatte über die Frage, ob Deutschland 1 Million oder 1,5 Millionen Flüchtlinge verträgt. Diese Debatte sollte Herr Gabriel aus meiner Sicht besser mit Frau Schausten führen.
Eines ist doch klar: Nicht unser Staat - zum Glück -, aber unser deutsches Asylsystem befindet sich am Rande seiner Belastbarkeit und wahrscheinlich auch schon darüber hinaus.
Deswegen müssen wir das Asylsystem stärken - übrigens auch im Interesse der Flüchtlinge, meine Damen und Herren.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Deswegen will ich noch eines in Richtung des Ministerpräsidenten sagen. Ein Satz, der hier im Landtag schon oft gefallen ist, wird am Freitag für Sie als Vertreter der Niedersächsischen Landesregierung besondere Bedeutung haben: Enthaltung ist in dieser Frage keine Haltung, Herr Weil.