Wichtig wäre es im Sinne einer Kundenorientierung vor dem Hintergrund einer stark deregulierten Normensetzung …, die Kolleginnen und Kollegen so aus- und fortzubilden, dass diese den veränderten Rahmenbedingungen vor Ort besser gerecht werden können. Die Beratungskompetenz muss gezielt gestärkt werden.
4. Aufgaben und Personalbestand stehen in einem ungesunden Verhältnis zueinander. Dieses führt zu einer unakzeptablen Arbeitsverdichtung, welche die Kolleginnen und Kollegen erheblich belastet. Diese Belastung ist auch bedingt durch die Vielzahl unterschiedlicher Rechtsgebiete, welche vor Ort zu vollziehen sind. Der Kunde erwartet mit Recht eine Antwort auf seine den Arbeits- und Umweltschutz betreffenden Fragen. Die Leistungsfähigkeit der Kolleginnen und Kollegen ist hier außerordentlich hoch. Aber auch dieser sind Grenzen gesetzt. Die erwartete Wissensdichte ist so hoch, dass
dieser kaum noch entsprochen werden kann. Das Problem der Kolleginnen und Kollegen ist insofern nicht die quantitative Darstellung ihrer Arbeit, sondern das Aufrechterhalten der gewünschten Unterstützungsleistung in Richtung Kunde.
Die Dienstanweisung entlastet die Kolleginnen und Kollegen nicht, weil die Verantwortung für den betriebsbezogenen Vollzug grundsätzlich beim Kollegen bleibt. Diese gilt insbesondere im Havariefall. Es muss Ziel sein, eine an den Aufgaben orientierte Personalbemessung vorzunehmen.
Das Modell des Prioritätenmanagements ist gescheitert, weil der Druck letztendlich nur von der Führungsebene auf die Sachbearbeiter verlagert wird.
Die benannten Punkte sind die Punkte, die die Kolleginnen und Kollegen im Besonderen interessieren. Die Auflistung ist nicht abschließend, sondern kann im Einzelfall ergänzt werden.“
Meine Damen und Herren, die Zitate aus dem Schreiben von 2005 machen deutlich, dass es nicht nur ein geübtes Verfahren im Austausch von fachlichen und inhaltlichen Stellungnahmen zwischen den Gewerbeaufsichtsämtern und der Hausleitung des Umweltministeriums gibt, sondern dass es auch schon vor Jahren kritische Rückmeldungen aus den Gewerbeaufsichtsämtern gab.
Zwischenzeitlich sind in den Haushalten 2014 und 2015 zusätzliche Stellen ausgewiesen worden. Im Zuge der Diskussion über die Arbeitssituation der Gewerbeaufsichtsämter sollen auch kritische Rückmeldungen und gegebenenfalls Defizite durch die Umsetzung der Verwaltungsreformen im Zuge der Abschaffung der Bezirksregierungen aufgegriffen werden. Diese wird das Umweltministerium zusammen mit den Gewerbeaufsichtsämtern, den Personalräten und den Behördenleitungen im Zuge der Aufarbeitung des Falls Ritterhude tiefergehend diskutieren und Initiativen zum Abbau dieser Probleme ergreifen.
Sehr geehrter Herr Minister Wenzel, vor dem Hintergrund, dass aus dem Baurecht und auch aus den Kommentierungen zum Baurecht - ich beziehe mich hier auf Beck, „Baurecht von A - Z“, siebte Auflage - eindeutig hervorgeht, dass in einem Industriegebiet Betriebe nicht zulässig sind, die - ich zitiere - wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung - beispielsweise Explosionsgefahren - zu einer Katastrophe führen könnten, frage ich die Landesregierung: Ab welchem Punkt geht von einem Betrieb im Allgemeinen und von OrganoFluid im Speziellen eine nachteilige Wirkung auf die Umgebung aus, und hätten Baugenehmigungen von der Baugenehmigungsstelle, also vom Landkreis, versagt werden müssen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bäumer, wenn Sie die Lage vor Ort kennen, dann wissen Sie, dass unmittelbar neben dem Betrieb z. B. ein reetgedecktes Fachwerkhaus steht. Die Wohnbebauung war zum allergrößten Teil früher als das Unternehmen dort. Dieser Betrieb hat sich aus einer kleinen Baracke oder aus einem kleinen Laboratorium heraus entwickelt.
Er ist Ende der 80er-Jahre - ich glaube, 1989 - mit Wirtschaftsfördermitteln oder Fördermitteln des Bundes gefördert worden und ist dann an dieser Stelle zu dem Betrieb aufgewachsen, den wir heute kennen.
Aus meiner Sicht war entscheidend für die Entwicklung dieser Anlage die Zulassung - „die Duldung“ kann man aus heutiger Sicht besser sagen - der Verbrennung von Fremdabfällen an diesem Ort. Das war definitiv nicht Gegenstand der ersten Genehmigung von 1989/90. Damit hat sich hier ein Betrieb entwickelt, der aus heutiger Sicht an diesem Standort nicht hätte entstehen dürfen.
men -, genau zu gucken, wo es ähnliche Lagen gibt. In vielen gewachsenen Innenstadtlagen gibt es Betriebe, die dort zum Teil schon seit über hundert Jahren ansässig sind, es gibt Betriebe, die zwischen 0 und 50 m von der Wohnbebauung entfernt sind. Aufgrund der neuen Lage im Störfallrecht prüfen wir genau, welche betrieblichen Konsequenzen diese möglicherweise haben kann oder haben muss. Ich muss aber auch darauf hinweisen - Herr Abgeordneter Bäumer hatte eben danach gefragt -, dass diese Anlage rein rechtlich eben nicht unter das Störfallrecht gefallen ist, d. h. es gibt Betriebe, deren Gefährdungspotenzial noch deutlich größer ist.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der ehemalige stellvertretende Brandmeister der Gemeinde Ritterhude im letzten Jahr gesagt hat: „Schwierig, dass wir gesagt haben, wenn es mal brennt, können wir keinen Kameraden reinschicken, weil es dermaßen verwinkelt und verbaut ist, das man keinen reinschicken kann, der kommt da lebend nicht mehr raus“, frage ich die Landesregierung: Gab es angesichts der besonderen Gefährdungslage des Chemiebetriebes in Ritterhude im Jahr 2003 seitens des Landkreises Osterholz ein ABCGefahrenabwehrkonzept, und war die Freiwillige Feuerwehr Ritterhude mit ABC-Wagen und entsprechendem Gerät ausgestattet?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bäumer! Nach meinem Wissen - ich hatte das eingangs eingeführt - hat hier die Brandschau stattgefunden, und die Feuerwehr hatte keine Beanstandungen, die dazu geführt haben, dass die Situation grundlegend verändert wurde.
Wir werden Ihnen aber ergänzend eine schriftliche Beantwortung nachliefern, damit die Frage nach der Vorhaltung von ABC-Abwehrmaßnahmen eindeutig beatwortet wird.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Aber nicht wieder vier Wochen liegen lassen! - Widerspruch bei der SPD - Jens Na- cke [CDU]: Das ist doch bekannt!)
(Petra Tiemann [SPD] - an Jens Na- cke [CDU] gewandt -: Hören Sie we- nigstens auf Ihren Präsidenten, wenn Sie sonst auf keinen hören!)
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In der Unterrichtung im Umweltausschuss am 2. Februar wurde erklärt, dass das Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven im Jahr 2005 ein Beschwerdemanagement eingeführt hat, bei dem jede Beschwerde und deren Bearbeitung auch dokumentiert worden sind. Vor diesem Hintergrund frage ich: Wie viele Beschwerden gegen das Unternehmen hat es seither gegeben, und mit welchem Ergebnis ist die Dokumentation dieses Beschwerdemanagements hinsichtlich der ordnungsgemäßen Bearbeitung überprüft worden?
(Petra Tiemann [SPD]: Bitte nicht sol- che Verwechselungen! - Das ist mir passiert, weil bisher nur Herr Bäumer gefragt hat. Sehr geehrter Herr Abgeordneter Bosse, in dem Beschwerdemanagement des Gewerbeaufsichts- amts Cuxhaven ist eine Vielzahl von Beschwerden dokumentiert. Diese betreffen u. a. die Bereiche Lärm, Luftreinhaltung und Abfallrecht. Zur Abarbei- tung der Beschwerden wurden Telefongespräche, Gespräche mit Bürgerinitiativen und Beschwerde- führungen geführt sowie Vor-Ort-Besichtigungen, Beprobungen und Messungen durchgeführt. Die von der Landesregierung eingesetzte Koordi- nierungsgruppe zur Aufklärung der Frage, ob die Anlage der Firma Organo-Fluid zum Zeitpunkt des Unglücks zulässig errichtet war und allen rechtli- chen Anforderungen entsprochen hat, überprüft derzeit auch den Aspekt einer sachgerechten Überwachung in diesem Punkt. Ich liefere Ihnen die konkrete Zahl der Beschwerden gerne nach. Darüber gibt es eine Statistik, die auflistet, wie viele Fragen im Einzelnen an die Gewerbeaufsicht gerichtet wurden. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)
Vielen Dank, Herr Minister. - Die nächste Zusatzfrage: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Kollege Janßen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Sie, Herr Minister Wenzel, unmittelbar nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten bei der Genehmigung von Prozessen bei Organo-Fluid diese Überprüfung auf vergleichbare Unternehmen ausgeweitet haben, frage ich Sie: Was war konkret der Anlass, so zu handeln?
Abgeordneter Janßen, wir haben insbesondere zwei Maßnahmen sofort veranlasst. Zum einen haben wir sichergestellt, dass bei Anzeigen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz immer das Vier-Augen-Prinzip angewandt wird, dass also nicht nur der für den Betrieb zuständige Bearbeiter prüft, ob es tatsächlich eine Anzeige ist oder ob es eine wesentliche Änderung der Anlage ist und ein formales Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG durchgeführt werden muss. Daneben haben wir vor - auch das haben wir bereits konkret veranlasst -, für alle sogenannten IED-Anlagen, also alle Anlagen, die unter die Industrieemissionsrichtlinie fallen, ein Genehmigungs- und Nebenbestimmungskataster anzulegen.
Sie müssen sich das so vorstellen, dass eine Genehmigung zum Teil immer aus dem Text besteht, der dem Unternehmer am Ende mit dem Genehmigungsbescheid zugestellt wird, dass Bestandteil der Genehmigung aber auch die Betriebsbeschreibung ist. Diese kann eine Vielzahl von Punkten enthalten, die auch Bestandteil der Genehmigung sind. Wenn sich ein solcher Vorgang über viele Jahrzehnte zieht, dann ist es aus unserer Sicht erforderlich, dass man in einem Anlagenkataster, das immer aktuell gehalten wird, sehr schnell nachvollziehen kann, welche Nebenbestimmungen es tatsächlich gibt oder welche Punkte aus der Betriebsbeschreibung zu beachten sind.