Protocol of the Session on October 14, 2015

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zwei oder drei inhaltliche Anmerkungen dazu machen, was die Ursache für die Inanspruchnahme dieser Sorgentelefone ist. Auch in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage - unter Nr. 3 ist das deutlich gemacht worden - heißt es, dass insbesondere die Generationenkonflikte einen wichtigen Stellenwert einnehmen, die Frage der Hofübergabe. Hier ist es, glaube ich, durchaus treffend beschrieben, dass die Konfliktsituation zwischen Vater und Sohn im Zuge der Hofübergabe eine wichtige Rolle spielt. Dass Ehe- und Beziehungskonflikte in einem Bereich, wo das Privat- und das Berufsleben quasi übereinander gelagert sind, eine herausgehobene Rolle einnehmen und dass psychische Probleme dort als wichtige Themenkomplexe auftauchen, wird ebenso beschrieben.

Lassen Sie mich auch darauf eingehen - ich glaube, auch darüber können wir Einigkeit erzielen -, dass die Veränderungen am Markt und im Marktgeschehen sowie eine größere Volatilität am Markt mit den damit verbundenen Preisschwierigkeiten - in den vergangenen Sitzungen haben wir hier u. a. über den Milchpreis und andere Themenbereiche diskutiert - am Ende auch ihren Niederschlag in der Arbeit der Sorgentelefone finden, meine Damen und Herren.

Ich will auch auf das eingehen, was Sie, Herr Oesterhelweg, in Ihren Ausführungen benannt haben, dass mit Sicherheit auch - ich will versuchen, das ganz wertneutral zu beschreiben - veränderte gesellschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Produktionsweisen dazu führen, dass die Betroffenen, nämlich die Erzeugerinnen und Erzeuger auf ihren Höfen, höheren Anforderungen ausgesetzt sind, denen sie sicherlich nur schwer immer gerecht werden können. Auch deshalb stellt die Arbeit der Sorgentelefone eine wichtige Stütze in diesem Bereich dar.

Herr Oesterhelweg, Sie haben hier einen Satz gesagt, den ich jetzt vielleicht nicht 100-prozentig wörtlich wiedergeben kann. Im Zusammenhang mit dem Landes-Raumordnungsprogramm haben Sie die Worte gebraucht, die betroffenen Landwirte müssten ihre Koffer packen. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal dazu aufrufen, dass auch wir als politische Verantwortungsträger durchaus gehalten sind, durch unsere Wortwahl und durch die Art und Weise unserer politischen Auseinandersetzung nicht noch Öl ins Feuer zu gießen und nicht noch für zusätzliche Verunsicherung in diesem Bereich zu sorgen

(Zustimmung bei der SPD)

und das, was an Schwierigkeiten, Sorgen und Nöten vorhanden ist, nicht noch zu verstärken. Vielmehr sind wir eher gehalten, gemeinsam Mut zu machen und uns in der Sache über den richtigen Weg in dieser Frage auseinanderzusetzen.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Aber be- gründet war das schon!)

Alles in allem darf ich mich, wie gesagt, für das Zusammentragen von Informationen zu diesem Themenkomplex bedanken. Wir werden sicherlich im Rahmen der Haushaltsberatungen auch noch über die finanzielle Seite dieser Arbeit diskutieren. Sie haben ja angekündigt, dass Sie über die politische Liste seitens Ihrer Fraktionen Ansätze noch erhöhen wollen. Das ist dann den Haushaltsberatungen vorbehalten. Aber zum Inhalt können wir feststellen, dass wir uns über die Bedeutung dieser Sorgentelefone hier im Landtag durchaus einig sind.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Siebels. - Jetzt hat sich Hermann Grupe von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Herr Grupe, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die besondere Situation auf den landwirtschaftlichen Höfen wurde hier schon sehr viel Richtiges gesagt. Auch der Kollege Siebels hat eben darauf hingewiesen - - -

(Ulrich Watermann [SPD]: Guter Mann!)

- Sehr guter Mann! Mit dem kann man wenigstens diskutieren.

Er hat darauf hingewiesen, dass auf den Höfen zum einen die beruflichen Belange zu diskutieren sind, zum anderen gibt es aber auch oft besondere Lagen, weil man sehr eng zusammenlebt - entweder im gleichen Haus oder in enger Nachbarschaft. Man ist darauf angewiesen, die Dinge möglichst gemeinschaftlich zu lösen, wenn das Ganze Spaß machen soll. So sage ich es mal mit meinen eigenen Worten, da ich selbst gerade in der Situation bin, dass meine Söhne in den Betrieb hineinwachsen. Das ist auf den Höfen das Normale. Das führt, wie hier dargestellt wurde, auch zu besonderen Problemen, auch zu Spannungen. Deswegen ist die Arbeit, die bei den Sorgentelefonen geleistet wird, sehr wertvoll, um eine Hilfestellung zu leisten. Auch das ist hier schon gewürdigt worden.

Meine Damen und Herren, es ist natürlich auch wichtig, dass diese Arbeit langfristig abgesichert ist. Denn in jüngster Zeit beobachten wir, dass das Ganze eine neue Dimension bekommt. Die hat nicht nur damit zu tun, dass man auf den Höfen besonders eng miteinander zusammenarbeitet und -lebt, sondern die hat damit zu tun, dass die Landwirtschaft einer öffentlichen Kritik ausgesetzt ist, die zum Teil durch nichts zu rechtfertigen ist. Dass da Abhilfe geschaffen werden muss, indem wir uns als Landwirtschaft der gesellschaftlichen Diskussion stellen, ist gar keine Frage. Aber was wir Landwirte dringend bräuchten, wären Politiker an unserer Seite, die mit uns gemeinsam Wege für die Zukunft finden und ebnen und sich nicht an die Spitze derer stellen, die Landwirte an den Pranger stellen, ohne Lösungsansätze zu bieten.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Immer die- selbe Schablone!)

Der Minister hat eben selber - um seine Worte aufzugreifen - von einem „normalen Strukturwandel“ gesprochen. Meine Damen und Herren, der normale Strukturwandel ist das Höfesterben. Das heißt, dass Betriebe nicht weiter existieren können, jahrhundertelange Traditionen aufgeben und sich anders orientieren müssen.

Der Kollege Oesterhelweg hat die Fragen der CDU-Fraktion und die Antworten der Landesregierung im Einzelnen beleuchtet. Mich hat besonders die Antwort auf die Frage 6 fasziniert. Deswegen möchte ich sie vortragen, meine Damen und Herren. Die Frage lautet: „Kann eine professionelle Beratung der Familien bei Kommunikationsproblemen helfen, den Strukturwandel“ - also das Hö

festerben, die Aufgabe der Höfe - „zu verlangsamen?“ - Die Antwortet lautet:

„Wenn in Familien nach der professionellen Beratung wieder miteinander geredet wird und dadurch auf beiden Seiten die Bereitschaft wächst, den Betrieb weiterzugeben bzw. die Hofnachfolge anzutreten, kann eine Hofübergabe auf die nachfolgende Generation besser ermöglicht werden.“

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja, das ist doch beantwortet! - Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Das ist doch nicht falsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Antwort fünfmal gelesen - den Inhalt habe ich nicht gefunden. Das ist Verballhornung und zeigt, wie ernst diese Regierung die Sorgen auf den Höfen nimmt. Der Kollege Oesterhelweg hat das an noch mehr Beispielen dargelegt. Hier wird wieder einmal offensichtlich, dass man nicht die geringste Beziehung zur Landwirtschaft, zu den Problemen auf unseren Betrieben hat.

Ich möchte Ihnen da gerne etwas auf die Sprünge helfen, Herr Minister. Hier wurden die zunehmende Bürokratie und die immer weiter um sich greifenden Kontrollen angesprochen. Die Anzahl und die Fläche der Biobetriebe, die Sie besonders fördern wollen, haben sich in zehn Jahren schwarz-gelber Regierung um etwa 35 % erhöht. Seit zwei Jahren knickt die Kurve ab. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das stimmt doch überhaupt nicht! Unsinn!)

Sie haben eben ein gutes Beispiel gebracht, nämlich die Grünlandprämie. Es ist eine tolle Sache, Kühe auf Grünland zu halten. Ich habe mir das oben im Norden, im nassen Dreieck, angeguckt. Da war eine kilometerlange Wiese hinter dem Hof; die Kühe konnten raus - traumhaft. Der Kollege Birkner und ich haben uns zusammen auch einen neuen Milchviehstall im Kreis Holzminden angeguckt. Da haben wir das Thema auch diskutiert und darauf hingewiesen, dass oben am Waldrand Wiesen sind, aber dass man dort wohl schlecht bauen kann, weil das Gelände ein bisschen schief ist. - Da sagte der Landwirt: Das ist nicht das Problem, aber das würde nie genehmigt, weil das FFHGebiet ist, da gelten Grenzwerte. Ein offener Milchviehstall, der den besten Kuhkomfort bietet, wird dort aus Gründen des Immissionsschutzes verboten. - Diese Probleme sollten Sie mal aufgrei

fen, anstatt plakativ Dinge in den Raum zu stellen, die die Betriebe überhaupt nicht umsetzen können.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben es mit Landverknappung zu tun, z. B. im Kreis Holzminden - um ein konkretes Beispiel zu nennen, das wir beide kennen. Ich nenne die Umgehungsstraße, die wir alle dringend haben wollen. Die erste Umgehungsstraße von ca. 3 km Länge kostet insgesamt 40 km landwirtschaftliche Nutzfläche. Das ist die Eigentumsfläche von einem Betrieb bzw. anderthalb Betrieben. Die zweite wird die gleiche Fläche fressen; 100 ha gehen da auf begrenzten Raum raus. Warum? - Es müssen - zusätzlich zu allen anderen Ausgleichsmaßnahmen - noch Katzenkorridore angelegt werden. Ihnen fällt immer noch etwas Neues ein, was Sie noch draufsetzen können, um den Betrieben das Leben schwerzumachen.

Das sind die knallharten Fakten, die dazu führen, dass unsere Betriebe immer mehr Sorgen haben. Sie können sich dann, wenn ein Generationswechsel ansteht, mit der Frage auseinandersetzen, ob die junge Generation auch Lust hat, ihre Kinder im Kindergarten als Tierquäler beschimpfen zu lassen. Wir brauchen eine völlig andere Kultur des Umgangs. Es wäre dringend notwendig, dass auch diese Landesregierung hierbei vorangeht und die Landwirtschaft nicht ständig nur an den Pranger stellt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Von Bündnis 90/Die Grünen hat sich Hans-Joachim Janßen gemeldet. Herr Janßen!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beratung landwirtschaftlicher Familien vor allem bei persönlichen und familiären Problemen ist zweifellos ein wichtiges Thema; das ist überhaupt keine Frage. Was dieses Thema aber für eine Große Anfrage prädestiniert, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, erschließt sich mir wirklich nicht. Ganze 18 Fragen sind Ihnen eingefallen, und auch die sind durchaus etwas in die Länge gequält. Denn der eigentliche Kern sind nach meinem Empfinden drei Fragen: Was machen die Sorgentelefone? Was sind die Themen? Wie wird das Ganze finanziert? Und

vielleicht noch: Welche Entwicklungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung?

Für eine Große Anfrage ist das ziemlich dünn. Das heißt aber ausdrücklich nicht, dass das Thema nicht wichtig ist. Ich sehe es durchaus als wichtig an. Aber daraus eine Große Anfrage zu machen, finde ich schon opulent.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Ei- nigen wir uns auf eine kleine große wichtige Anfrage!)

- Ja, was Herr Siebels gesagt hat, trifft schon zu. Von daher bin ich da ganz bei ihm.

Danken möchte ich dennoch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums, die sich die Mühe gemacht haben, Ihre Anfrage akribisch zu beantworten. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle insbesondere auch bei den vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sorgentelefone für ihre Arbeit. Das ist zweifellos eine schwierige und wichtige Aufgabe, die sie da wahrnehmen - zudem unentgeltlich und in ihrer Freizeit.

Ich finde es aber schon relativ schäbig, dass die CDU mit ihrer Großen Anfrage die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sorgentelefone für ihren Klamauk nutzt

(Heiner Schönecke [CDU]: Für was? Können Sie das wiederholen?)

und wiederum das macht, was auch Herr Grupe gerade vorgeführt hat, nämlich die Botschaft zu verbreiten, die Bäuerinnen und Bauern würden von der rot-grünen Landesregierung, von Landwirtschaftsminister Meyer an den Pranger gestellt werden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das stimmt doch auch! - Hermann Grupe [FDP]: So ist das! 4 000 waren wohl nicht genug letzte Woche!)

Zum Thema Mobbing - ich werde Herrn Oesterhelweg den großen Gefallen tun; er hat das eben ja so positiv hervorgehoben -: Mobbing ist, egal in welcher Ausprägung, verurteilenswert. Das ist nirgends hinzunehmen, auch nicht in diesem Zusammenhang. Auch unter Kindern ist das zu unterbinden. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das nicht angehen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Janßen, eine kurze Unterbrechung bitte! Herr Oesterhelweg möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Nein. Das ist angekommen. - Bitte schön!

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist schlecht für die Debattenkultur, wenn man das nie zulässt! - Lutz Winkel- mann [CDU]: Er hat Angst davor!)

Da haben wir ja sozusagen noch Restposten vom letzten Mal übrig.

Ich sage Ihnen ausdrücklich: Die Stimmungen im Land machen sich an den Problemen und letztendlich auch an Filmaufnahmen, an Bildern fest. Ein Appell an alle ist: Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam daran arbeiten, dass solche Missstände, die auch eine Ursache - keine Rechtfertigung - von solchen Mobbingaktionen sein können, nicht zum Tragen kommen können.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn die Einrichtung nicht „Sorgentelefon“, sondern „Psychologische und familiäre Beratung für Landwirte und Landwirtinnen“ heißen würde, dann hätten Sie die Anfrage vielleicht gar nicht gestellt. Von daher stellt sich die Frage, mit welcher Intention das gemacht worden ist.