Protocol of the Session on September 16, 2015

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe auch noch Fragen zu dem, was wir hier alle immer wieder gesagt haben. Unser grundsätzliches Problem ist: Die Anträge werden nicht schnell genug und nicht rechtzeitig genug bearbeitet. Das ist der Flaschenhals BAMF. Es wird gesagt, man werde jetzt Personal vom Zoll und von der Bundeswehr abfordern. Dann kann ich sagen: Das ist wunderbar, aber das hätte alles schon passieren können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das hätte schon längst in die Wege geleitet werden können. Auch da hätte ich mir ein bisschen mehr Dynamik erwartet. Das können Sie auch nicht auf das Land abwälzen. Da sind ganz einfach die Bundesrepublik zuständig und in erster Linie die Bundeskanzlerin verantwortlich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Sie versuchen, das auf den Bund ab- zuwälzen! Das ist doch der Punkt! Sie regieren hier in Niedersachsen!)

Ich will aber noch einmal auf die gesamte Situation zu sprechen kommen. Das, was der Ministerpräsident angesprochen hat, muss hier durchaus noch einmal unterstrichen werden.

Im Land Niedersachsen in so kurzer Zeit so viele Erstaufnahmeplätze mit der ganzen Organisation und Logistik dahinter einzurichten, fordert alle komplett. Die Betreiber - die Johanniter, das Technische Hilfswerk, das Rote Kreuz und alle, die da mithelfen - gehen im Moment an ihre Grenzen. Wir sind gut beraten, ihnen wirklich ein herzliches Dankeschön auszusprechen. Das haben auch Sie

gemacht, Herr Thümler. Da schließe ich mich ausdrücklich an. Ich schließe mich auch ausdrücklich mit der Forderung an, dass die dort ehrenamtlich tätigen Menschen, die von ihrer Arbeit freigestellt worden sind, Unterstützung und die Zusage brauchen, dass sie diese Leistungen weiterhin erbringen können. Dafür müssen wir einen Appell an die Arbeitgeber richten. Auch da bin ich völlig einer Meinung mit Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will aber ausdrücklich noch einmal sagen: Es hilft alles nichts, wenn wir diese Flüchtlingszuströme nicht auf europäischer Ebene koordiniert bekommen. Dann hilft alles nichts.

Die Gespräche der Innenminister und Justizminister vom vergangenen Montag haben zu der Verständigung über zunächst einmal 160 000 Flüchtlinge geführt. Das reicht aber nicht. Das ist vorhin gesagt worden. 160 000 Flüchtlinge hat Deutschland schon alleine aufgenommen. Es ist zu wenig, in der Europäischen Union ohne eine Quote auseinanderzugehen, sondern zu sagen: „Schauen wir einmal im Oktober!“ - Gott sei Dank ist das jetzt vorgezogen worden. Ich glaube, da sind wir auch einer Meinung.

Was jetzt passiert, muss uns alle wachrütteln. Auf Grenzkontrollen ist schon eingegangen worden. Was ist denn die nächste Stufe, wenn wir keine Einigung in der Europäischen Union hinbekommen? - Ungarn fängt an, die Grenzen zu schließen. Sie wissen genau, die Menschen werden ihre Wege suchen. Sie haben darauf hingewiesen, Herr Thümler. Genauso ist klar: Die Wege, die jetzt von den Flüchtlingen gesucht werden, sind nicht ungefährlich. Ich spreche da ausdrücklich Kroatien an.

Das alles sind Probleme, die wir zu lösen haben. Ich würde mir wünschen - auch da werden Sie gleich wieder aufheulen -, dass sich nicht nur die Innenminister treffen. In der nächsten Woche ist auch das Treffen der Regierungschefs angesagt. Aber das hätte schon viel früher sein müssen, meine Damen und Herren. Da ist in erster Linie die Bundeskanzlerin gefordert, deutlich zu sagen, dass die Solidarität Deutschlands auch ihre Grenzen hat. Auch da hat sie spät gehandelt - zu spät!

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

- Ja, ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen.

Ich finde es auch gut, dass sie sich jetzt wenigstens bewegt. Aber auch das hätte sie viel früher machen müssen. Herr Thiele, Sie wissen das genau.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Jens Nacke [CDU])

- Ja, ich weiß. Sie müssen sich gar nicht weiter aufregen.

(Jens Nacke [CDU]: Hier ist der Land- tag, Frau Modder! Gehen Sie doch einmal durch das Land! Hier ist die Zuständigkeit des Ministerpräsiden- ten!)

- Nein, wir reden hier über die Flüchtlingspolitik, Herr Nacke. Die Flüchtlingspolitik ist eine gesamtstaatliche Aufgabe.

(Christian Grascha [FDP]: Dann sa- gen Sie doch einmal, was Sie hier ganz konkret im Land machen wollen! Darum geht es doch!)

Daraus können sich der Bund und die Frau Bundeskanzlerin nicht herausreden, auch wenn sie das versuchen sollten.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Sie drücken sich vor Ihren Zuständig- keiten! Das ist die Wahrheit! Sie sind doch total überfordert! Der Minister- präsident auch!)

Meine Damen und Herren, ich kann nur weiterhin dazu auffordern, dass wir dieses gesamtstaatliche Problem vernünftig und schnell angehen und unsere Verantwortung in der EU, in Deutschland und auch in Niedersachsen wahrnehmen. Wir nehmen sie wahr, Herr Nacke. Wir haben auch in der Sondersitzung in der letzten Woche deutlich gemacht, wo das Land überall handelt und woran wir mit Hochdruck arbeiten. Wir haben hier zur Genüge bewiesen, dass wir diese Krisensituation gut meistern können.

Meine Damen und Herren, ich will ganz zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal deutlich machen, was mir auch persönlich ganz wichtig ist und weil viele Gespräche geführt werden und Anrufe kommen: Für das, was wir im Moment zusammen zu meistern haben, wird die Stimmung in unserem Land zu dieser Flüchtlingspolitik ganz entscheidend sein. Wenn wir es nicht schaffen, dies auf europäischer Ebene zu regeln, dann, glaube ich, wird auch die Akzeptanz Richtung Eu

ropa in unserem Land sinken. Das, meine Damen und Herren, müssen wir alle zusammen verhindern. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, damit Europa, der Gedanke, die Idee dieser Staatengemeinschaft weiterleben. Da steht Europa vor einer großen Bewährungsprobe, meine Damen und Herren.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Handeln Sie mal!)

Helfen wir alle mit, dass wir die Herausforderungen, die sich uns jetzt vor dem Hintergrund der dramatischen Flüchtlingszahlen stellen, in Deutschland, aber auch im Land Niedersachsen gut miteinander meistern!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Nicht eine einzige landespoliti- sche Maßnahme! Unfassbar! Nur Worte! - Jens Nacke [CDU]: Viel zu wenig, Frau Modder!)

Vielen Dank, Frau Modder. - Es folgt jetzt für die Fraktion der FDP Herr Christian Dürr. Ich erteile Ihnen das Wort für sieben Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Modder, ich hätte mir gewünscht, dass Sie insbesondere nach Ihren Ausführungen vom vergangenen Donnerstag zumindest heute das Wort ergreifen und ganz konkrete Dinge für Niedersachsen fordern, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das hätte ich mir gewünscht. Die Gelegenheit war gerade da.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Modder, nach Ihrer Rede, nach Ihren Einlassungen gerade muss man ja den Eindruck haben, dass der Niedersächsische Ministerpräsident nicht nur das Land Niedersachsen vollkommen im Griff hat, sondern auch den Bund und Europa.

Ich möchte eines ganz offen sagen, auch nach den Erfahrungen der letzten Wochen, wie diese Landesregierung im Krisenmodus unterwegs ist: Wir alle gemeinsam sollten aufpassen, dass wir den Einfluss und das politische Gewicht dieses Ministerpräsidenten nicht überschätzen. Dies will ich

nach den Erfahrungen, die wir in den letzten Wochen gehabt haben, ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Modder, der Hinweis, den Sie an den Bund richten, ist ja nicht falsch. Auch wir sagen: Natürlich muss es gerade für die Kommunen langfristig eine vernünftige finanzielle Lösung geben. Das ist keine Frage.

Gerade was die Sicherheit der Finanzen betrifft: Wir haben nachher mit dem heutigen Geburtstagskind - das darf ich sagen - im Rahmen der Haushaltsberatungen noch einmal die Möglichkeit, darüber zu sprechen, was dies ganz konkret für die Zukunft, für den Landeshaushalt 2016 bedeutet, gerade was die Antworten für die Kommunen betrifft, die jetzt auch in finanzieller Hinsicht dringend erforderlich sind. Diese Antworten geben Sie in Ihrem eigenen Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2016 nicht.

(Christian Grascha [FDP]: Die Antwor- ten müssen Sie geben!)

An keiner einzigen Stelle ist eine dauerhafte Finanzierung für die Flüchtlinge, für die Kommunen in dieser Situation vorgesehen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Weil, Sie haben zu Recht - ich teile das; ich komme gleich noch darauf zu sprechen -, genau wie der Kollege Thümler und die Kollegin Modder, noch einmal eine europäische Lösung unterstrichen. Ich habe aber den Eindruck, dass wir auf Landesebene nur noch im Krisenmodus unterwegs sind. Deswegen sage ich auch, Herr Weil, dass Sie sich als Regierungschef an die Spitze der Bewegung stellen und selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen müssen. Aktives Handeln, konstruktives Handeln und koordiniertes Handeln, gerade auch im Interesse der Kommunen, sind zurzeit Fehlanzeige bei dieser Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte vor dem Hintergrund des Spitzentreffens mit der Bundeskanzlerin am gestrigen Tag auch einige kritische Worte gerade in Richtung der Großen Koalition in Berlin sagen. Das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, war vor allen Dingen ein Zickzackkurs. Ich sage deutlich: Dies zeugt leider vom chaotischen Handeln dieser Tage in Berlin.

Die Krise, die wir derzeit erleben - die SPD ist übrigens an der Bundesregierung beteiligt; das nur zur Information, Frau Kollegin -,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

ist auch eine politische, keine gesellschaftliche. Die Menschen in unserem Land gehen mit den derzeitigen Rahmenbedingungen bemerkenswert pragmatisch um. Die konkrete Hilfe vor Ort ist ungebrochen. Davor muss man den Hut ziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich erreichen uns in diesen Tagen auch sehr konkrete Hilferufe aus den Kommunen. Ich möchte deshalb noch einmal auf die Landespolitik zurückkommen.

Die Aussage des Innenministers vom vergangenen Donnerstag im Rahmen der Dringlichen Anfrage, dass keine Menschen mit Infektionskrankheiten auf Kommunen verteilt werden, war schlicht und einfach falsch. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.