Protocol of the Session on February 20, 2015

Lieber Herr Kollege Bley, ich habe das mit dem öffentlichen Arbeitgeber u. a. deswegen gesagt, weil ich nach 20 Jahren Arbeit über ganz viele Erfahrungen bei diesem Arbeitgeber verfüge. Sie können mir glauben, dass ich weiß, dass es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die Verbesserungsbedarf auch hinsichtlich der Frage haben: Wie gehe ich eigentlich mit meiner Gesundheit um?

Das geht natürlich nur, wenn ich die entsprechenden Rahmenbedingungen, z. B. in der Arbeit, dafür habe, sodass ich anschließend in meiner Freizeit, in meiner Lebenszeit dafür sorgen kann, dass ich weiterhin gesund bleibe. Das geht aber nicht,

wenn man, wie dies jeder Vierte sagt - das habe ich eben schon vorgetragen -, überhaupt keine Freizeit mehr hat, weil man sich dauernd ausruhen muss, weil man erschöpft ist. Deswegen bin ich der Meinung, dass beide Seiten eine Verantwortung haben.

Ich als Gesamtpersonalrat habe, wahrscheinlich genauso wie die Kollegin Bruns, immer vertreten, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große Verantwortung haben. Diese Ansicht teile ich ausdrücklich. Aber auch die Arbeitgeber haben eine Verantwortung. Wir sind in der Lage, beides zusammenzubringen, weil es auf beiden Seiten ein großes Interesse gibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier links wird gerade geklärt, wo der oberste Personalchef sitzt. Er sitzt sogar auf der Regierungsbank, wenn ich das richtig nachvollziehe, nicht in der Besucherloge.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Wenn Sie erlauben, dann erkläre ich das!)

- Nein, das ist schon in Ordnung.

Das Wort hat nun Herr Minister Lies. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Begriff „gute Arbeit“ steht für das Leitbild einer modernen und humanen Arbeitswelt. Ich möchte betonen: Wir brauchen wohl nicht darüber zu streiten, wer den Begriff „gute Arbeit“ erfunden hat, sondern wir müssen ihn endlich verinnerlichen.

Ich erinnere mich an viele Gespräche und Diskussionen, bei denen der Begriff „gute Arbeit“ wie ein Kampfbegriff wirkte,

(Christian Dürr [FDP]: Auf den Wahl- plakaten der SPD!)

höchstens noch dadurch zu transportieren, dass man ihn verstärkt hinsichtlich der Frage der prekären Beschäftigung nannte.

Wenn wir uns hier gemeinsam darauf verständigen könnten, dass gute Arbeit das Ziel unserer gemeinsamen Politik ist, dann sind wir einen Riesenschritt weiter. Denn die Begriffe „gute Arbeit“ und „humane Arbeitsbedingungen“ richten den Blick

wieder auf die Qualität von Arbeit. Ich glaube, dass dieser Blick in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Zusammenhang mit dem Begriff „Qualität von Arbeitsbedingungen“ ein bisschen verloren gegangen ist.

Ich kann für die Landesregierung sagen: Die Landesregierung bekennt sich zu den Inhalten und Werten genau dieser Prämisse. Ich bin davon überzeugt, dass wir seit unserem Amtsantritt deutlich gemacht haben, dass wir genau diese Ziele nicht nur erreichen, sondern auch Schritt für Schritt umsetzen wollen.

Deswegen darf ich sagen - dies wurde vorhin genannt -: Der Mindestlohn ist ein ganz wichtiger Schritt in Richtung gute Arbeit und Abschaffung prekärer Beschäftigung. Deswegen sollten wir uns gemeinsam darüber freuen, dass wir in Deutschland endlich den gesetzlichen Mindestlohn haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber neben der Durchsetzung von fairen Entgelten, die dazugehören, die in der Regel eher eine sozialpartnerschaftliche Frage sind

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

- darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig -, ist es auch die Gestaltung von Arbeit, die immer entscheidender wird.

Gerade das Thema Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, Arbeitnehmergesundheit bekommt eine ganz neue Schlüsselrolle. Ich begrüße, dass das in diesem Entschließungsantrag so breit und intensiv ausgeleuchtet wird.

Die Frage, die man sich stellen muss, lautet doch: Warum haben wir heute eigentlich einen anderen Blick für das Thema Arbeitnehmergesundheit, oder warum haben wir einen neuen Fokus auf dieses Thema Arbeitnehmergesundheit? - Ich glaube, dass der demografische Wandel, der Fachkräftemangel und die Flexibilisierung der Altersgrenze dazu führen werden, dass wir vermehrt nicht nur ältere Beschäftigte in den Betrieben haben werden, sondern dass wir auch darauf angewiesen sind, ältere Beschäftigte zu haben. Man kann das an der Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen sehen, die in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Sie wird auch weiter deutlich steigen. Aber sie kann nur dann steigen, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch gesund in ihrem Arbeitsumfeld tätig sein können.

Wir werden uns also darum kümmern müssen. Das Thema Gesundheitsförderung wird im Vordergrund stehen. Prävention ist nämlich das Ziel, um am Ende nicht Erkrankungen zu behandeln, sondern im Vorfeld dafür zu sorgen, dass sie möglichst gar nicht eintreten.

Das, meine Damen und Herren - ich will das einmal sagen -, gilt natürlich nicht nur für die vielen Betriebe, über die wir reden, sondern es gilt genauso für die Landesverwaltung, die darauf achten muss, dass sie im Wettbewerb um die klugen Köpfe und die Fachkräfte am Ende nicht zu kurz kommt. Deswegen ist gerade das demografiesichere und ressourcenbewusste Personalmanagement von ganz entscheidender Bedeutung. Dazu gehören wirklich die Punkte „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ - „Familie“ sind eben nicht nur Kinder, sondern sind auch zu pflegende Angehörige; sie ist also wesentlich breiter aufgestellt - und „verbessertes Gesundheitsmanagement“.

Das Ganze - wir haben das gestern diskutiert - spielt sich in einer erheblich veränderten Arbeitswelt ab, wenn ich das Stichwort „Digitalisierung der Arbeitswelt“, „Industrie 4.0“ mit ganz neuen Anforderungen sehe. Die können positiv sein, was das Arbeitsumfeld angeht, aber sie können auch zu zusätzlichen und neuen Belastungen führen. Ausufernde Arbeitszeiten, steigender Leistungsdruck und ständige Erreichbarkeit werden dazu beitragen, dass es in einer modernen Arbeitswelt Veränderungen gibt mit physischen Belastungen, die wir haben - die kennen wir: starke körperliche Belastungen -, aber in zunehmendem Maße auch mit psychischen Belastungen. Dabei - ich habe es gerade gesagt - ist die Landesregierung in einer Doppelrolle, der sie sich bewusst sein muss, nämlich sozusagen für den eigenen Arbeitsmarkt und für die vielen Betriebe die Rahmenbedingungen zu verändern.

Noch ein paar Zahlen: 14 Fehltage pro Arbeitnehmer in 2013 bedeuten eine permanente Abwesenheit von 4 % der Belegschaften. Das heißt, es gibt auch einen ökonomischen Grund, warum das Thema Gesundheitsmanagement, Gesundheit am Arbeitsplatz eine große Rolle spielt.

Wir machen das gemeinsam - das will ich abschließend sagen - und auch sehr intensiv mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und NiedersachsenMetall. Die Demografieagentur leistet einen ganz wichtigen Beitrag. Das Siegel „Demografiefest. Sozialpartnerschaftlicher Betrieb“, das wir auf den Weg gebracht haben, heißt aber auch eines:

Wer einen solchen Betrieb, eine solche Entwicklung, eine Fachkräftesicherung will, der muss auch in Zukunft verstärkt das Thema Sozialpartnerschaft angehen. Denn Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinsam sind die richtigen Partner, um genau diese Probleme der Zukunft zu lösen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, wir sind jetzt am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunktes.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Es wurde beantragt, dass der Sozialausschuss mitberatend tätig werden soll. Findet das Ihre Zustimmung? Darf ich Sie um ein Handzeichen bitten, wenn das Ihre Zustimmung findet? - Das ist so beschlossen.

Dann rufe ich jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung: Kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einführen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/2885

Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Belit Onay. Er bringt den Antrag jetzt ein. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger, die hier in Niedersachsen und in Deutschland leben. Wir haben allein in Niedersachsen knapp eine halbe Million Menschen, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Knapp 300 000 Menschen davon sind Drittstaatsangehörige, also Angehörige von Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören. Diese Menschen haben, obwohl sie hier seit Jahrzehnten und zum Teil über Generationen hinweg leben, leider nicht die Möglichkeit, ihre kommunale Nachbarschaft mit zu beeinflussen, dort Entscheidungen mit zu treffen,

zu entscheiden, wie ihre Kommune, ihre Nachbarschaft gestaltet wird. Das ist, wie ich meine, ein großer Fehler. Es ist ein Demokratiefehler, ein Legitimationsfehler.

Diesen Fehler sehen und erkennen auch andere. Deshalb gab es im vergangenen Jahr dazu auch einige Diskussionen. In Bremen hat man nämlich einen Vorstoß gewagt, um zu versuchen, hier eine Lösung zumindest für die Menschen in Bremen hinzubekommen. Zu dieser Frage hat sich in Bremen der Staatsgerichtshof geäußert. Insgesamt war das eigentlich zu zwei Fragen: einmal zu der Frage, ob das Landeswahlrecht auf EU-Bürgerinnen und -Bürger ausgeweitet werden darf, und dann zu der zweiten Frage - das ist für uns heute entscheidend -, ob ein kommunales Wahlrecht für die sogenannten Drittstaatsangehörigen eingeführt werden darf.

(Vizepräsident Klaus-Peter Bachmann übernimmt den Vorsitz)

Der Bremer Staatsgerichtshof hat dort entschieden, dass das nicht geht. Er hat diese beiden Vorhaben abgelehnt und das kommunale Wahlrecht eben auch. Er hat das mit dem Hinweis darauf begründet, dass im Grundgesetz das Wahlrecht mit dem Staatsvolk, also mit den Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, verknüpft sei.

Das ist vielleicht für viele ein Déjà-vu. Einige werden sich erinnern: 1990 hatte sich das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mit dieser Frage beschäftigt, was damals aufgrund einer Initiative von Schleswig-Holstein und Hamburg erfolgte, das Wahlrecht auf Ausländerinnen und Ausländer zu erweitern. Das Bundesverfassungsgericht hatte dort gesagt - genauso wie jetzt der Bremer Staatsgerichtshof -, dass das Staatsvolk gleich dem Wahlvolk sein müsse. Allerdings zwei Jahre später ist man davon abgerückt - auch daran werden sich einige von Ihnen erinnern -, indem man EU-Bürgerinnen und -Bürgern in Deutschland das kommunale Wahlrecht zugestanden hat wie in der gesamten Europäischen Union. Das ist sozusagen ein Bruch mit genau dieser Praxis, die jetzt der Bremer Staatsgerichtshof wieder anmahnt.

Allerdings - das muss man auch anerkennen - sagen die Kritiker in diesem Punkt: Das ist nicht ganz zu vergleichen, weil das vor allem auf Reziprozität, also auf Gegenseitigkeit, beruht; die Staaten hätten sich innerhalb der Europäischen Union gegenseitig das Recht zuerkannt, dass EU-Bürgerinnen und -Bürgern auf kommunaler Ebene wählen dürfen. Das ist richtig. Aber auch innerhalb der

Europäischen Union hat man mit dieser Praxis gebrochen. Es gibt eine Vielzahl von Staaten - ich nenne beispielhaft Irland, die skandinavischen Länder, die Niederlande und Belgien -, die Ausländerinnen und Ausländern, die nicht aus der EU stammen, unter verschiedenen Kriterien - nach Aufenthalt usw. - das Wahlrecht grundsätzlich anerkennen. Das heißt, auch in der Europäischen Union gibt es da Möglichkeiten zur Abweichung.

Ich glaube, so viel föderaler Mut muss eigentlich auch sein, dass die Bundesländer selber entscheiden dürfen sollten, wer dort wählen darf. Ich glaube, das widerspricht auch nicht dem Grundgesetz. Denn das Grundgesetz fordert von den Ländern das Demokratieprinzip ein. Ich glaube, da sind wir uns alle einig, dass das keine technische Frage ist. Denn was sonst als das Wahlrecht ist denn sozusagen die Essenz der Demokratie? Wenn Menschen wählen, dann geschieht wirklich Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In diesem Sinne glaube ich, dass wir hier wirklich mit einem sehr pragmatischen Ansatz kommen, in den sich viele einreihen können. Wir haben hier die Forderung, das kommunale Wahlrecht nicht sozusagen pauschal einzuführen, sondern wir wollen, dass es den Ländern freigestellt werden soll, eine Entscheidung zu treffen, ob sie ihrer Bevölkerung innerhalb ihrer Landesgrenzen eine solche Möglichkeit eröffnen wollen. Das machen wir vor allem, weil wir glauben, dass das am realistischsten umsetzbar ist. Ich sage das gerade mit Blick - da kennen wir ja alle unsere Spezialisten - auf Bayern, die CSU, die zumindest schon signalisiert hat, dass sie hier Vorbehalte habe. Aber mit der Annahme unseres Antrags hätte man die Entscheidung sozusagen in die Hände der Kommunen gelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, gerade vor diesem Hintergrund sind die Argumente erdrückend. Man kann eigentlich gar nicht anders, als diesem Antrag zuzustimmen. Ich freue mich aber auf die weiteren Diskussionen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.