Protocol of the Session on March 18, 2015

Fairness, die von einem Verbraucherschutzminister abverlangt, dass er auch die Verbraucher be

züglich ihrer eigenen Antibiotikaeinnahme in die Verantwortung nimmt.

Fairness dahin gehend,

(Glocke des Präsidenten)

dass auch die Verantwortung in Bezug auf Kliniken und Altenpflegeheime von diesem Minister mit eingebracht wird.

Fairness dahin gehend, dass ein Minister auf seiner Homepage darauf verzichtet, Zusammenhänge herzustellen, die Landwirte und Tierhalter unmittelbar für den Tod Tausender Menschen verantwortlich machen.

Haben Sie den Mut, Herr Minister, sich hier und heute vor diesem Hohen Haus zu erklären und einzugestehen,

(Glocke des Präsidenten)

dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Eindämmung von Antibiotikaresistenzen zu erbringen hat -

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

- dass dieser Beitrag allerdings nur einen kleinen Teil der Problematik löst.

Unsere Fraktion wird im Juni dazu eine Anhörung veranstalten. Wir werden dazu einen ganzheitlichen Ansatz wählen und insbesondere auch die Humanmedizin mit einbeziehen, weil wir von billiger Wahlkampfrhetorik absehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dammann Tamke. - Es folgt jetzt für die Fraktion der SPD Herr Kollege Wiard Siebels. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal darf ich mich bei Ihnen, Herr Grupe, für die jedenfalls in weiten Teilen recht sachlichen Ausführungen hier bedanken. Ich halte es für angemessen, sich dieser Problemstellung, die uns als Landtag in Gänze beschäftigt oder jedenfalls beschäftigen sollte, sachlich zu nähern, statt gegenseitige Schuldzuweisungen anzubrin

gen. Herr Grupe, auf die Überschrift Ihrer Aktuellen Stunde will ich gleich noch zu sprechen kommen. Aber erst einmal herzlichen Dank dafür.

Herr Dammann-Tamke, dieses Lob kann ich an Sie leider nicht weitergeben. Außer gegenseitiger Schuldzuweisungen habe ich da ganz wenig gehört. Sie scheinen ja schon fast eine Freude daran zu entwickeln, wenn es an irgendeiner Stelle bei der Umsetzung noch nicht von heute auf morgen erste riesengroße Erfolge vorzuweisen gibt. Das halte ich, ehrlich gesagt, für unangemessen.

Was ich für völlig unangemessen, geradezu für abenteuerlich halte, ist, dass Sie hier einzelne Personen aus dem Bereich des Landwirtschaftsministeriums anführen, die in den vorzeitigen Ruhestand gegangen sind. Wenn Sie dazu einen Bezug zu Herrn Meyer herstellen wollen, dann sollten Sie das deutlich aussprechen. Dann können wir darüber diskutieren. Wenn Sie das aber nicht wollen oder nicht können oder vielleicht beides nicht, dann sollten Sie, ehrlich gesagt, solche Äußerungen an dieser Stelle vermeiden, Herr Dammann-Tamke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich glaube, dass es richtig ist, wenn wir uns dieser Problemstellung aus zwei Bereichen nähern, nämlich einmal über den Weg der Humanmedizin, aber genauso auch über die Veterinärmedizin.

Ich glaube, dass es richtig ist, dass Landwirtschaft - ich erlebe das übrigens auch auf den Veranstaltungen, auf denen ich unterwegs bin - offen und konstruktiv mit diesem Problem umgeht. Auch das haben Sie, Herr Grupe, gesagt. Es gibt da einen gewissen Zusammenhang. Ich kann das, weil ich kein Arzt oder Biologe bin, nicht im Detail nachweisen. Aber ich will dazu ein paar Zahlen nennen.

Ich glaube, dass es richtig ist, sich dieser Problemstellung auch auf einer anderen Ebene zu nähern, nämlich über die Frage, was eigentlich von dem, was in den Ställen verbraucht, also an Antibiotika eingesetzt wird, in der Umwelt ankommt. Wir reden darüber, dass in Teilen Niedersachsens Antibiotika im Oberflächenwasser nachgewiesen worden sind, und zwar nach meiner Kenntnis Antibiotika, die nur in der Tiermedizin eingesetzt worden sind.

Ich glaube, dass es richtig ist, über die Frage zu diskutieren, wie wir mit dem Einsatz sogenannter Reserveantibiotika umgehen. Ich glaube, dass diesbezüglich allerhöchste Vorsicht geboten ist.

Ich glaube, Herr Grupe, dass es auch richtig ist, dass man die Frage thematisiert, inwieweit es in neuen Ställen - Sie haben das ein bisschen einfach auf die Formel „Neue Ställe gleich weniger Antibitiokaeinsatz“ gebracht - einen positiven Zusammenhang geben könnte. Ich bin da etwas zurückhaltender.

Festzuhalten bleibt aber, wenn man sich der Frage nähert, dass es eine ganze Zahlenwüste ist, die einem da zur Verfügung steht, u. a. aus dem ARMIN, dem Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen, vom Dezember 2014.

Festzuhalten bleibt, dass wir bei den Antibiotikaresistenzen, die mit der Nutztierhaltung in Verbindung stehen - - - Ich rede jetzt einmal nur über diese Kategorie, auch wenn es noch andere Kategorien gibt; das will ich nicht bestreiten. Ich zitiere das jetzt: Bei der räumlichen Verteilung des Anteils sogenannter Livestock associated MRSA an allen MRSA ist erkennbar, dass 2013 der Anteil eben dieser Livestock associated MRSA im Postleitzahlbereich 49 und 48 am höchsten ist.

Jetzt könnte ich noch ganz viele weitere Zahlen nennen.

Das heißt, ich glaube, dass schon nachweisbar ist - das Ganze ist hier auch grafisch dargestellt;

(der Redner zeigt eine Grafik)

da sehen Sie den Postleitzahlenbereich 49, der am Dunkelsten gefärbt ist -, dass es einen gewissen Zusammenhang gibt.

Deshalb fände ich es richtig, wenn wir uns gemeinsam dieser Problematik widmen und uns hier nicht gegenseitig in Schuldzuweisungen das Leben schwer machen. Dazu war Ihre Rede, Herr Dammann-Tamke, vielleicht kein positives Beispiel. Bei Herrn Grupe habe ich mich bedankt.

Das Einzige - damit will ich schließen -, was ich nicht verstanden habe, ist, was an dem, was diese Landesregierung tut, nun „Grüne Ideologie statt Vernunft“ sein soll. Denn das ist die Überschrift der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde. Ich habe den Eindruck, dass sich diese Landesregierung sehr sachlich dieser ganz wichtigen Problematik nähert. Das sollten wir durch solche Überschriften nicht in Zweifel ziehen. Wir sollten uns vielmehr gemeinsam mit dieser Problemstellung befassen. Es liegt dazu ja auch ein Antrag vor.

Wir werden im Ausschuss die entsprechenden Fachdiskussionen führen, weil es hier im Rahmen einer Aktuellen Stunde - so fair müssen wir, glaube

ich, zueinander sein - kaum möglich ist, diesen Riesenbereich, über den wir diskutieren, bis in die letzten Details auseinanderzunehmen. Das ist vielleicht ein Auftakt für eine gemeinsame, sachliche Diskussion über dieses Problem.

Ich darf mich herzlich für die Aufmerksamkeit bedanken.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir bedanken uns auch, Herr Kollege. - Meine Damen und Herren, es liegt jetzt die Wortmeldung der Landesregierung vor. Herr Minister Meyer, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niedersächsische, bundesweite und internationale Auswertungen zeigen, dass der Anteil an resistenten Keimen in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. Eine sehr hohe Anzahl von nur schwer behandelbaren Infektionen mit multiresistenten Keimen und eine daraus resultierende Zahl an Todesfällen im fünfstelligen Bereich allein in Deutschland sind die Folge.

Niemand weniger als die Bundeskanzlerin erklärte kürzlich im Bundestag, dass sie den Kampf gegen die sich weltweit ausbreitende Unempfindlichkeit von Keimen gegen die gängigen Antibiotika zu einem Schwerpunktthema der diesjährigen G-7Präsidentschaft machen will. Die Bundeskanzlerin sagte wortwörtlich im Bundestag:

„Ich begrüße ausdrücklich eine Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika vor allem bei der Nutztierhaltung.“

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Aha! Ist das Ideologie, Herr Dammann-Tamke, oder was?)

Sie sagte nicht „bei Haustieren“, Sie sagte nicht „bei der Humanmedizin“, sondern Sie sagte „vor allem bei der Nutztierhaltung“. Herr DammannTamke, mir ist nicht bekannt, dass Frau Merkel zwischenzeitlich die Partei gewechselt hat

(Zuruf von Helmut Dammann-Tamke [CDU])

- Sie können da gerne dazwischenschreien - und eine grüne Ideologie vertritt.

Noch vor Frau Merkel ist die jetzige Niedersächsische Landesregierung den Einschätzungen von vielen Expertinnen und Experten gefolgt, dass die Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen ein ernst zu nehmendes Gesundheitsproblem darstellt.

Wir wissen: So segensreich die Entwicklung von Antibiotika für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten seit der Mitte des letzten Jahrhunderts war und noch immer ist, so rasch musste die medizinische Wissenschaft erkennen, dass insbesondere bei sorglosem Antibiotikaeinsatz Mensch und Tier dem Phänomen der Resistenzen ausgeliefert sind.

Wenngleich diese Problematik schon lange bekannt ist, ist es umso erfreulicher, dass nun auch die FDP dieses zum Thema einer Aktuellen Stunde macht.

Um die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen oder gar zurückzudrängen - das ist doch unser gemeinsamer Einsatz -, ist die Gesundheit von Mensch und Tier von herausragender Bedeutung.

Regionale Unterschiede, EU-weit z. B. bei der Häufung von Antibiotikaresistenzen, oder die niedrige Erkrankungsrate an resistenten Keimen z. B. in den Niederlanden lassen den Schluss zu, dass diese Gefahren durch gesetzliche Maßnahmen beeinflussbar sind. Hierbei sind drei Ansatzpunkte von Bedeutung: erstens die Verminderung der Entstehung von Resistenzen, zweitens der Übertragung und drittens der Ausbreitung von antibiotikaresistenten Keimen über die Umwelt.

Es ist inzwischen auch bekannt - da sollte man Landwirtschaft und Humanmedizin nicht gegeneinander ausspielen -, dass die Übertragung resistenter Bakterien vom Tier auf den Menschen und umgekehrt erfolgen kann. Daher sind diese Zahlenspielereien - HA-MRSA, LA-MRSA - wissenschaftlich längst überholt. Das hat Herr Kollege Janßen angesprochen. Das sagt übrigens auch das BfR in seiner aktuellen Stellungnahme. Resistenzen wandern. Man kann am Ende nicht erkennen, wo sich der Keim sozusagen seine Resistenz geholt hat.