Drittens. Die größte Baustelle Ihrer Landesregierung, Herr Weil, ist ohne Zweifel der fehlende Vollzug der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber.
An keiner anderen Stelle wird so deutlich, dass es bei Ihnen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem gibt. Der Rückführungserlass ist eines dieser größten Hemmnisse und muss umgehend überarbeitet werden. Nehmen Sie sich dazu ein Beispiel an Baden-Württemberg - dort wurde das gemacht -, damit es, auch dem Schreiben der kommunalen Spitzenverbände vom vergangenen Freitag folgend, hier endlich zu Maßnahmen kommt, die auch eine gezielte Rückführung der abgelehnten Asylbewerber möglich machen. Das entlastet, meine Damen und Herren!
Ich füge ausdrücklich noch einmal hinzu: Das Asylrecht ist kein Instrument einer geordneten Zuwanderung nach Deutschland. Das Asylrecht hat eine ganz andere Bedeutung, eine ganz andere Wurzel. Wenn Sie nicht wollen, dass dieses Asylrecht entwertet wird, dann müssen Sie dazu beitragen, dass das Asylrecht nicht weiter für Wirtschaftszuwanderung missbraucht wird, meine Damen und Herren. Das ist doch genau der Punkt, um den es hier geht.
Viertens. Die Menschen erwarten vom Staat zu Recht, dass er Sicherheit und Schutz der Menschen innerhalb und außerhalb der Einrichtungen gewährleistet. Wir dürfen die Probleme, die es dort gibt, nicht negieren. Die Probleme sind da. Sie werden diskutiert. Es nutzt nichts, sie zu unterdrücken, weil sie nicht in den Medien berichtet werden oder weil man darüber nicht sprechen will. Man darf sie auch nicht verharmlosen. Es ist unsere
Pflicht, auf die Probleme auch hinzuweisen: Kriminalität, Gewalt, Drogen, Prostitution, Vergewaltigung - das sind keine Kleinigkeiten, meine Damen und Herren. Sehen Sie hin! Gucken Sie auf die Berichte! Beispielsweise der Landesfrauenrat Hessen hat ein solches aufrüttelndes Schreiben an die Landesregierung in Hessen geschickt. Glauben Sie doch nicht, weil es Hessen ist, dass es bei uns anders ist, meine Damen und Herren! Wir wissen doch, dass es so ist, wie es dort beschrieben ist. Das müssen wir abstellen.
Fünftens. Wir bekommen mittlerweile - ich komme noch einmal auf die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zurück, für die unser aller Dank keine Grenzen kennen sollte - von den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern Notrufe, beispielsweise gestern aus Camp Oerbke, wo es einen Personalengpass bei der Kleiderkammer gibt.
Tatsache ist, dass die Grenzen der Belastung der Ehrenamtlichen mittlerweile weit überschritten sind. Wir müssen aufpassen und die Menschen in ihrem eigenen Interesse schützen, damit es eben nicht dazu kommt, dass dort durch zu viel Engagement die Stimmungslage umkippt. Deswegen müssen wir alles tun, damit z. B. Bundeswehrkräfte diese Aufgabe mit übernehmen. Setzen Sie sie bitte ein! Die Bundesverteidigungsministerin - das wurde gerade gesagt - ist dazu bereit, auch die Truppen zu stellen. Hier und dort, Herr Innenminister, funktioniert es ja auch schon. Das ist, glaube ich, der richtige Weg.
Der nächste Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ist für den 24. September angesetzt. Es soll dabei auch über die Finanzen gesprochen werden. Aus unserer Sicht - das ist ein nicht unentscheidender Punkt;
das will ich hier gerne einräumen - gibt es dazu aber weitere Punkte, die ich in fünf Punkten kurz sagen möchte, die dort angesprochen werden müssen und für die es Beschlusslagen in dieser Sitzung geben muss.
Erstens. Asylfolgeanträge abgelehnter Asylbewerber müssen generell unzulässig sein, verbunden mit der sofortigen Rückführung.
Folgeanträge mit gleichzeitigem Leistungsbezug binden derzeit unnötig Kapazitäten für die wirklich Schutzbedürftigen.
Drittens. Ausreisezentren für die Flüchtlinge vom Westbalkan müssen in allen Bundesländern eingerichtet werden. In Niedersachsen gab es für die Kosovaren einen Modellversuch. Das Innenministerium hat in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Mai mitgeteilt, dass man gute Erfahrungen damit gemacht habe, nicht um auszugrenzen, sondern um dem Personenkreis in besonderer Weise gerecht zu werden. Deswegen brauchen wir diese Ausreisezentren, damit dort eine Abschiebung stattfinden kann.
Viertens. Deshalb soll in diesen Ausreisezentren die Residenzpflicht gelten. Im Übrigen sollen dort auch Sachleistungen gewährt werden.
Fünftens. Schließlich müssen die Länder eigene Gemeinschaftsunterkünfte einrichten, um die Kommunen weiter zu entlasten. Die Hilfe des Bundes, die gestern dargestellt worden ist, könnte ein solcher weiterer Schritt sein.
Ich denke, dass wir mit diesen Punkten in einer gemeinsamen Kraftanstrengung dazu beitragen können, die schwierige Situation in ein geordnetes Verfahren zu führen und deutlich zu machen, dass wir in Deutschland in der Lage sind, in einer schwierigen Situation vernünftig, demokratisch legitimiert und ordnungsgemäß umzugehen. Das muss unser gemeinsames Bestreben sein.
Ich kann es noch einmal betonen: Wir sind dazu bereit, Ihnen in jeder Frage zu helfen, in der Sie Hilfe benötigen.
Nehmen Sie dieses Angebot nicht einfach als dahingesagte Floskel, sondern nehmen Sie das Angebot ernst, nehmen Sie es einfach an, weil wir hier in einer gemeinsamen nationalen Anstrengung etwas erreichen müssen! Da erwarte ich von Ihnen, Herr Weil, dass Sie auf uns zukommen - und sich nicht ständig mit Ihrem Nachbarn unterhalten; das finde ich übrigens eine Frechheit.
Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. Gleichwohl hätte es des letzten Hinweises in Ihrer Rede nicht bedurft.
(Zustimmung von Petra Tiemann [SPD] - Miriam Staudte [GRÜNE]: Ge- kränkter Narzissmus kommt überall vor!)
Meine Damen und Herren, jetzt redet für die SPDFraktion die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Frau Modder. Bitte! 14 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal will ich mich ausdrücklich bei unserem Ministerpräsidenten für die zeitnahe Unterrichtung heute Morgen bedanken. Ich will ausdrücklich unterstreichen: Es war auch dieser Ministerpräsident, der dafür gesorgt hat, dass man sich gestern in Berlin getroffen hat. Das war keine Selbstverständlichkeit.
- Meine Damen und Herren, ob Sie das hören wollen oder nicht: Der Druck der Bundesländer war so enorm, dass die Bundeskanzlerin gar nicht anders konnte, als dieses Treffen vorzuziehen.
Meine Damen und Herren, wir, die wir in dieser schwierigen Situation politisch Verantwortung tragen, in der wir uns in Europa und in Deutschland und auch in Niedersachsen befinden, sind gut beraten, gemäßigt mit der Bewältigung dieser Krisensituation umzugehen. Das erwarten die Menschen draußen von uns. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit.
Herr Thümler, es hilft auch nicht, wenn Sie in Ihrer Rede darauf verweisen, was das Land alles machen müsste.
(Christian Grascha [FDP]: Wir sind der Landtag! Das ist unser Job! - Zu- rufe von der CDU - Gegenruf von Re- nate Geuter [SPD]: Die können nicht mal bis zum Ende zuhören! - Gegen- ruf von Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wir sind doch bei Herrn Thümler auch ruhig geblieben! - Weitere Zurufe - Unruhe)
Frau Modder, einen Moment, bitte! - Zuerst lassen wir Ruhe einkehren. Wenn durch die Herstellung der Ruhe Unterbrechungen der Redezeit entstehen, behalte ich mir vor, die Zeit anzuhängen. - Bitte!
Herr Thümler, es hilft nicht, aufzuzeigen, was das Land alles tun muss. Sie gehen davon aus, dass es geordnete Verfahren gibt, die wir einigermaßen managen können. Sie haben aber die Situation in den letzten Tagen und besonders am Wochenende völlig ausgeblendet. Ich finde es in dieser Situation unpassend, so etwas nicht einmal zu würdigen.
Meine Damen und Herren, wir alle haben gestern ganz gespannt nach Berlin geguckt. Ich glaube, alle von uns. Wir haben erwartet, dass in diesem Spitzengespräch im Bundeskanzleramt auch Lösungen präsentiert werden. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das, was gestern vereinbart worden ist, ist ein erster richtiger und wichtiger Schritt in diese Richtung. Es ist sicherlich richtig, 40 000 Erstaufnahmeplätze unter der Leitung des Bundes im Bundesgebiet einzurichten. Das verschafft uns Ländern Luft und ein bisschen Puffer.
Ich sage aber auch deutlich: Ich hätte zumindest erwartet - das ist ein Punkt, auf den alle gewartet haben -, dass Klarheit darüber geschaffen wird, wie viel Geld wofür strukturell und dynamisch verwendet werden kann, damit die Länder auch Klarheit darüber haben, wie viele an unsere Kommunen gehen. Die Kommunen warten auf dieses Signal. Das ist leider wieder einmal auf die nächste Woche verschoben worden. Das sage ich ganz ehrlich. Es bestand eigentlich Klarheit darüber, dass da etwas kommen muss.
Es herrscht keine Klarheit darüber, was genau passieren soll. Da werden wir wieder auf die nächste Woche vertröstet.
ganz viele Fragen verbunden. - Zumindest habe ich diese. Sie werden die nicht haben, weil für Sie ja alles klar ist. - Wir werden aber diese Fragen stellen, wenn wir als Niedersachsen dabei sind. Die größte Last wird ja wohl, wenn man den Angaben folgen darf, Nordrhein-Westfalen tragen. Aber auch Niedersachsen wird mit Fallingbostel dabei sein. Dann wird es natürlich viele Fragen geben. Ich kann z. B. nicht nachvollziehen, dass das nicht auf den Königsteiner Schlüssel angerechnet wird. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. Das ist für mich eine offene Frage. Warum wird das nicht mit angerechnet? Genauso ist Bayern mit den zweimal 5 000 Plätzen betroffen. Das ist aus meiner Sicht eine offene Flanke.