Protocol of the Session on September 17, 2015

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Minister Lies!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, auf jeden Fall. Ich habe vorhin schon einmal versucht, das ansatzweise zu benennen. Ich unterstütze sehr den Vorschlag von Herrn Weise, die Vorrangprüfung erst einmal auszusetzen. Ob wir sie gänzlich abschaffen können, hat - das muss man ehrlicherweise sagen - auch etwas mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland zu tun. Stellen wir uns die Debatte, die wir gerade führen, einmal zu einer Zeit vor, zu der wir nicht dieses große Maß an Beschäftigung und nicht diese starke wirtschaftliche Lage hätten. Dann würden wir eine andere Diskussion in Deutschland führen. Das muss man ehrlicherweise sagen. Deswegen, glaube ich, müssen wir sehr sensibel mit der Frage umgehen, was das heißt. Deshalb bin ich sehr dafür, die Vorrangprüfung für einen gewissen Zeitraum auszusetzen; vielleicht kann man sich auf zwei Jahre verständigen. Dann können wir bei veränderten wirtschaftlichen Rah

menbedingungen oder einer veränderten Situation insgesamt erneut reagieren.

Ich habe es vorhin gesagt: Nach drei Monaten können sie arbeiten; sie können eine Ausbildung beginnen und abschließen. Dabei gibt es aber die Altershürde von 21 Jahren. Ehrlicherweise müssen wir aber sagen, dass dann z. B. Menschen, die vertrieben worden und geflüchtet sind und die schon 19 oder 20 sind, hier gar keine Ausbildung mehr beginnen können, weil wir nur sicherstellen können, dass sie bleiben können, bis sie 21 sind. Das müssen wir dringend ändern. Auch muss geregelt werden - ich habe es vorhin gesagt -, dass sie zwei Jahre hier arbeiten können.

Der nächste Punkt, den wir diskutiert haben, ist, ob es eine Chance der relativ zügigen Integration in Zeitarbeit oder Leiharbeit gibt. Dort gilt im Moment die 49-Monats-Regel. Wir haben gesagt, dass wir auch eine Möglichkeit schaffen müssen - wenn der Bedarf da ist und eine Perspektive besteht -, diese Regelung für diesen Personenkreis weiter zu öffnen.

Wir sind also in einem engen Dialog, und ich glaube, alle sind sich sehr bewusst, dass man etwas machen muss.

Aber ich sage es immer wieder, gerne auch in jeder Antwort: Der Fokus muss sich auf alle Menschen richten, die in Deutschland in den Arbeitsmarkt wollen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, den Eindruck zu erwecken, dass für eine bestimmte Gruppe in ganz besonderer Form Vorteile geschaffen würden - darum geht es uns auch gar nicht -, die für eine andere Gruppe, die auch seit Jahren in den Arbeitsmarkt will, nicht zur Verfügung stehen. Wir müssen ein Angebot schaffen, das insgesamt eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt möglich macht. Dafür können wir im Moment, in unserer guten wirtschaftlichen Position, eine Grundlage schaffen. Ich hoffe, dass wir diese wirtschaftliche Stärke noch lange behalten.

(Christian Dürr [FDP]: Führt der Minis- terpräsident das auch bei dem Ge- spräch mit der Kanzlerin an?)

Vielen Dank.

Ich will gerne noch kurz darauf antworten.

Gerne.

Was der Ministerpräsident bei den Gesprächen mit der Kanzlerin bespricht, kann ich Ihnen nicht sagen. Diese Haltung haben wir als Landesregierung; wir wollen diese Punkte weiter voranbringen. Ich glaube, dass gerade im Gespräch mit der Bundesarbeitsministerin - das ist ja diejenige, die das voranbringt - die richtigen Ziele und Themen vereinbart werden.

Wir haben gestern noch ein Gespräch mit der zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärin dazu geführt, die sich noch einmal sehr genau über unsere Wege in Niedersachsen informiert hat. Ich wäre sehr froh, wenn wir vieles von dem, was wir hier in Niedersachsen schon angeschoben haben, am Ende auf die Bundesebene transformieren könnten, damit wir ein Stück weit die Finanzierung weiterer Projekte in Niedersachsen sicherstellen können.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt der Kollege Thomas Schremmer. Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Dürr hat meine Frage schon vorweggenommen. Ich werde also noch einen Schritt weitergehen: Wie schätzt die Landesregierung die Effekte ein, die ein Entfallen oder ein Aussetzen der Vorrangprüfung bei freien Stellen in der Arbeitsverwaltung auf die Integration von Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt aktuell hätte?

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schremmer, es wird zum Teil als bürokratische Hürde wahrgenommen. Es fällt mir fast schwer, das so zu formulieren, weil wir ja eigentlich sagen, dass bestimmte Hürden sein müssen. Aber tatsächlich besteht aus der Sicht der Arbeitgeber eine große Verunsicherung mit Blick auf die häufig sehr langen Zeiträume und auch dann, wenn man in einer Region absehen kann, dass der Bedarf zur

zeit gar nicht aus dem normalen Angebot an Arbeitsuchenden gedeckt werden kann. Dann wird das eher zu einem Hemmnis als zu einem Vorteil.

Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir diese bürokratische Hürde, die bei den Unternehmen, gerade bei den Handwerksbetrieben, vielleicht eher zur Zurückhaltung führt, aussetzen. Ich bin mir aber ganz sicher - auch an der Stelle -, dass bei den Arbeitsagenturen die notwendige Sensibilität besteht, das sozusagen nicht falsch herum auszunutzen. Es geht nicht darum, einen bestimmten Personenkreis bevorzugt in Arbeit zu bringen, sondern es muss uns bei der Aussetzung darum gehen, eine Hürde, die spürbar existiert, zumindest für einen gewissen Zeitraum abzubauen. Ich bin sicher, dass sich das positiv auf die Frage auswirken wird, ob es uns gelingt, Flüchtlinge oder Asylsuchende in Arbeit zu bringen.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Mustafa Erkan. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich stelle Ihnen die Frage: Was kann die Landesregierung tun, um die Arbeitsmigration von Menschen aus dem Westbalkan zu erleichtern?

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Erkan, ich will das auf zwei Elemente aufteilen. Zunächst einmal: In erster Linie müssen wir, glaube ich, die Menschen, die aus diesen Ländern kommen, viel besser über ihre tatsächlichen Arbeitsmarktchancen aufklären. Es wurden nämlich auch viele Menschen mit völlig falschen Versprechungen angelockt. Sie sind hier, weil sie den Eindruck hatten, dass ihnen alle Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt offen stehen. Das ist aber eben nicht so.

Deswegen ist ein ganz wichtiger Punkt, gerade in den Herkunftsländern deutlich darüber aufzuklären, wie schwierig unter den jetzigen Bedingungen Arbeitsmarktintegration ist. Es dürfen nicht Menschen unter falschen Voraussetzungen dazu bewegt werden, ihr Heimatland zu verlassen. Das

muss eine unserer großen Zielsetzungen sein, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Wir wissen aber auch, dass eine ganze Reihe von Menschen aus dem Westbalkan hier sind, die zum Teil sogar die deutsche Sprache gut sprechen - das darf man nicht unterschätzen - und die zum Teil eine hohe Fachkompetenz haben. Wirtschaft und Gesellschaft haben ein hohes Interesse daran, sie als Fachkräfte in unserem Land zu behalten. Das ist erst mal eine ganz wichtige Aussage. Deswegen bin ich, hoffe ich, mit Ihnen einig: Wir brauchen dafür legale Einwanderungsmöglichkeiten. Flucht und Asyl sind der falsche Weg. Legale Einwanderungsmöglichkeiten sind der richtige Weg.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie von Dr. Gero Hocker [FDP])

Deswegen ist auch der Weg über ein Zuwanderungsgesetz ein vernünftiger und kluger. Dann kann man den Menschen in ihren Heimatländern nämlich eine echte Perspektive eröffnen, und zwar für die Berufsfelder, in denen wirklich eine Chance besteht. Dann muss man sie nicht unter falschen Voraussetzungen und mit falschen Hoffnungen in unser Land holen. Insofern hoffe ich, dass dieser Weg auf Bundesebene konsequent weiter verfolgt wird. Das wäre auch ein Signal an die Menschen in den Herkunftsländern, dass das der einzige sinnvolle und richtige Weg ist, nach Deutschland einzureisen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie von Dr. Gero Hocker [FDP])

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Gabriela König, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation, dass im Landesvergabegesetz derzeit z. B. die Wertgrenzen bei Bauleistungen verändert werden - wenn man beispielsweise in Umbauten oder Neubauten für Aufnahmelager investieren soll -, frage ich die Landesregierung: Zieht das auch bei den Praktika eine unterschiedliche Betrachtung nach sich, oder ziehen Sie dort die gleichen Maßgaben von der

Dauer und den Lohnentgelten her, wie sie derzeit noch festgeschrieben sind? Wird eine neue Bewertung dieser Akzeptanzen in das Landesvergabegesetz aufgenommen werden?

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau König, wir müssen aufpassen, dass wir für diejenigen, die als Flüchtlinge oder Asylsuchende hier sind und in ein Praktikum gehen, keine besonderen Regelungen im Gegensatz zu den Menschen schaffen, die schon hier leben, Arbeit suchen und in ein Praktikum gehen. Das können wir nicht machen. Wir müssen eine vernünftige Bedingung für alle haben, damit wir nicht die einen lieber nehmen oder die anderen schlechter behandeln.

Trotzdem haben wir einen sehr intensiven Dialog. Ich habe vorhin von dem Projekt der Handwerkskammern gesprochen. Das ist gleitend. Wir können nicht alle auf einmal in die Kompetenzfeststellung nehmen und dann ins Praktikum geben. Wir beginnen hoffentlich im November mit der Beratung. Dann folgt möglichst früh die Kompetenzfeststellung; dann folgen Praktika. Es kann natürlich sein, dass wir die, die zu Beginn in die Kompetenzfeststellung kommen, länger im Praktikum halten können. Das würde Sinn machen, um sie auf die Ausbildung vorzubereiten. Das wird die erste Fragestellung sein.

Die zweite Fragestellung wird sicherlich sein, welche Bedingungen für das Praktikum herrschen. Wir sind gerade bei diesem Projekt ganz gezielt in Gesprächen mit den Kammern, den zuständigen Unternehmen und der Bundesagentur. Aber wir müssen aufpassen, dass unser Grundsatz, den wir gemeinsam zum Thema Praktikum und zum Thema Bezahlung und Praktikum definiert haben, nicht für einen Effekt über den Haufen geworfen wird. Es muss uns gelingen, mit den bisher geltenden Rahmenbedingungen ein intensives Praktikum zu ermöglichen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir jetzt noch in einem intensiven Dialog dazu sind. Ich bin aber gerne bereit, Sie nach den Gesprächen regelmäßig auf dem Laufenden zu halten.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Holger Ansmann. Das ist dann die letzte Frage für Sie.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: Warum ist eine Anlaufstelle, eine Art One-Stop-Shop für Arbeitgeber sinnvoll, und wie ist das Zusammenspiel mit Arbeitsagenturen, Job-Centern, Kammern und Verbänden?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ansmann, die Bereitschaft der Unternehmen - egal ob Handwerk, Industrie oder Dienstleistung - ist groß. Die sich ergebenden Fragestellungen heißen aber: Es gibt so viele verschiedene Aufenthaltstitel, was bedeutet das eigentlich? Was heißt eigentlich „Bleibemöglichkeiten“? Wann kann ich eigentlich eine Ausbildung beginnen? Kann ich sie auch abschließen? - Das sind so viele Fragestellungen.

Wenn wir die Unternehmen ernsthaft unterstützen wollen, diesen mutigen Schritt zu gehen, dann müssen wir diese Hemmnisse so intensiv wie möglich abbauen. Ich will das hier noch einmal sagen. Es verdient auch hohe Anerkennung, wenn Betriebe - egal ob Handwerk, Industrie oder Dienstleistung - bereit sind, sich in positivem Sinne darauf einzulassen, weil sie auch nicht wissen, welche Erfahrungen sie damit machen werden. Sie wissen, dass Sprache und kulturelle Unterschiede oder Barrieren eine große Rolle spielen.

Deswegen sind wir gemeinsam mit der BA davon überzeugt, dass es gut ist, die Unternehmen sehr intensiv und aktuell über die sich ständig verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu informieren. Wir sind mit Trägern im Gespräch, die diese lange fachliche Kompetenz in der Betreuung von Flüchtlingen haben, um den Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende im Sinne der Unternehmen deutlich zu verbessern und zu vereinfachen. Das Ziel ist, Beratungskompetenz zu schaffen und Hürden bei den Unternehmen, Handwerksbetrieben und Dienstleistungsunternehmen abzubauen, um nicht weiterhin ein Hemmnis aufrechtzuerhalten, dessen Abbau dazu führen kann, dass wir viel

mehr Menschen in unserem Land eine Perspektive oder Chance geben.

Vielen Dank. - Die nächste Frage stellt Karl-Heinz Bley, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nach der Diskussion den Eindruck gewonnen, dass die Integration in den Arbeitsmarkt in Niedersachsen bisher absolut unzureichend gelaufen ist. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Gibt es aus anderen Ländern oder Bundesländern Erfahrungen oder Erkenntnisse, wie man dort mit der Integration in den Arbeitsmarkt umgeht? Wie kann das in Verbindung mit den Programmen des Landes und des Bundes unter dem Einsatz von EU-Fördermitteln geschehen?

Danke. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bley, es gehört wahrscheinlich zur Oppositionsrhetorik, eine Frage so zu beginnen, wie Sie es getan haben. Aber ich glaube, das entspricht nicht den Tatsachen in unserem Lande.