Das wissen Sie auch ganz genau, nämlich aus einer Antwort auf Ihre Anfrage. Die Antwort ist Ihnen am 1. März zugestellt worden. Insofern ist Ihnen bekannt, dass auch in diesem Bereich etwas getan wird.
Wir wissen aber auch, dass der zum Teil flächendeckende Antibiotikaeinsatz in der Tiermast eine Brutstätte für die Entwicklung multiresistenter Keime ist.
(Christian Dürr [FDP]: Von wem? Vonseiten der Wissenschaft oder vonseiten des Kollegen Meyer? Das ist doch die Frage!)
In welchem Umfang gerade im Geflügelbereich Antibiotika eingesetzt werden, wissen wir aufgrund von Studien aus Niedersachsen und NordrheinWestfalen.
Bei der von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung - die sicherlich wissenschaftlich unterwegs war, Herr Dürr; davon gehe ich aus - 2011 veröffentlichten Studie kam heraus, dass 92 % aller Mastputen und 76 % aller Masthühner im Laufe ihres Lebens Antibiotika bekommen.
(Christian Dürr [FDP]: Das allein ist nicht interessant! Wo die multiresis- tenten Keime herkommen, ist interes- sant!)
Über 30 % der Hühner wurden nach dieser Untersuchung übrigens nur ein bis zu zwei Tage mit Antibiotika behandelt. Dass gerade bei dieser kurzen Medikation die Bakterienstämme vollständig abgetötet wurden, kann doch wohl niemand ernsthaft glauben.
Er sagt: Das Medikament aufbrauchen, auch wenn die Symptome schon vorher weg sind. - Warum sagt der das? - Damit die Bakterien wirklich vollständig abgetötet werden; denn sonst überleben die widerstandsfähigen, vermehren sich prächtig, und so bilden sich Multiresistenzen.
Meine Damen und Herren, wenn fast 80 % der in der Landwirtschaft Beschäftigten nach einer Untersuchung der Uni-Klinik Münster aus 2012 mit multiresistenten Keimen besetzt sind, wenn Ferkelzüchter, Puten- und Hühnermäster als Risikopatienten eingestuft werden, die erst mal in Quarantäne genommen werden, wenn sie ins Krankenhaus müssen, dann ist das keine grüne Ideologie, sondern dann ist auch das bittere Realität.
Natürlich sind MRSA-Keime, die Menschen gefährlich werden können, nicht die gleichen wie die MRSA-Keime von Nutztieren. Insofern ist der Anteil direkter Infektionen durch MRSA-Keime aus dem landwirtschaftlichen Bereich gering. Da haben Sie recht. Aber das sollte uns nicht beruhigen; denn Keime sind sehr anpassungsfähig und tauschen die Multiresistenzinformationen über Artgrenzen hinweg aus.
Die Zeit schrieb dazu: „Sie besuchen einander wie liebe Verwandte.“ Die Überschrift des Artikels vom 20. November letzten Jahres war: „Das bringt uns noch um“.
1 452 t Antibiotika sind 2013 in den Bereich der Tiermedizin gegangen. Mehr als ein Drittel davon - nämlich rund 580 t - sind an Betriebe in den Postleitzahlenbereich 49 - die Region Vechta, Cloppenburg, Osnabrücker Land und Teile von Nordrhein-Westfalen, nämlich der Kreis Steinfurt - gegangen. Mir ist nicht bekannt, dass die Haustierdichte dort so sehr hoch ist. Mir ist aber sehr wohl bekannt, dass wir dort einen Schwerpunkt der Nutztierhaltung haben. Insofern kann man sich durchaus vorstellen, wo diese Antibiotika gelandet sein werden.
Die Gesamtmenge ist seit 2011 zwar zurückgegangen. Das ist aber nur eine halbwegs gute Botschaft; denn gleichzeitig ist der Einsatz der sogenannten Reserveantibiotika deutlich gestiegen. Diese Reserveantibiotika sollten eigentlich der Humanmedizin für Fälle vorbehalten bleiben, in
denen nichts anderes mehr hilft. Deshalb bin ich sehr dafür, diese Reserveantibiotika in der Tiermedizin schlicht zu verbieten und den Menschen vorzubehalten.
Meine Damen und Herren, ich bin optimistisch, dass wir mit der einzelbetrieblichen Erfassung des Antibiotikaeinsatzes, aus der die ersten Daten ja in wenigen Wochen vorliegen werden, und den sich daran anschließenden Maßnahmen einen entscheidenden Schritt nach vorne kommen. Unser Ziel bleibt, den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung in Niedersachsen in den nächsten fünf Jahren um die Hälfte zu reduzieren.
Ich glaube, das wird letztendlich einen wesentlichen Beitrag auch dazu liefern, um vor allem die Kreuzungen zwischen MRSA-Keimen zurückzuführen und damit das Risiko insgesamt zu senken.
Vielen Dank, Herr Kollege Janßen. - Nunmehr folgt für die Fraktion der CDU der Kollege Helmut Damman-Tamke. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Antibiotikaeinsatz als Thema in der Aktuellen Stunde will ich nutzen, um auf die politischen Verantwortlichkeiten hier in Niedersachsen hinzuweisen. Ich möchte nahtlos an die Äußerungen meines Kollegen Hermann Grupe anschließen, der den fachlichen Part hier sehr gut beleuchtet hat. Ich gehe auf die Verantwortlichkeiten ein.
Das Thema der Antibiotika und der Antibiotikaresistenzen ist in diesem Hause nicht neu. Auch schon unter unserer Regierungsverantwortung haben wir hierüber heftig debattiert. Das Ganze mündete in die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, kurz AMG, die seit dem 1. April 2014 in Kraft ist. Seitdem, Herr Minister, liegt der Ball bei den Ländern. Seit dem 1. April 2014 haben Sie allein die Verantwortung für dieses Thema. Denn durch die 16. AMG-Novelle sind Ihnen die entsprechenden Instrumentarien an die Hand gegeben worden, um hier zu handeln.
Wir haben Ihnen im Rahmen einer Dringlichen Anfrage auf den Zahn gefühlt: Warum hat die Bestimmung der Zuständigkeit so lange gedauert? Warum wurden die Stellen beim LAVES erst jetzt ausgeschrieben? Wer soll die neuen Mitarbeiter beim LAVES auf die neue Aufgabe vorbereiten?
Herr Minister, ist Ihnen schon aufgefallen, dass Ihnen gerade in diesem Bereich die Fachleute abhandengekommen sind? - Zunächst war es die Leiterin der Abteilung 2 Ihres Hauses, zuständig für Verbraucherschutz, Tierschutz und Tiergesundheit, die sich in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet hat. Jetzt, Herr Minister, ist ihr die Leiterin des Referats 23 beim LAVES mit der Zuständigkeit - man höre zu! - Tierarzneimittel, Überwachung, Rückstandskontrolldienst nachgefolgt. Auch sie hat sich auf eigenen Wunsch in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet.
Herr Minister, ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Ihnen die Fachleute abhandenkommen, die Sie gerade in diesem Moment so dringend - mehr denn je! - brauchen?
Fakt ist: Diese Entwicklung lässt nichts Gutes erwarten. Wissen Sie, welche Auskunft ein praktizierender Tierarzt, der dieser Tage beim LAVES angerufen hat, um sich Fachfragen in Bezug auf die Umsetzung des Antibiotikamonitorings beantworten zu lassen, erhalten hat? - Man könne dazu derzeit keine Aussagen machen. Man arbeite derzeit ohnehin mit eingeschränkten Bordmitteln.
Eine solche Aussage in Zeiten, in denen Sie uns weismachen wollen, dass alles im Hinblick auf die entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter im LAVES im grünen Bereich ist und dass dabei alles auf einem guten Weg ist, Herr Minister, lässt sehr tief blicken.
Ich sage Ihnen schon heute seitens meiner Fraktion in Anbetracht des Protokolls, dass über diese Plenarsitzung erstellt wird: Kommen Sie nicht auf die Idee, in der Zukunft die Landwirte dafür verantwortlich zu machen, dass die von Ihnen gesteckten Ziele in Bezug auf die Antibiotikaminimierung gerissen wurden! Sie allein tragen die Verantwortung! Ihre administrative Umsetzung in diesem Bereich ist bisher krass mangelhaft.
Beim Thema Verantwortung komme ich jetzt zu der besonderen grünen Sichtweise der Dinge. Ich möchte hier nur am Rande erwähnen, dass auf dem Landesdelegiertentag der Grünen wieder die übliche Wahlkampfrhetorik dahin gehend genutzt wurde, dass Antibiotika das Schmiermittel der Massentierhaltung seien. Nein, solche derbe Rhetorik findet sich leider auch bis heute auf der Homepage des Abgeordneten Christian Meyer.
Ich darf beispielsweise aus der Pressemitteilung 430 vom 19. Dezember 2011 den heutigen Minister aus dem dritten Absatz zitieren:
„Immer mehr tödliche Krankenhauskeime haben ihre Ursache im massiven Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung. Die Bundesregierung spricht von 7 500 bis 15 000 Toten pro Jahr.“
Diese Zahlen beziehen sich auf die MRSAProblematik insgesamt. Die Bundesregierung hat das nicht auf landwirtschaftliche MRSA bezogen.
„22 % der Keime in Niedersachsen sind sogenannte landwirtschaftliche MRSA, haben ihren Ursprung in den boomenden Tierfabriken.“
„Jahrelang habe die Landesregierung den wachsenden Antibiotikaverbrauch in der Geflügelmast … bestritten. Nun sei ein flächendeckender Missbrauch als Wachstumsdoping erkennbar, doch der Landwirtschaftsminister weigere sich weiterhin, eine Agrarwende im Interesse des Gesundheitsschutzes einzuleiten.“
Herr Minister, wenn es denn einen flächendeckenden Missbrauch von Antibiotika zum Wachstumsdoping gibt, dann erwarten wir von Ihnen jetzt, wo Ihnen die AMG-Novelle konkrete Hinweise gibt, entschiedenes politisches Handeln.