Protocol of the Session on October 14, 2015

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Ich finde, man kann in diesem Parlament auch einmal über Stil reden. Das hätte ich an dieser Stelle schon von Ihnen erwartet.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Detlef Tanke [SPD] - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Gut, dass es einmal raus ist! Das hilft! - Weitere Zurufe)

Herr Minister! - Meine Damen und Herren, ich verstehe diese Aufregung nicht. Es ist darum gebeten worden, eine Zwischenfrage zuzulassen. Das ist abgelehnt worden. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Wir können doch zur Tagesordnung übergehen. Es lohnt sich doch nicht, darüber jetzt zu lamentieren. - Bitte schön, Herr Minister!

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wir können auch eine Couch reinholen! Dann kann er sich seinen Frust von der Seele reden!)

Meine Damen und Herren, wenn es um Rahmenbedingungen für unsere Betriebe geht, dann betrifft eine ganz große Sorge - die uns eigentlich alle umtreiben sollte - die niedrigen Preise, die zurzeit viele Betriebe belasten. Vielen Sauen-, Mastschweine- und Milchviehhaltern stehen im Moment die Rechnungen bis zum Halse. Diese Preise sind für sie existenzgefährdend, existenzbedrohend. Dies ist, glaube ich, unsere gemeinsame Sorge. Es ist richtig, dass das Finanzministerium mit Steuerstundungen hilft und dass wir als Land uns für diese bäuerlichen Betriebe einsetzen. Das sind harte ökonomische Sorgen.

Ich würde mich deshalb freuen, wenn auch von der Opposition einmal Lösungsvorschläge kämen, wie man zu besseren Milch- und Fleischpreisen, zu besseren Einkommen für unsere Landwirte kommen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Mehr Milch trinken, mehr Fleisch es- sen!)

Von Ihnen hört man immer nur, das sei der normale Strukturwandel, das Höfesterben müsse halt weitergehen, und das müsse man begleiten.

Diese Landesregierung ist angetreten, um die bäuerlichen Familienbetriebe zu stärken.

(Ulf Thiele [CDU]: Die Tatsache, dass Sie das behaupten, heißt noch lange nicht, dass Sie das tun!)

Sie steht nicht für „wachsen oder weichen“ um jeden Preis.

Die Lage übt einen enormen psychischen und sozialen Druck auf die Betriebe und vor allem auf die Familien aus. Zurzeit wird gerade auf den Milchviehbetrieben rund um die Uhr gearbeitet. Jeder Liter Milch, den man erzeugen kann, ist wichtig.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Machen Sie jetzt das Sorgentelefon, oder wie sieht das hier aus?)

Die Familien und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten da sehr harte Arbeit. Das treibt die Familien um. Ich kriege jedenfalls viele Briefe von Landwirten, die sich nicht über meine Politik beschweren, sondern darüber, dass sie nicht wissen, wie sie bei diesen existenzbedrohend niedrigen Erzeugerpreisen weitermachen können.

Wie Sie wissen, unterstützen wir gerade die kleinen und mittleren Familienbetriebe. Da können Sie noch einmal viel schreien. Aber wir haben gerade die Förderung für die kleinen und mittleren Betriebe durch den Gerechtigkeitsfaktor - bis zu 46 ha - bei den Flächenprämien aufgestockt.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wir brauchen im Moment gar nicht zu schreien! Sie sind auf dem besten Wege, das Thema zu verfehlen!)

Wir haben allein in Niedersachsen jetzt fast 100 Millionen Euro für eine Ausgleichszulage für Grünland bereitgestellt, die gerade für die Milchviehhalter existenzsichernd und wichtig ist. Bei den Tierschutzprämien sind wir dabei, vielen Betrieben zu helfen. Wo wir bei Kontrollen und Regelungen Spielräume haben, haben wir gerade die kleinen und mittleren Betriebe entlastet. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Signal, dass die Landesregierung an der Seite der bäuerlichen Betriebe steht.

Viele der Betroffenen sind hilflos in den komplexen Strukturen ihrer Probleme gefangen. Deshalb kann die landwirtschaftliche Familien- und Lebensberatung, die die Sorgentelefone in hoher Qualität leisten, gar nicht hoch genug geschätzt werden. Um die Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, benötigt man oftmals - da haben wir, glaube ich, einen Konsens - professionelle Unterstützung durch Dritte. Genau hier bieten die landwirtschaftlichen Sorgentelefone und Familienberatungen den Menschen Unterstützung an. Wer seine Sorgen oder auch kleine Alltagsprobleme artikulieren kann und sie nicht in sich hineinfrisst, der erwartet auch eine Reaktion - offen, ehrlich und vertrauensvoll.

Deshalb gibt es in Niedersachsen - das ist keine Erfindung dieser Landesregierung, sondern der Vor-Vor-Vorgängerregierung - seit 1993 diese Familien- und Lebensberatung für die Menschen auf dem Lande. Ziel der Landesregierung war und ist es, ein flächendeckendes Netz von landwirtschaftlichen Sorgentelefonen zu schaffen. Seit 1993 koordiniert die Agrarsoziale Gesellschaft die drei Sorgentelefone in Oesede, Rastede und Barendorf für die landwirtschaftliche Bevölkerung in Niedersachsen, die seitens des Landwirtschaftsministeriums jährlich eine Zuwendung erhalten. Diese planen wir noch einmal um mehr als 10 % aufzustocken.

An die Sorgentelefone können sich Menschen anonym wenden, die Generationenkonflikte, Probleme bei der Hofübergabe oder Existenzängste

haben. Aber auch Vereinsamung, Depressionen, Krankheiten, Sucht, Trauer, Hofaufgabe, Verschuldung, Probleme bei der Arbeitsbewältigung, Eheprobleme und andere Schwierigkeiten können Grund für einen Anruf sein. Das berichten uns die Beratungsstellen.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Jetzt sind wir also wieder beim The- ma!)

Weil Sie danach gefragt haben: Im Vordergrund stehen seit Jahren - das hat sich nicht verändert - vor allem Generationenkonflikte, Ehe- und Beziehungskonflikte sowie psychische Probleme, die Ratsuchende zu einer Kontaktaufnahme bewegen.

Am Telefon sitzen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen die Lebens- und Arbeitssituation der Ratsuchenden vertraut ist, sodass sie für Verständnis für die speziellen Probleme der landwirtschaftlichen Familien haben. Diese Ehrenamtlichen haben eine Fortbildung für die Beratung und sind neutrale Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die unabhängig von offiziellen landwirtschaftlichen Beratungsstrukturen helfen, und das ist gut so.

Um eine intensivere Beratung und Begleitung anbieten zu können, wurde an der Heimvolkshochschule Oesede 1997 zusätzlich eine ländliche Familienberatung gegründet. Auf Wunsch erfolgt die Beratung eines oder mehrerer Familienmitglieder durch jeweils eine Beraterin oder einen Berater auf dem Hof des Ratsuchenden. Bei diesem Oeseder Modell schaut man sich also auch einmal den konkreten Hof an und macht Verbesserungsvorschläge zu der konkreten Situation. Es war eigentlich immer ein Konsens dieses Hauses, dass wir das sehr begrüßen. Auch bei dieser Beratung steht - wie bei der Beratung an den Sorgentelefonen - die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund.

Seit 2001 besteht auch am Sorgentelefon Barendorf die Möglichkeit, dass Ratsuchende sich persönlich oder mit der gesamten Familie beraten lassen. Die Beratung findet in den Räumlichkeiten des Bildungs- und Tagungszentrums Ostheide oder auf dem Betrieb des Ratsuchenden statt.

Darüber habe ich mich 2013 informiert. Dann haben wir erfreuliche Verbesserungen eingerichtet. Seit 2013 wurden die Sprechzeiten deutlich ausgeweitet. Bislang waren die Sorgentelefone in Oesede und Rastede zweimal wöchentlich und in Barendorf einmal wöchentlich erreichbar. Nun sind alle Nummern - dafür danke ich den ehrenamtli

chen Helferinnen und Helfern - an fünf Tagen in der Woche freigeschaltet. Die Anrufe werden zu den jeweils Diensthabenden umgeleitet.

Zweitens wurden die Berater mit einem speziellen Mobiltelefon ausgestattet und können nun den Telefondienst von zu Hause aus machen, wenn sie dort eine Rückzugsmöglichkeit haben. Das spart Zeit und Geld.

Ob sie im Übrigen Internetberatung machen oder nicht, ist eine Sache der Sorgentelefone, der Vereine und der Ehrenamtlichen, die das tragen. Wir stehen im engen Kontakt zu den Verbänden und geben einen Landeszuschuss. Wir unterstützen also die Beratung. Es muss dem Zweck dienen. Die Landesregierung geht davon aus, dass es die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater besser wissen, als es der Landtag mit einer Anordnung von oben wissen könnte, zu welchen Uhrzeiten man anrufen kann oder in welcher Form das stattfindet. Deshalb ist es möglich und sinnvoll, das so zu machen. Die Erfahrung des persönlichen Kontakts, das Gespräch direkt auf dem Bauernhof ist aber immer gut. Das sagen uns auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer.

Insgesamt hat das Sorgentelefon in den vergangenen 22 Jahren mehr als 4 000 Anrufe entgegengenommen. Das bedeutet, über 4 000 Menschen konnten sich ihre Sorgen aus der Anonymität heraus von der Seele reden. Über 4 000 Menschen wurde ermöglicht, über das zu sprechen, was sie bedrückt. In vielen Fällen konnten sie danach einen Weg aus ihrer Krise erkennen. Dafür bin ich den Beratungsstellen und den Sorgentelefonen für landwirtschaftliche Familien sehr dankbar.

Wir werden diese ehrenamtlichen Beratungskräfte mit Unterstützung des Staates weiterhin in die Lage versetzen, wichtige gesellschaftliche Aufgaben wahrzunehmen. Diese Kooperation ist aus meiner Sicht vorbildlich.

Deshalb haben wir erstens - das mag Ihnen passen oder nicht - die Bereitstellung von Mitteln für die Arbeit der landwirtschaftlichen Sorgentelefone, über die bisher jährlich zu entscheiden war, erstmals durch die Einrichtung eines eigenen Haushaltstitels ab dem Haushaltsjahr 2015 gestärkt. Das ist die Planungssicherheit, die hier immer wieder eingefordert worden ist.

Zweitens haben wir die Aufstockung des Landeszuschusses von 40 000 Euro auf 45 000 Euro für die Jahre ab 2016 - also 5 000 Euro mehr - eingeplant. Daran wird deutlich, wie wichtig der Landes

regierung die Arbeit der Sorgentelefone und der landwirtschaftlichen Familienberatung ist.

In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn das Thema der Beratung der Menschen im ländlichen Raum bei persönlichen Sorgen durch Zuhören, Verstehen und Aufzeigen von Wegen weiterhin von einer breiten Mehrheit des Landtags getragen würde.

Ich habe gehört, dass auch die CDU angekündigt hat, dass sie unsere Erhöhung der Finanzierung unterstützen will. Deshalb freue ich mich darauf, dass wir hierüber hoffentlich nicht in einen parteipolitischen Streit kommen, wenn Menschen bei diesen Sorgentelefonen persönlichen Rat suchen.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hat sich von der SPD-Fraktion Wiard Siebels zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich zunächst beim Fragesteller für die eingereichte Große Anfrage zu dem Thema bedanken, das wir heute behandeln. Dabei möchte ich betonen, dass es sich bei dieser Großen Anfrage eher um eine kleine Große Anfrage und nicht um eine große Große Anfrage handelt.

(Zurufe von der CDU)

Der Themenkomplex an sich ist überschaubar, womit ich ausdrücklich nichts über die Inhalte dieses Themenbereichs gesagt haben will.

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Ich habe das schon einmal gesagt: All die Zwischentöne hier! Wenn ich selbst rede, kann ich so schlecht zuhören. Reichen Sie es schriftlich bei mir ein, Herr Kollege, dann kann ich dazu Stellung nehmen.

Ich will auch nicht versäumen, mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums für die Beantwortung dieser Anfrage zu bedanken. Gleiches gilt für die Ausführungen, die der Minister hier gemacht hat.

Ich will betonen, dass dieses Thema in der Tat einen wichtigen Stellenwert hat. Ich will mich ausdrücklich bei all denjenigen bedanken, die sich

ehren- und hauptamtlich in diesem Bereich engagieren und einbringen. Sie machen eine sehr wichtige Arbeit, deren Bedeutung überhaupt nicht überschätzt werden kann, meine Damen und Herren.

Der Minister hat die entsprechenden Ausführungen zum Thema gemacht. Ich glaube, dass auch der Landtag gut beraten ist, in den anstehenden Haushaltsberatungen die eigene Haushaltsstelle mindestens in diesem Umfang in die Beratungen aufzunehmen, sodass die Arbeit dieser Sorgentelefone in finanzieller Hinsicht fortgeführt werden kann.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zwei oder drei inhaltliche Anmerkungen dazu machen, was die Ursache für die Inanspruchnahme dieser Sorgentelefone ist. Auch in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage - unter Nr. 3 ist das deutlich gemacht worden - heißt es, dass insbesondere die Generationenkonflikte einen wichtigen Stellenwert einnehmen, die Frage der Hofübergabe. Hier ist es, glaube ich, durchaus treffend beschrieben, dass die Konfliktsituation zwischen Vater und Sohn im Zuge der Hofübergabe eine wichtige Rolle spielt. Dass Ehe- und Beziehungskonflikte in einem Bereich, wo das Privat- und das Berufsleben quasi übereinander gelagert sind, eine herausgehobene Rolle einnehmen und dass psychische Probleme dort als wichtige Themenkomplexe auftauchen, wird ebenso beschrieben.